Impfgegner schlägt BR-Journalist: Wieder Angriff auf Reporter
Bei einer Pressekonferenz zur Coronapolitik in München schlägt ein 23-Jähriger einen Journalisten ins Gesicht. Der Täter ist mutmaßlich Impfgegner.
Nachdem die offizielle Veranstaltung beendet war, führte der Journalist Interviews mit Zuhörer:innen, berichtet der BR. Daraufhin soll der 23-jährige Mann wieder auf den Marienplatz gekommen sein und den Journalisten mehrmals ins Gesicht geschlagen haben. Sicherheitsleute konnten den Mann zurückdrängen, doch er griff den Journalisten erneut an.
Die Polizei, die wieder per Notruf an den Marienplatz gerufen wurde, nahm den Mann fest, dabei beleidigte er auch eine Polizistin. Die Beamt:innen hielten ihn in Sicherheitsgewahrsam, bis alle Besucher:innen der Veranstaltung den Platz verlassen hatten.
Der 38-jährige BR-Journalist erstattete Anzeige wegen Körperverletzung. Laut Polizeiangaben musste er nach dem Angriff nicht in ärztliche Behandlung. Auch der Reporter selbst sagt der taz, körperlich sei er nicht verletzt: „Seelisch muss ich den Vorfall erst einmal verarbeiten.“ Die Kriminalpolizei ermittelt wegen Körperverletzung, Störung des öffentlichen Friedens, Bedrohung sowie Beleidigung. Der Angreifer ist schon seit 2020 der Polizei bekannt. Er kann dem Bereich der Coronaleugner:innen und Impfgegner:innen zugeordnet werden.
Angriff auf die Pressefreiheit
Der Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, sagt auf taz-Anfrage, der Angriff sei abscheulich, aber nicht überraschend: „Seit gut zwei Jahren weisen wir auf die Gewalt bei Protesten des ‚Querdenken‘-Spektrums gegen die Corona-Regeln hin, an denen oft gewaltbereite Neonazis und extrem rechte Gruppen teilnehmen. Seit zwei Jahren fordern wir mehr Schutz für Reporterinnen und Fotografen, verbessert hat sich ihre Sicherheitslage aber leider immer noch nicht.“
Auch BR-Intendantin Katja Wildermuth verurteilt den Angriff auf den hauseigenen Journalisten: „Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, das es zu schützen gilt. Jeder Angriff auf Journalisten ist auch ein Angriff auf die Pressefreiheit.“
Der bayerische Gesundheitsminister äußert sich ebenfalls zu dem Vorfall: „Die Medien müssen ohne Angst vor Einschüchterung frei berichten können.“ Auf taz-Nachfrage erklärt eine Ministeriumssprecherin, sie seien auf eventuelle Störungen bei der Pressekonferenz vorbereitet gewesen: „So wurden von uns Sicherheitsleute engagiert. Außerdem haben wir das Konzept mit der Polizei abgesprochen, die ebenfalls vor Ort war. Konkrete Hinweise auf geplante Störungen hatten wir im Vorfeld nicht.“
Neues Ausmaß von Gewalt
Auf der Kurznachrichtenplattform Twitter kursieren Videos, die zeigen, wie ein weiterer Journalist, ein Fotograf, ebenfalls auf der Veranstaltung angegriffen wurde. Der Polizei ist jedoch noch nichts gemeldet worden, heißt es.
BR-Chefredakteur Christian Nitsche sagt, früher seien Angriffe eher verbaler Art gewesen: „Die jetzige gewalttätige Attacke sprengt diese Dimension und ist der bislang schwerste Angriff auf einen BR-Kollegen.“ Auch der Reporter selbst bestätigt, in sieben Jahren Berichterstattung sei er noch nie köperlich angegriffen worden. Er berichtete öfter von Corona-Demonstrationen, auf denen er und seine Kolleg:innen selten mal beleidigt worden waren. „Aber ein Vorfall wie gestern stellt in meinen Augen eine neue Stufe an Bedrohlichkeit dar“, sagt er.
Der Angriff führt dazu, dass der BR eine enstprechende Empfehlung an die Redaktionen aussprach. „Da selbst Platzverweise der Polizei nicht mit Sicherheit durchgesetzt werden, werden wir bis auf Weiteres für alle größeren öffentlichen Veranstaltungen im Kontext von Corona eigenes Sicherheitspersonal engagieren,“ sagt Nitsche der taz.
Mihr von „Reporter ohne Grenzen“ ergänzt: „Da der Hass auf die Presse ideologisch motiviert ist, kann das Problem langfristig nur gesamtgesellschaftlich gelöst werden, kurzfristig braucht es endlich einen besseren Schutz der Presse durch die Polizei. Mit Blick auf den Herbst machen wir uns große Sorgen, dass Angriffe wie der auf den BR-Kollegen wieder zunehmen werden.““
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen