■ Im Haas-Prozeß wählt das Gericht einen fragwürdigen Mittelweg: Aufklärung mißlungen
Ein absonderlicher Prozeß ist zu Ende gegangen. Denn je länger sich das Marathonverfahren gegen die angebliche „Terroristen-Helferin“ Monika Haas vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hinzog, um so mehr stand die Frage im Vordergrund, wer eigentlich mehr zu verbergen hatte: Angeklagte oder Ankläger. Aufklärung ist nicht gelungen, weder in der einen noch in der anderen Richtung.
Handfeste Indizien, daß Monika Haas die Waffen für die „Landshut“-Entführung vor 21 Jahren tatsächlich nach Mallorca brachte, blieben rar, die Einlassungen der Kron- und sonstigen Zeugen widersprüchlich, zudem von deren eigenen Interessen geleitet und letztlich unglaubwürdig. Daß es massive Behinderungen der Beweisaufnahme durch Strafverfolgungsbehören und Geheimdienste gab, steht außer Frage. Die zum Teil peinlich beschnittenen Aussagegenehmigungen beteiligter Beamter zeugen davon. Die entscheidende Frage jedoch, ob damit nur bis heute unbekannte V-Männer geschützt werden sollten oder die Aufdeckung dieser Verbindungen dramatische Fehlleistungen im Vorfeld der Flugzeugentführung entschleiert hätte, blieb unbeantwortet. Der Verdacht, daß östliche und westliche Geheimdienste von der Aktion des palästinensischen Kommandos wußten oder wissen konnten, ist nicht widerlegt.
Das macht – neben dem verworrenen Schicksal einer Frau, die zwölf Jahre lang unbehelligt in Frankfurt leben konnte, ehe sie eine nur ihr selbst wirklich bekannte Vergangenheit einholte – dieses Verfahren so unerfreulich. Ein derart verspäteter politischer Prozeß ist, ob gewollt oder nicht, immer auch eine Art Geschichtsaufarbeitung. Doch die ist mißlungen.
Monika Haas war eine außergewöhnliche Angeklagte. Nicht, weil sie alle Vorwürfe vehement bestritt. Das soll auch anderswo vorkommen. Doch Haas und ihre Anwälte haben engagiert die Aufklärungsarbeit zu tun versucht, die eigentlich Bundesanwaltschaft und Gericht zufiel.
Das Urteil, mit fünf Jahren Haft liegt es exakt in der Mitte zwischen den Forderungen der Ankläger und der Verteidigung, ist ein Kompromiß, den das Strafrecht genaugenommen nicht kennt. Das Gericht wählte, hin- und hergerissen zwischen seinem offenkundigen Verurteilungswillen und der am Ende unverkennbar miesen Beweislage, den Mittelweg. Wenn Monika Haas ihre Einlassungen der vergangenen Jahre ernst nimmt, kann sie den Schuldspruch nicht hinnehmen. Immerhin, zurück in den Knast muß sie nicht mehr. Gerd Rosenkranz
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