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Im ersten JahrDie freie Schule lebt

Vor knapp einem Jahr ging die Freie Gemeinschaftsschule mit nur drei SchülerInnen an den Start. Jetzt gibt es eine Warteliste

Lernen ohne großen Stress: FGS-SchülerInnen mit Besuch Foto: FGS Bremen

Bremen taz | Seit fast einem Jahr gibt es die freie Gemeinschaftsschule FGS in Sebaldsbrück. Das Ungewöhnliche an der Schule ist nicht, dass die acht Fünft- und Sechstklässler morgens erst mal meditieren oder dass es keine Noten gibt. Dafür ist sie eben frei. Frei von Zwängen staatlicher Schulen – aber auch frei von Ideologie oder Glauben.

Von 22 privaten Schulen in Bremen haben 16 einen christlichen Hintergrund, vier unterrichten nach der Waldorfpädagogik. Einzig die International School vermittelt keine Glaubenslehre, sondern zeichnet sich dadurch aus, dass sie durchgängig englischsprachigen Unterricht bietet.

Und jetzt auch noch die FGS, die einmal 50 Fünft- bis Zehntklässler aufnehmen soll. Ungewöhnlich an ihr ist: Dass es sie immer noch gibt. Denn die Voraussetzungen waren denkbar schlecht. Erst eine Woche vor den vergangenen Sommerferien hatte die Bildungssenatorin endlich die Zulassung erteilt, erinnert sich Martin Wandelt, der die Schule mit gegründet hat und sie als Vorstandsmitglied in der Öffentlichkeit vertritt.

Voraussetzungen denkbar schlecht

Für viele Eltern, die ihre Kinder gerne zum Schuljahr 2015/2016 angemeldet hätten, kam diese Entscheidung viel zu spät. „Angefangen haben wir deshalb mit drei Kindern“, erzählt Wandelt, dessen zwei Töchter noch die Grundschule besuchen.

Im Laufe des Schuljahres wurden die acht Plätze dann alle belegt. Von Kindern, die von staatlichen Schulen oder der Waldorfschule gewechselt waren. Einer von ihnen ist der zwölfjährige Sohn von Frau Dose. Er hat schon Schulwechsel hinter sich. An der einen Schule war das Lerntempo für ihn zu schnell, an der anderen gab es Probleme mit der Klassenlehrerin.

Seine Mutter war heilfroh, dass die FGS ihn aufnahm und er sich wohl fühlt. „Er hatte hier keine Kopf- und Bauchschmerzen mehr“, sagt Dose. Zwar würde er montags immer noch maulen, wenn er zur Schule müsse, aber wohl eher aus Gewohnheit. „Er hat richtig Lust zu lernen.“ Der Grund dafür, dass es jetzt endlich mal gut für ihn in der Schule laufe, sei wohl, dass er sich als Person wert geschätzt fühle. Sowohl von den anderen Kindern als auch von der Lehrerin. Die würde sich auf eine Auseinandersetzung mit ihm einlassen, ihn nicht aufgeben, wenn es schwierig werde, sagt seine Mutter.

Schulen für schwierige Kinder

Schwierige Kinder landen oft an freien Schulen. Typischerweise sind es Jungs, weil Mädchen sich eher anpassen. An der FGS lernen derzeit sechs Jungs und zwei Mädchen – ab dem kommenden Schuljahr soll das Geschlechterverhältnis dann aber ausgewogen sein, sagt der Schulgründer Wandelt. Dieses Mal gibt es genügend Anmeldungen – und sogar eine Warteliste.

Dabei kommen die Kinder aus allen Stadtteilen. Einige sogar aus Bremen-Nord, für die die Schule gut erreichbar ist, weil sie direkt am Sebaldsbrücker Bahnhof liegt.

Was fehlt, ist derzeit noch eine zweite Lehrerin, noch lieber ein Lehrer. Die Bildungsbehörde verlange Lehramtsqualifikationen – „uns ist die Persönlichkeit am wichtigsten“, sagt Wandelt. Authentisch solle die Person sein, beziehungsstark und bereit, nicht einfach nur ihre „Stunden abzureißen“, wie Wandelt es ausdrückt. Mit der Lehrerin Gaby Kumm, die 20 Jahre an staatlichen Schulen unterrichtet hat, hätten sie so jemand gefunden.

Dabei sei diese „keine typische Alternativschullehrerin“, also eine, die sich ausgiebig mit reformpädagogischen Theorien beschäftigt hätte und schon immer an eine freie Schule wollte. „Ich arbeite einfach gerne ohne enge Grenzen“, erklärt Kumm, warum sie den Job angenommen hatte, noch bevor die behördliche Genehmigung vorlag. Und: „Hier kann ich bei der Gruppe bleiben und muss nicht nach anderthalb Stunden in die nächste Klasse.“

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