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Im Süden der UkraineZurück unter Moskaus Obhut

Die prorussische Mehrheit auf der Halbinsel Krim will sich von der Ukraine lossagen. Proeuropäischen Aktivisten droht dort Haft und Verfolgung.

Auch in Simferopol auf der Krim wird protestiert – gegen Europa. Bild: imago / itar-tass

SIMFEROPOL taz | Für die Bewohner der Krim war der Mittwoch ein symbolischer Tag. Denn genau vor 60 Jahren, am 19. Februar 1954, „schenkte“ der damalige sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow die Krim der Ukraine. Das Gebiet gehörte zuvor zum russischen Gebiet der Sowjetunion. Am Mittwoch berieten Politiker der Krim nun über eine Annullierung der damals vorgenommenen Schenkung und einer Rückkehr zur Russischen Föderation.

Seit knapp zwei Wochen sind die wenigen proeuropäisch orientierten Aktivisten der Krim unter Beobachtung. Ihre Wohnungen werden mit schwarzen Markierungen versehen und Fotografien ausgehängt mit dem Titel: „Ihr Nachbar ist ein Verräter der Krim. Er hat das Leben von Menschen auf dem Gewissen.“

In den Universitäten der Hauptstadt Simferopol werden Demonstrationen gegen die proeuropäischen Proteste in Kiew mit dem Titel „Stop Maidan“ organisiert. Vor Supermärkten verteilt man Flugblätter mit der Aufforderung, die Maidan-Bewegung nicht zu unterstützen.

Die meisten Bewohner der Krim und der Rest der Ostukraine demonstrieren aus einem einfachen Grund nicht auf dem Maidan. Sie verstehen nicht, warum die Regierung ausgewechselt werden sollte. Mitschuld daran trägt die Opposition. Die traut sich mit ihren Agitationen nicht hinein in die Regionen der Ostukraine.

Die Regierungspartei „Partei der Regionen“ war hingegen bereits 2004 zu Wahlkampfzwecken im Osten unterwegs. Das verhalf Präsident Janukowitsch unter anderem dazu, an die Macht zu kommen. Nach wie vor bleibt der Südosten der Ukraine eine Hochburg der Regierungspartei. Die Krimbewohner haben sich angepasst an dieses ruhige Leben – und sehen sich auf einmal konfrontiert mit den Oppositionellen, die die Ukraine Richtung Europa zerren wollen.

Informationskrieg auf der Krim

Proeuropäischen Aktivisten droht auf der Krim Haft und Verfolgung – die örtliche Regierung ist prorussisch eingestellt. Unterstützt wird sie dabei von zahlreichen russischen Organisationen, die unter dem Deckmantel der „Kulturarbeit“ auf der Halbinsel tätig sind. Diese Organisationen führen einen Informationskrieg auf der Krim. Rund 70 Prozent der Krimbewohner schauen regelmäßig russisches Fernsehen. Das prägt ihre Haltung gegenüber den Protesten.

Russland benutzt die Krim als Mittel zum Zweck, denn die Situation in Kiew ist für den Kreml nur förderlich: die Ukraine spaltet sich in zwei Teile. Die Krim spielt dabei eine übergeordnete Rolle.

Dabei ist die Gesellschaft auf der Halbinsel im Schwarzen Meer alles andere als gespalten. Die Menschen sind tolerant im Umgang miteinander. Die Spaltung wird von außen gelenkt. Der Sprecher des Obersten Rates der Krim bereitet momentan einen Aufruf an Russlands Präsident Wladimir Putin vor, in dem er darum bittet, die Situation in der Ukraine zu stabilisieren.

Die Minderheit der nichtslawischen und muslimischen Krimtataren ist darüber überhaupt nicht glücklich. Deren Führer Mustafa Dschemylew trat in der Nacht zum Mittwoch auf dem Maidan in Kiew auf. Er gab eindeutig zu verstehen: „Die Krimtataren sind mit dem ukrainischen Volk! Eine Einmischung Russlands auf der Krim werde nicht geduldet.

Übersetzung: Ljuba Naminova

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14 Kommentare

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  • Der Name 'Lemberg' steht für die Massenmorde an der Zivilbevölkerung von Lviv im 2. Weltkrieg.

    Die Deutschen machten sich eine Spaß daraus, ihre Opfer zu quälen und zu verhöhnen, man setzte ihnen 'Teufelsmützchen' auf und ließ sie so durch die Straßen von Lviv zu ihrem Hinrichtungsort laufen. Dort wurden sie erschossen und in zuvor ausgehobenen Gruben verscharrt. Da nicht alle Opfer sofort tot waren, wurden viele von ihnen bei lebendigem Leibe begraben.

    • N
      Nasdor
      @Tadeusz Kantor:

      das ist eines von vielen deutschen Verbrechen im 2. WK.

      Hat allerdings nichts mit dem Namen zu tun, der ist deutlich älter.

      Wer Lemberg sagt will damit sicher keine Opfer deutscher Gewaltherschaft verhöhnen, er benutzt einfach einen jahrhundertealten Namen.

  • AV
    Alternative Version

    "Seit vier Wochen werden die wenigen antifaschistisch orientierten Aktivisten in Lwiw verfolgt. Ihre Wohnungen werden mit schwarzen Markierungen versehen und Fotografien ausgehängt mit dem Titel: „Ihr Nachbar ist ein Verräter der Ukraine. Er hat das Leben unserer Nation auf dem Gewissen.“"

     

    "Prorussischen Aktivisten droht auf dem Maidan Haft und Folter – die örtlichen Schläger sind antirussisch eingestellt."

     

    "Unterstützt werden sie dabei von zahlreichen EU-Organisationen, die unter dem Deckmantel der „Kulturarbeit“ in der Haupstadt tätig sind. Diese Organisationen führen einen Informationskrieg in der Ukraine. Rund 70 Prozent der Maidan-Besetzer schauen regelmäßig amerikanische Hollywood-Actionfilme. Das prägt ihre Haltung gegenüber der Regierung."

     

    "Die NATO benutzt die Proteste als Mittel zum Zweck, denn die Situation in Kiew ist für Weißes Haus und Kanzleramt nur förderlich: die Ukraine spaltet sich in zwei Teile. Die Prosteste spielen dabei eine übergeordnete Rolle."

     

    Komisch, wie sehr auch diese Version passen würde.

    • T
      toddy
      @Alternative Version:

      Ein kleiner Schönheitsfehler die US NATO möchte keine Spaltung Ukraine sie möchten den Ganzen "Kuchen" und um im Bild zu bleiben das Land der "Bäcker" in nicht das der dummen Fresser...und eine Ukraine (als Staat) hat es in der Geschichte im Grunde nicht gegeben erst nach Ende der Sowjetunion und das mit Hinweis auf eine angebliche Geschichte/ Kultur, in der Geschichte war gerade Kiew ein der Schmelztiegel der Russen ...

    • PE
      Paul Eberlein
      @Alternative Version:

      tja, so was nennt man dann Propaganda von Russischen Agenten. Aber bei uns gibt natürlich nur "objektive" Berichterstattung

  • liebe taz, wenn ihr schon eine Karte der Ukraine zeigt, dann bitte Lviv oder Lwiw, aber nicht "Lemberg".

    Sowas ist echt nur peinlich.

    • T
      toddy
      @Tadeusz Kantor:

      Stellvertretend hier die Antwort für alle die sich dumm stellen: weil alle anderen Namen der Lautschrift ähnlich in der deutschen Sprache verständlich gemacht werden und nicht wie es von deutschsprachigen Besetzern genannt wurde außer „natürlich“ Stettin, Swinemünde, Königsberg alle diese Namen sind "Programm" ...

      • N
        Nasdor
        @toddy:

        Der Name Lemberg wurde doch nicht von deutschen Besatzern erfunden! Der ist (in diversen Varianten) deutlich älter und hat absolut nichts mit den Nazis zu tun.

        Es ist einfach die deutsche Bezeichnung für diesen Ort und hat darüber hinaus auch eindeutig sprachliche Verwandschaft zur ukrainischen Variante.

        Wo liegt also das Problem - außer sich künstlich aufzuregen?

        • T
          toddy
          @Nasdor:

          nein Schlaukopf es waren die Fremdherrscher der KuK Monarchie – und in Österreich spricht man ja wohl Deutsch andererseits fand sich ein gewisser von der Leyen in „Lemberg“ pudelwohl und ließ tausende Menschen ermorden und augenfällig Lwow oder Lwiw hat natürlich sprachliche Verwandtschaft, sieht man schon an der Anzahl der Buchstaben – und irgendein „Berg“ hat natürlich mit Löwen zu tun, Klar übrigends in den DDR nannte man die Stadt deutsch Low

    • N
      Nasdor
      @Tadeusz Kantor:

      das ist nicht peinlich, das ist nunmal der deutsche Name der Stadt.

      Ist Warschau oder Rom zu sagen auch peinlich? Oder Munich?

    • @Tadeusz Kantor:

      Warum? erklären Sie bitte

    • K
      Kai
      @Tadeusz Kantor:

      Was ist daran peinlich? Schämen sie sich für ihre eigene Sprache?

       

      Wir schreiben doch auch Kopenhagen, Rom, Venedig, Warschau,...

  • B
    Baer

    München Baer|Für die Bewohner der Krim war der Mittwoch ein symbolischer Tag. Denn genau vor 60 Jahren, am 19. Februar 1954, „schenkte“ - unter Umgehung der existierender Protokolle - der damalige sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow die Krim der Ukraine. Das Gebiet gehörte zuvor zum russischen Gebiet der Sowjetunion. Am Mittwoch berieten Politiker der Krim nun über eine Annullierung der damals vorgenommenen Schenkung und einer Rückkehr zur Russischen Föderation.

  • A
    Arne

    Schön, dass es in der Ukraine auch noch Gebiete gibt, in denen höchstens EU-Flaggen brennen und nicht Menschen.

     

    Mich würden zwar auch noch ein paar Belege zu den Inhaftierungen von EU-Befürwortern interessieren, aber das wäre wohl zuviel an Objektivität verlangt.

    Bei 75% russischer Bevölkerung sollte im Interesse der Mehrheiten tatsächlich eine Möglichkeit diskutierbar sein, im Sinne des Friedens, dass sich die Krim wieder der Russischen Förderation anschließen könnte. Berücksichtigt werden müssten dabei natürlich die Minderheitsrechte der Krimtataren und der Ukrainer.