: Im Schmollwinkel
Präsident Karl-Heinz Wildmoser inszeniert sein Selbstmitleid auch nach dem 2:1 über Rostock
MÜNCHEN taz ■ Da sitzt er, der arme Millionär. Soll sich ein bisschen Freude abringen nach dem 2:1-Sieg seines TSV 1860 München gegen Hansa Rostock – aber, ach, Freude. „Sie können sich vorstellen, dass ich glücklich bin“, sagt Präsident Karl-Heinz Wildmoser, und das klingt, als gäbe er gerade sein eigenes Ableben bekannt. Es soll Menschen geben, denen erscheint jede Freude wie Hohn angesichts all des Unrechts auf dieser Welt. Bei Karl-Heinz Wildmoser ist es anders: Er verkneift sich jede Freude, weil all das Unrecht dieser Welt ausgerechnet ihm widerfährt.
Dieses Unrecht, so sieht es der Löwen-Präsident, steht vor allem in den Zeitungen. Überall liest er „Krise“, schreiben sie „vier Niederlagen in Serie“ oder flüstern „0:13“ Tore. Zwar war das lediglich die objektive Bilanz des TSV 1860 vor dem Spiel im Olympiastadion gegen Rostock. Aber diese Bilanz hatte in München die Mechanismen des Fußballs in Gang gesetzt: Herr Präsident, stehen Sie noch zu Ihrem Trainer; Herr Präsident, kann Ihr Trainer das Team noch motivieren; Herr Präsident, müsste man nicht irgendwie handeln?
Die Verantwortlichen wurden in Frage gestellt, dabei würde Wildmoser Lorant niemals feuern. Vor neun Jahren haben der millionenschwere Gastronom und der kantige Fußballtrainer ihr Schicksal aneinander gekettet und die Löwen zuerst in die Bundesliga und dann ins internationale Fußballgeschäft geführt. Wildmoser war es satt, immer „die Watschen (Ohrfeigen) einzustecken“. Sah sein Lebenswerk in Frage gestellt. Und dann begann er ausgerechnet nach dem ordentlichen Spiel der Löwen gegen Parma mit seiner Selbstdemontage als Mäzen des einstigen Münchner Arbeiterclubs. Im nächsten Jahr, gab er bekannt, stehe er nicht mehr als Präsident zur Verfügung.
Die Leidenschaft ist ihm abhanden gekommen unter der „Last des Ehrenamtes“, sogar unabhängig von Sieg und Niederlage. Etwa in der 21. Minute: Vidar Riseth ist auf der rechten Seite entwischt und passt den Ball in den Rostocker Strafraum, wo Martin Max zum 1:0 einschießt. Wildmoser zieht an seiner Zigarette und verzieht keine Miene. Auch nicht, als Rostocks Agali den Ball zum 1:1 ins Löwen-Tor lupft (64. Minute, Werner Lorant demoliert vor Wut das Sitzmobiliar). Und auch nicht, als Max nach Vorarbeit von Daniel Bierofka den 2:1-Siegtreffer erzielt (68., Lorant dankt gestenreich dem Fußballgott).
Aber Werner Lorant ist da anders. In der Krise sagte er: „So ist eben Fußball.“ Und argumentierte nun: Sieg ist gleich: drei Punkte, ist gleich: Krise überstanden. Und tatsächlich spielten die Münchner in der zweiten Halbzeit offensiven, kreativen Fußball. Alleine Thomas Häßler traf je einmal Latte und Pfosten.
Martin Max erkannte gar: „Ich bin nicht so wichtig“, sagte der Torschützenkönig der vergangenen Saison nach dem Spiel, der mit seinen zwei Treffern die Torflaute der Münchner beendete und seine eigene Ladehemmung gleich mit. „Es zählt nur der Erfolg der Mannschaft, es ist egal, wer die Tore schießt.“ Klar, nur Fußballerphrasen. Innerlich wird er seine Kritiker mit einem „euch hab’ ich’s gezeigt“ bedacht haben.
Karl-Heinz Wildmoser dagegen wäre eine derartige Selbstzurücknahme fremd. Seit Tagen zelebriert er öffentlich die Inszenierung seines Selbstmitleids („Ich habe doch so viel geleistet“). Einziger Lichtblick in dieser freudlosen Zeit: Ein Fanclub hat ihn zu einer Weihnachtsfeier eingeladen. Und deshalb muss er jetzt auch los. „Meine Leidenszeit geht zu Ende“, haucht er beim Hinausstapfen aus der Pressekonferenz noch einem Grüpplein Journalisten zu, „ich habe mit den Löwen abgeschlossen.“
Aber wie soll es weitergehen, Herr Wildmoser? Man muss ihn fragen, denn niemand anderes bei 1860 kann solche Dinge entscheiden. „Irgendeiner wird sich schon finden.“ Und wenn nicht? Ein letzter Säufzer: „Ich bin ja nicht aus der Welt.“ Der Rest ist Schweigen. CLAUDIO CATOUGNO
1860 München: Hofmann - Zelic - Ehlers (29. Pfuderer), Kurz - Cerny, Stranzl, Häßler, Riseth (32. Tyce), Bierofka - Max, Agostino (80. Beierle) Hansa Rostock: Pieckenhagen - Schröder, Jakobsson, Oswald - Rydlewicz, Yasser, Brand (84. Weilandt), Emara - Baumgart, Arvidsson (82. Majak(21.), 1:1 Agali (66.), 2:1 Max (69.)
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