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Illegale Räumung in der Rigaer StraßeRäumung war keine „Räumung“

Ein Gericht hat die Teilräumung des Hausprojekts in der Rigaer Straße für illegal erklärt. Nun behauptet Berlins Innensenator Henkel, es sei gar keine Räumung gewesen.

Erzählt irgendwas: Frank Henkel Foto: dpa

Berlin dpa | Innensenator Frank Henkel (CDU) hat den laut Gericht rechtswidrigen Polizeieinsatz gegen das teilbesetzte Haus in der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain verteidigt. Mit dem Einsatz habe man Gefahren abwehren und die Bauarbeiter schützen wollen, erklärte Henkel. „An dieser rechtlichen Einschätzung halten wir fest“, erklärte Henkel am Mittwoch.

Gleichzeitig wies der Innensenator Vorwürfe der Opposition zurück, die Polizei habe sich bei dem Einsatz am 22. Juni nicht an Recht und Gesetz gehalten.

Das Berliner Landgericht hatte die Teilräumung des alternativen Wohnprojektes in Berlin-Friedrichshain am Mittwoch für rechtswidrig erklärt. Der Eigentümer der Immobilie habe bis heute keinen Räumungstitel vorgelegt, sagte Richterin Nicola Herbst. Dies wäre die Grundlage gewesen, um Nutzer der Räume im Erdgeschoss hinaus zu zwingen. „Der Weg des Eigentümers ist nicht vom Gesetz vorgesehen“, sagte die Richterin.

Henkel erklärte dazu, da der Anwalt des Eigentümers nicht zum Gerichtstermin erschienen sei, habe die Richterin zivilrechtlich nicht anders entscheiden können. Es gebe konkrete Erkenntnisse, dass der Anwalt der Eigentümerseite aufgrund einer massiven Einschüchterung beziehungsweise eines Brandanschlags nicht an dem Termin teilgenommen habe, erklärte Henkel.

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20 Kommentare

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  • Es werden jetzt die Geflüchteten wie vorgesehen im Märchenviertel einquartiert.

  • Nein, sondern Wahlkampf!

  • "Es gebe konkrete Erkenntnisse, dass der Anwalt der Eigentümerseite aufgrund einer massiven Einschüchterung beziehungsweise eines Brandanschlags nicht an dem Termin teilgenommen habe, erklärte Henkel." Was denn für "Erkenntnisse"? Hat der Anwalt versucht den Gerichtstermin zu verschieben, weil er sich nicht aus dem Haus getraut hat oder nicht? Um darüber eine Aussage zu treffen braucht man doch keine "Erkenntnisse"!

     

    Ich finde es aber auch merkwürdig, dass nicht einmal dem Gericht vor der Verhandlung klar war, auf welcher rechtlichen Grundlage die Räumung oder Nicht-Räumung stattfand.

     

    Mit anderen Worten, man sieht hier den Henkel vor lauter Bullshit nicht mehr.

  • ich finde es erschreckend, wenn der berliner innensenator das urteil einer richterin komplett ignoriert.

    in dem rbb-abendschau-interview findet er es aber vor allem skandaloes, dass in einem rechtstaat linksautonome bestimmen, wie unser rechtssystem zu funktionieren hat. dsa alles basierend auf medienberichten, also spekulation, dass ein anwalt angeblich aus angst durch einschuechterungen (durch wen? inwiefern?) nicht vor dem gericht erscheinen konnte. dass also macht herrn henkel fassungslos. soso. mal ganz konkret, ich wuerde gern ein interview mit dem anwalt sehen, in dem er genau erklaert, was passiert ist. vorher erscheint mir diese ganze geschichte extrem unplausibel, da anwaelte ihr ganzes berufsleben mit anfeindungen leben muessen, und zweitens gibt es auch polizeischutz, wie herr henkel sicher auch weiss.

    http://mediathek.rbb-online.de/tv/Abendschau/Teilr%C3%A4umung-der-Rigaer-laut-Gericht-rech/rbb-Fernsehen/Video?documentId=36539006&topRessort=tv&bcastId=3822076

  • Schließen sie mal die Augen und denken sie folgendes Szenario:

     

    Ein Gruppe Rechtsradikaler besetzt ein Haus in der Mitte der Hauptstadt Deutschlands und betreibt dort illegal eine Kneipe für gleichgesinnte. Dies Vorgehen wird von allen Behörden geduldet, öffentliches Recht wird nicht durchgesetzt, die Hauseigentümer haben kein Zugriff auf die Gebäude.

     

    Augen auf... merkwürdig oder?

    • @Alfred Vail:

      Ich würde an deiner Stelle die Augen vielleicht geschlossen halten. Denn scheinbar erkennst du mit geöffneten auch nicht viel mehr. Oder liege ich da falsch?

      Wie kann ein denkender Mensch nur zu solch verqueren Schlussfolgerungen gelangen? Irgendwie erinnert mich dies an die Jahreskriminalitätsstatistik, wo rechtsradikale Straftaten wie z.B. Mord, Brandstiftung und schwere Körperverletzung den sogenannten linksradikalen "Straftaten" wie vermummt oder nicht angemeldet demonstrieren, Sitzblockade oder Schottern gegenübergestellt werden.

    • @Alfred Vail:

      Dann besorgt sich der Eigentümer einen Rechtstitel und räumt mit Gerichtsvollzieher und ggf. Polizei. Ohne Rechtstitel ist eine Räumung illegal, egal wer da geräumt wird. Gleiches Recht für alle.

    • @Alfred Vail:

      ich bin jetzt nicht der groesste freund der linken/autonomen/vonmirausauchlinksradikalen szene. aber wie in den berichten auch erlaeutert wird, war/ist die rigaer strasse ein wohnprojekt, in dem auch fuer fluechtlinge und beduerftige gekocht wurde. die anwohner rund um das haus haben sich mehr oder weniger mit den hausbesetzern solidarisiert, ganz anders als herr henkel dies darstellt. jetzt moechten sie immer noch einen vergleich ziehen mit einem imaginaeren hausprojekt rechtsradikaler?

      • @the real günni:

        @The Real Günni:

        Sie meinen wenn die Rechtsradikalen in meinem Gedankenspiel für Flüchtlinge kochen würden und sich die Nachbarschaft mit den Rechtsradikalen solidarisieren würden, wäre die Sache OK?

        • @Alfred Vail:

          Ganz ehrlich? Auf jeden Fall. Aber nur, wenn sie sich auch ansonsten friedlich und solidarisch verhalten! :-)

          • @Ürre KrankerScheiß:

            Rechtsradikale die für Geflüchtete kochen, sich solidarisch zeigen, friedlich sind? Was für Drogen werden denn hier konsumiert? :D

            • @Neinjetztnicht:

              War ja nur ein Gedankenspiel.

  • Henkel, halt die Klappe und trete zurück! Peinlicher Typ!

  • Bin kein Anwalt, aber "kein Räumungstitel = keine Rechtsgrundlage für die Räumung = ganze Aktion illegal" bleibt doch genauso eindeutig und logisch, egal ob der Eigentümer keinen, einen oder tausende Anwälte ins Verfahren schickt. Der Herr Henkel macht sich auch seine Welt, widewidewie sie ihm gefällt, hätte gern ein Rosinenpicker-Recht zum Aussuchen

  • Hier passiert das, was immer passiert. Damit eine daneben geratene Sache optisch möglichst unbeschädigt bleibt, wird sie nachträglich mit Argumenten ummäntelt, die zwar willkürlich sind (wie es gerade paßt), aber dennoch überwiegend wirksam sind.

     

    Für den Innensenator geht es im Extremfall um viel: Entweder wird er gerecht geredet oder er wird mit dem goldenen Handschlag verabschiedet.

  • Das ganze ist konfus, weil eine nachvollziehbare Schilderung der rechtlichen Fakten fehlt. Räumung ohne Gerichtsvollzieher => kein Titel + kein Zivilrecht.

     

    Vermutlich Räumung nach Polizeirecht. Gefahr für öffentliche Sicherheit und Ordnung? Fortdauer der Straftat Hausfriedensbruch? Wer hat nach 3Jahren das Hausrecht? Wenn ich mich an alte Zeiten erinnere, ist das rechtlich nie proplematisiert worden. Der Senat ließ räumen, geklagt wurde nicht. Das Kammergericht hat den Straftatbestand Hausfriedensbruch jedenfalls zu Lasten der Betroffenen sehr weit ausgelegt.

     

    Wenn das zivilrechtliche Besitzrecht durch den Senat/Polizei verletzt wurde - rechtmäßig oder unrechtmäßig - was hat dann der zivilrechtliche Eigentümer damit zu tun? Soll er den besitzrechtlichen Zustand wiederherstellen, den die Polizei als illegal ansieht?

     

    Es wäre schön wenn die TAZ über den Inhalt der Klageschrift - Anspruchsgrundlagen - berichten oder noch besser dies veröffentlichen könnte.

     

    Ansonsten bleiben zumindest für den juristisch vorgebildeten Leser hier sehr viele Fragen offen.

    • @A. Müllermilch:

      Ihre "juristische Vorbildung" fällt in den Bereich der "Schaumschlägerei".

       

      Hausfriedensbruch ist kein "Offizialdelikt", sondern ein Antragsdelikt. Das heisst, der Eigentümer MUSS hier zunächst einen Strafantrag stellen und einen Rechtstitel erwirken, bevor er räumen lassen kann. Alles andere ist illegal und eine Straftat seitens des Eigentümers und seiner Helfershelfer. Das "Polizeirecht" KANN hier überhaupt nicht greifen!

       

      Wie soll das auch gehen, das die "öffentliche Ordnung" dadurch gefährdet wird, dass ein paar Leute ein leerstehendes Spekulationsobjekt als Wohnraum nutzen? Die Gefahr für die öffentliche Ordnung geht hier wenn, dann vom Spekulanten aus, der absichtsvoll bezahlbaren Wohnraum dem Markt entzieht und verfallen lässt, um über den Umweg einer Luxuxssanierung - eventuell sogar Abriss und Neubau - den Profit zu maximieren.

    • @A. Müllermilch:

      ist es nicht ausschlaggebend, was die richterin in ihrem beschluss verkuendet hat - raeumung war illegal?

      • @the real günni:

        Aussage der Richterin:

         

        „Der Weg des Eigentümers ist nicht vom Gesetz vorgesehen“

         

        Offensichtlich hat eine Räumung durch die Polizei stattgefunden. "Mit dem Einsatz habe man Gefahren abwehren wollen." Also angebliche Gefahrenabwehr nach Polizeirecht = öffentliches Recht. Das Landgericht wäre dann nicht zuständig. Und zwar ziemlich offensichtlich.

         

        Jetzt hat die Richterin beim Landgericht aber entschieden. Für den Juristen spannende Frage: Warum entscheidet die Richterin beim Zivilgericht über öffentliches Recht. Hat sie gerade eh nichts besseres zu tun und einfach Lust auf öffentliches Recht oder gibt es eine nachvollziehbare Begründung?

         

        Zu Hausbesetzerzeiten in den 80ern haben Räumungen - soweit mir bekannt - immer nach Polizeirecht aufgrund einer Strafanzeige ohne zivilrechtlichen Räumungstitel stattgefunden.

         

        Kann ja sein, dass sich die Rechtslage inzwischen geändert hat, nur da fehlt im Artikel die juristische Erklärung.

         

        Die Taz ist sicher kein juristisches Fachblatt, nur um das Handeln von Henkel bewerten zu können, bedarf es hier juristischer Erläuterungen.

        • @A. Müllermilch:

          Sie haben es wirklich nicht kapiert.

           

          „Der Weg des Eigentümers ist nicht vom Gesetz vorgesehen“ bedeutet nichts anderes als "Der Eigentümer hat eindeutig gegen die bestehenden Gesetze verstoßen und rechtswidrig gehandelt."

           

          "Mit dem Einsatz habe man Gefahren abwehren wollen." ist die Aussage ( = Schutzbehauptung) der Polizei. Gilt aber nur für unmittelbare "Gefahr im Verzug". Den Nachweis blieb man schuldig. Und zu mehr ist die Polizei nunmal nicht ermächtigt. Es handelte sich somit um einen klaren Rechtsbruch und eine illegale Aktion, die eigentlich disziplinarische Konsequenzen und politische Verantwortungsübernahme führen müsste, sprich die Verantwortlichen im Beamtenapparat bekommen wenigstens einen Eintrag in die Personalakte (je nach Schwere des Vergehens wäre auch die Entfernung aus dem Dienst eine mögliche Option), der "Dienstherr" (Innensenator) hätte zurückzutreten und sich eine weitere politische Karriere aus dem Kopf zu schlagen.

           

          So würde zumindest ein funktionierender Rechtsstaat reagieren. Aber seit wann haben wir den?