Im Musical „Der König der Löwen“: Lauter Superlative
Zu voll, zu touristisch. Nie ins Musical, hatte sich die Autorin geschworen. Und besuchte nun doch „Der König der Löwen“ – der Familie zuliebe.
Es regnet. Die Luft riecht nach Pommesfett, Fischbrötchen und Diesel. Fast wütend schwappt die Elbe gegen die Landungsbrücken. Genauer gesagt: Gegen Brücke 1. Ein „Musical Shuttle“ legt hier an, Menschen mit zerfledderten Regenschirmen drängen aufs Schiff. Menschen in Outdoorjacken und Menschen in Hotpants. Paare, viele Familien. Dem Dialekt nach zu urteilen, sind es überwiegend Hamburg-Touristen. Sie sind auf dem Weg zum „König der Löwen“ auf der anderen Seite der Elbe. Ein „Musical Shuttle“ legt ab, der nächste legt an. „Jo, im Zehnminutentakt geht das so“, informiert mich der junge Mann, der die Abfahrten ausruft. Er spricht breitestes Hamburgisch und trägt tatsächlich einen Friesennerz.
Eigentlich wollte ich nie auf ein solches Schiff. Was für eine Massenveranstaltung, was für ein Hype! Aber dann wurde meine Patentochter 18. Ich hatte ihren Geburtstag vergessen und ein schlechtes Gewissen. Und sie einen Wunsch frei. „Ich war noch nie in einem Musical und würd’ gerne mal zu ‚König der Löwen‘“, schrieb sie mir und: „Ich würd’mich freuen, wenn wir was zusammen machen.“
Ich war gerührt und ging auf die Website des Veranstalters. Gelb-schwarz sprangen mich zum „König der Löwen“ die Superlative an. „Ein Meilenstein in der Musicalgeschichte“ stand da und „Welterfolg“. Es sei die „kommerziell erfolgreichste Bühnenshow aller Zeiten“, erfuhr ich: Seit dem 2. Dezember 2001 wird „König der Löwen“ in Hamburg gespielt. Mit 300 Kostümen, 400 Puppets und 600 „Lichtstimmungen“. 297 Darsteller*innen aus 28 Nationen waren dabei, fast 15 Millionen Gäste insgesamt haben die Show besucht. Sir Elton John war schon da, Anne Will und Peter Maffay – nur ich nicht. Und auch nicht meine Patentochter Anna und auch nicht Fritz, mein fast 14-jähriger Zweitgeborener. Tatsächlich heißen beide anders.
Tagelang habe ich mich durch den Saalplan gescrollt, Tickets organisiert, den Termin koordiniert. Heute also gehe ich doch auf ein solches Schiff. Drüben angekommen, führt eine Gangway zu den Theatern im Hafen, Schilder weisen nach links zur „Eiskönigin“ und nach rechts zum „König der Löwen“. Ein schneller Blick auf die glitzernde Stadtsilhouette, schon drücken uns Wind und Besucher*innen ins Foyer.
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Ein Magnet für 15,50 Euro
Kurz scannen wir den Souvenirstand und staunen über die Preise: ein Magnet für 15,50 Euro, eine Fleece-Decke für 48 Euro. Wir entscheiden uns für Snacks und Getränke. Wir wollen „Löwenfutter“ kaufen – Popcorn mit Salzkaramell-und-Erdnussbuttergeschmack – und Getränke, die man nur im Plastikbecher mit hineinnehmen darf. Einen unachtsamen Augenblick später hat sich eine vierköpfige Familie aus dem Ruhrgebiet mit sehr gekämmten Kindern vorgedrängelt. Die Pfandbecher seien wirklich stabil, versichert die Mutter unaufgefordert, man könne sie „ganz wunderbar in die Spülmaschine stellen“.
Wir betreten den riesigen Saal, der mit seinen mit 2.030 Plätzen einem XXXL-Kino gleicht. Wohlig lassen wir uns in die roten Sessel fallen, suchen vergeblich nach den Getränkehaltern. Urwaldgeräusche und Vogelgezwitscher tönen aus den Lautsprechern und vermischen sich mit aufgeregten Gesprächen über die „Man weiß ja nie“-Flex-Ticket-Versicherung.
Da geht schon das Saallicht aus und die Sonne über der Savanne auf. Rafiki singt wunderschön, mehrere Elefanten, nein, Dutzende Darsteller*innen in kunstvollen Elefantenkostümen ziehen durchs Parkett auf die Bühne. Gazellen gesellen sich dazu, Zebras und Giraffen.
Ich bestaune die Darsteller*innen, die Kostüme, die Puppenspieler*innen. Sehe Schattenspiele, punkrockende Hyänen und einen schier endlosen Sternenhimmel. Sehe Wasserfälle aus Tüchern und galoppierende Gnu-Herden. Beseelt schaue ich Simba und Nala beim Groß- und König*in-werden zu und trinke mein Bier aus dem Pfandbecher. Durch einen Pappstrohhalm.
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