In Brandenburg kommt das Parité-Gesetz: Klagen lockernehmen

Ein Brandenburger Urteil zu quotierten Wahllisten könnte Signalwirkung für Deutschland haben – vor allem wenn die Klagen abgelehnt werden.

Brandenburger Abgeordnete sitzen in den Reihen

Hier wird's entschieden: das Parité-Gesetz Foto: dpa

Potsdam taz | Ist die Pflicht zu quotierten Wahllisten verfassungswidrig? Diese Frage wird vermutlich bald das Brandenburger Verfassungsgericht entscheiden müssen – sobald Klagen gegen das Parité-Gesetz eingehen, das an diesem Donnerstag im Potsdamer Landtag voraussichtlich beschlossen wird.

Maßstab ist dann die Brandenburger Landesverfassung. Diese folgt aber – wie wohl auch andere Landesverfassungen – in allen hier relevanten Fragen dem Grundgesetz. Das Brandenburger Urteil hätte damit Signalwirkung für ganz Deutschland.

Im Oktober 2018 kam der Parlamentarische Beratungsdienst des Brandenburger Landtags in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass quotierte Wahllisten verfassungswidrig seien. Diese Position ist vertretbar, aber keineswegs zwingend. Dass der Landtag das Gesetz nun in abgespeckter Version beschließt, ist also kein Harakiri-Unternehmen. Vielmehr könnte sich der Landtag als Schrittmacher verdient machen, wenn das Verfassungsgericht am Ende Klagen gegen das Gesetz abweist.

Konkret gibt es vier verfassungsrechtliche Probleme mit dem Gesetz. So könnte es erstens gegen das Verbot verstoßen, Menschen aufgrund ihres Geschlechts zu diskriminieren. Denn bei der Aufstellung quotierter Listen können Männer nur noch für jeden zweiten Platz kandidieren. Das dürfte aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, weil es in der Brandenburger Verfassung einen Auftrag gibt, für die Gleichstellung von Mann und Frau zu sorgen.

AfD weist auf Probleme mit dem dritten Geschlecht hin

Zweitens könnte das Parité-Gesetz die Grundsätze für demokratische Wahlen verletzen, insbesondere die Freiheit der Wahl. Die Wähler würden durch quotierte Listen bevormundet. Auch hier kann auf das Gleichstellungsgebot als Rechtfertigung verwiesen werden. Dagegen ist das Demokratieprinzip nicht zur Rechtfertigung geeignet. Das Parlament muss nicht die Bevölkerungszusammensetzung widerspiegeln – sonst bräuchten wir auch Quoten für zum Beispiel Bauern, Handwerker und Arbeitslose.

Die Pflicht zu quotierten Wahllisten greift drittens auch in die Selbstbestimmung der Parteien ein. Bisher konnten sich einzelne Parteien durch quotierte Listen politisch profilieren, künftig wäre dies dann für alle Pflicht. Doch auch in diesem Punkt könnte das Gleichstellungsgebot als Rechtfertigung dienen.

Der Brandenburger Landtag könnte sich als Schrittmacher verdient machen

Viertens könnte es Probleme mit dem sogenannten dritten Geschlecht geben, worauf ironischerweise vor allem die Rechtsaußenpartei AfD hinweist. 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es für Menschen, die biologisch weder eindeutig Mann noch Frau sind, eine eigene Kategorie im Personenstandsrecht geben muss. Der Bundestag hat daraufhin die neue Kategorie „divers“ eingeführt.

Zu Wahllisten hatte das Bundesverfassungsgericht damals nichts gesagt. Es könnte allerdings problematisch sein, von Intersexuellen zu verlangen, sich für einen Männer- oder Frauenplatz zu entscheiden, wenn dies nicht zwingend notwendig ist.

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