: Im Trüben ohne Fischer
Ex-Ministerin Andrea F. will nicht GAL-Spitzenkandidatin für Bundestag sein. Auch neue Parteichefin verzweifelt gesucht ■ Von Sven-Michael Veit
Hamburgs Grüne leiden Personalnot. Nach dem plötzlichen Tod ihrer Parteivorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Kristin Heyne ist deren politische Erbfolge ungeregelt. Und kaum jemand drängelt sich vor, schon gar nicht grüne Frauen. Am Donnerstagabend gab auch die frühere Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer der GAL einen Korb. Sie schlug die ihr angetragene Spitzenkandidatur für den Bundestag aus (siehe S. 8).
Am Montag hatte der GAL-Landesvorstand mit 5:1-Stimmen eine Kandidatur Fischers auf Platz 1 der Hamburger Liste befürwortet. Vor allem grüne Frauen hatten damit die Kandidatur von Willfried Maier auf dem bereits terminierten Parteitag am 7. April verhindern wollen. Der 59-jährige Parlamentarier, unter Rot-Grün Senator für Stadtentwicklung und Bundesangelegenheiten, ist bisher der Einzige, der ernsthaft in den Reichstag aufsteigen will. Daran habe sich nichts geändert, bestätigte Maier gestern der taz: „Ich trete für Platz eins an.“ Und nach Fischers Verzicht vermutlich konkurrenzlos.
Hinter Maier, der sich in Eimsbüttel auch um ein Direktmandat bemüht, dürften die Liste zieren: GALionsfigur Krista Sager, Partei-Vize Jens Kerstan, Ex-Parteichefin Kordula Leites, die Abgeordnete Anja Hajduk sowie Fraktions-Vize Christa Goetsch oder Jo Müller. Zwischen diesen beiden fällt am Mittwoch in Altona die Entscheidung. Deren Reihenfolge allerdings ist nebensächlich. Bestenfalls kann die GAL wie vor vier Jahren mit einem Mandat rechnen.
Vor Fischers Absage hatte bereits Anja Hajduk die dünne Personaldecke der Hamburger Grünen bloßgelegt. Sie hatte am Montag erklärt, nicht Parteichefin werden zu wollen. Nun wird erneut eine starke grüne Frau verzweifelt gesucht. Denn am 9. Dezember vorigen Jahres hatte die GAL per Satzungsänderung die althergebrachte Doppelspitze durch einE Parteivorsitzende plus StellvertreterIn ersetzt: Eben Heyne und Kerstan. Da der 35-jährige Volkswirt im Amt bleiben soll, muss also eine Chefin her. Und zwar, da sind sich alle prominenten Grünen einig, „eine profilierte“. Denn im Bundestagswahlkampf könne man nicht „einem Nachwuchstalent Zeit zum Reifen lassen“.
Bloß wer? Goetsch hat bereits abgewunken, die langjährige grüne Spitzenfrau Krista Sager will ebenso wenig wie Ex-Chefin Antje Radcke. Die gilt zudem als „verbrannt“, seit sie im November zusammen mit dem gesamten Landesvorstand wegen der Niederlage bei der Bürgerschaftswahl aus dem Amt gejagt wurde. So konzentriert sich die Fahndung auf zwei Parteilinke: Ex-Fraktionschefin Antje Möller (44) und Ex-Bürgerschaftsabgeordnete Sabine Steffen (43).
Offiziell vorgesprochen hat bei beiden noch niemand, und beide erklären, „erst dann darüber nachzudenken“, wenn sie ein Ruf ereilt haben sollte. Wobei zumindest Möller auf Unterstützung durch führende Realos zählen dürfte.
Sager, die Möller als Fraktionschefin ablöste, Goetsch und der langjährige Abgeordnete Martin Schmidt würdigen ihre „Integrationsfähigkeit“. Jedoch „nahtlos“ würde Möller sich nicht „in die Lücke einfinden, die Kristin hinterlassen hat“, sagt sie. Ohne „gewisse Änderungen“ am Wahlkampfkonzept und in der Zusammenarbeit der Parteikreise „ist das für mich nicht vorstellbar.“
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