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Im griechischen Urlaubsort bleibenOlymp schmeckt nur in kleiner Dosis

In einem nordgriechischen Bergdorf steht die Zeit still. Die Gesprächsthemen sind tiefgehend, Fürsorge selbstverständlich. Aber hier für immer bleiben?

Blick auf das Kloster von Agios Dimirios in Kamarina und dem Denkmal von Zalongo Foto: fotofritz/imago

A ls ich an diesem stillen Morgen aus der Tür trete und über endlose bewaldete Hügel auf das Meer am Horizont schaue, überlege ich, wie es wäre, hier zu bleiben. Sich niederzulassen. Kamarina, ein Dorf mit ein paar hundert Seelen in der nordgriechischen Region Epirus, hat eine unwirkliche Magie. Auf einem Bilderbuchplateau gelegen, wirkt es nicht provinziell, sondern wie eine irdische Fassung des Olymps; eine andere Welt, ohne Lebensmittelgeschäfte und nur durch einen täglichen Bus mit der Erde verbunden.

Kamarina ist ein Ort, wo einen die Nachbarin des Airbnb mit Geschenken überhäuft, mit selbstgebackenem Kuchen und Brot, selbstgemachten Teig- und Süßspeisen, mit Obst, Eiern und Fisch. Ihre alte Mutter lädt uns ein und wir sitzen stundenlang im Garten, mit Händen und Füßen und dem Englisch der Tochter übers Leben redend, während die Zeit stillsteht.

Wir sind zufällig in Kamarina gelandet, genauer gesagt: haben uns zuletzt fast auf allen vieren dorthin geschleppt. Direkt nebenan liegt die antike Stätte Cassope, und weil wir eine Art Antike-Stätten-Mottowanderung machen, bot sich Kamarina zum Übernachten an. Rund 40 Kilometer vom Ausgangsort über teils ordentlich Höhenmeter – ach komm, das passt schon. Das erste Drittel ist toll, das zweite funktionales Vorankommen, das dritte pure Qual. Ich ahnte nicht, dass ein Körper so viele Facetten von Schmerz und völliger Erschöpfung ausdrücken kann. Als wir in der Dunkelheit nach Kamarina hineinstraucheln, erkennt die Restaurantwirtin sogleich die Lage und telefoniert. Die nette Nachbarin des Airbnb holt uns die letzten Meter mit dem Auto ab.

Die warmherzige Frau hat zwischenzeitlich in der Großstadt gelebt, aber sie ist nach Kamarina zurückgekehrt. Hier sei das Leben gut, sagt sie. Das ist ihr wichtiger als Karriere. Die alte Mutter hat in Australien und Deutschland gearbeitet, auch sie kehrte zurück. Und ich verstehe gut, warum. Viel wird selbst angebaut, die Gesprächsthemen sind tiefgehend, Fürsorge selbstverständlich, Eile gibt es nicht. Alles hat Zeit. Ist das das Paradies?

wochentaz

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Und doch bin ich nach ein paar Tagen nicht böse, als wir weitergehen. Jeden Tag in friedlicher Harmonie bei Nach­ba­r:in­nen im Garten zu verbringen, abgekapselt von der Außenwelt: Das ist auch erdrückend. Es fehlt die Dynamik, der Konflikt, und das Meer am Horizont mag ein schöner Anblick sein, aber schöner noch ist es, ihn zu erweitern. Der Olymp schmeckt nur in kleiner Dosis.

Der Abschied von der Nachbarin und der alten Mutter ist emotional. Sie laden uns ein, mit mehr Zeit wiederzukommen. Und wir nehmen es uns fest vor. Aber wenn ich eines vom Reisen gelernt habe, dann, dass solche Vorsätze fast immer am nächsten Ortsrand zerschmelzen.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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