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Illegale Minen in BrasilienWeiter Goldrausch im Regenwald

Trotz medienwirksamer Razzien wird das Edelmetall weiter am Amazonas abgebaut. Das hat fatale Folgen für Indigene und Umwelt. Deutschland trägt Mitschuld.

Amazonien: Riesige Gebiete werden durch illegalen Goldabbau verwüstet Foto: Olivier Donnars/le pictorium/imago

Berlin taz | Ein brennendes Boot treibt am Ufer eines Flusses. Das zeigt ein Video, das vor wenigen Tagen im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso aufgenommen wurde. Dort rückten Bundespolizei und Umweltbehörde aus, um gegen Goldgräber vorzugehen. Dabei zerstörten sie 17 Boote und beschlagnahmten Gold sowie Benzin. Trotz dieser medienwirksamen Aktion geht der illegale Goldabbau in Amazonien unvermindert weiter, wie eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung von Greenpeace zeigt. Besonders bemerkenswert: Die brachialen Maßnahmen der brasilianischen Behörden haben nicht zu einem generellen Rückgang des illegalen, umweltschädlichen Goldabbaus geführt – vielmehr hat er sich in andere Gebiete verlagert.

Das zeigen Radardaten und Überflüge von vier stark betroffenen Regionen, die die Umweltschutzorganisation analysiert hat. Allein hier wurden innerhalb von zwei Jahren 4.219 Hektar Regenwald für die Ausbeutung von Goldvorkommen vernichtet. „Wir fordern einen Amazonas frei von illegalem Goldabbau!“, sagt Harald Gross, Amazonas- und Gold-Experte von Greenpeace. „Der unkontrollierte Goldhunger vergiftet Menschen und Tiere, zerstört den Amazonas-Regenwald und bedroht damit auch das globale Klima.“

Die Verdrängung zeigt sich deutlich im Territorium der indigenen Sararé, am südlichen Rand des Regenwaldes. Hier hat der illegale Goldabbau zuletzt sprunghaft zugenommen: von 92 Hektar neuer illegaler Minengebiete im Jahr 2022 auf 1.197 Hektar im Jahr 2024. Zurück gingen die extrem umweltschädlichen Aktivitäten hingegen in den Gebieten der Yanomami (-7 Prozent), Munduruku (-57 Prozent) und Kayapó (-31 Prozent).

Im Gegensatz zum traditionellen Kleinbergbau nutzen die neuen Goldminen meist schweres Gerät mit vielen Arbeitskräften. Das führt zu erheblich größeren Umweltauswirkungen. Um den Goldstaub zu binden, setzen die Goldgräber Quecksilber ein, dessen Rückstände in die Flüsse gelangen und die Fische vergiften, die von den Indigenen verzehrt werden. Das hochtoxische Schwermetall kann zu lebenslangen Nervenschäden führen.

Illegaler Bergbau in Gebieten ohne staatliche Kontrolle

Häufig kommt es zudem zu gewaltsamen Konflikten mit Indigenen. Während der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro hatte der illegale Bergbau drastisch zugenommen. Obwohl die seit 2023 amtierende Regierung unter Präsident Lula verstärkt gegen Eindringlinge vorgeht, verlagern sich die illegalen Aktivitäten häufig in andere Regionen. Illegaler Bergbau findet meist in abgelegenen Schutzgebieten und indigenen Territorien statt – Gegenden, die schwer zugänglich sind und in denen es an staatlicher Kontrolle mangelt.

Inzwischen mischt auch das organisierte Verbrechen zunehmend in dem lukrativen Geschäft mit. Der Goldrausch im Regenwald lässt sich auch mit dem weltweit gestiegenen Goldpreis erklären, der 2024 einen historischen Höchststand erreichte. Der glänzende Metall gelangt meist über ein undurchsichtiges Netz von Schmuggel, gefälschten Dokumenten und lascher Kontrolle in die legale Lieferkette.

Wie die Greenpeace-Studie zeigt, sind die Handelsströme der Schweiz – ein globaler Hauptumschlagplatz für Gold – besonders auffällig. Deren Goldimporte überstiegen die brasilianischen Exporte 2022 und 2023 um bis zu 67 Prozent – was auf systematische Unregelmäßigkeiten hinweisen könnte. Trotz internationaler Regelwerke fehle es an konsequenter Umsetzung und Kontrolle, moniert Greenpeace. Deshalb trügen auch europäische Länder indirekt zur Umweltzerstörung und Verletzung indigener Rechte bei. Strengere Transparenz- und Sorgfaltspflichten seien nötig.

Deutschland importiert einen Großteil seines Goldes aus der Schweiz, aber auch direkt Gold aus dem Amazonas-Regenwald. Aufgrund der weit verbreiteten illegalen Goldgewinnung in dieser Region gilt es als sehr wahrscheinlich, dass ein Teil dieses Goldes aus illegalen Quellen stammt. „Damit kein Giftgold aus Regenwaldzerstörung in Deutschland landet, braucht es endlich klare Regeln“, sagte Greenpeace-Experte Gross zur taz. „Unternehmen müssen offenlegen, woher ihr Gold stammt – und die Bundesregierung muss sich für verbindliche Umwelt- und Menschenrechtsstandards in der Lieferkette starkmachen – national und europaweit.“

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3 Kommentare

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  • Ich werde es nie verstehen. Gold ist nützlich für korrosionsbeständige Kontakte, aber schon in der heterogenen Katalyse konnte es nie irgend einen Vorteil gegenüber Platin, Palladium und Rhodium zeigen, und die Dentaltechnik hat auch bessere keramische Werkstoffe für sich entdeckt - der ganze Rest? Was sind wir, bitteschön, Elstern? Alles einsammeln und horten, was glänzt? Das ist doch albern! Leider sieht es derzeit eher nicht danach aus, daß die Menschheit erwachsen wird.

  • Finde ich richtig, die Lieferketten auch für Goldschmiede(n) verpflichtend nachzuweisen. Aber dieses „Deutschland trägt Mitschuld“ für alles und jede(s) nutzt sich langsam ab. Das führt nur zu allgemeiner Frustration, wenn „wir“ sowieso an allem Übel und der Unfähigkeit aller möglichen Gesellschaften (mit-) schuldig sind, wird die Bereitschaft hierzulande konkret etwas zu ändern eher abnehmen.

  • "und die Bundesregierung muss sich für verbindliche Umwelt- und Menschenrechtsstandards in der Lieferkette starkmachen – national und europaweit"



    Richtig, weil Übergriffgkeit im Sinne von 'ihr (die betroffenen Staaten, zumeist Entwicklungs- und Schwellenländer) seid zu blöd das selbst zu regeln, wir (der Westen) wissen wie es besser geht'.



    Kolonialismus im Namen der Menschenrechte...🙄😮‍💨



    Weil das ja schon jemals geklappt hat und nicht in den letzten Jahren diese Länder autokratischen Staaten wie China und Russland in die Arme getrieben hat - siehe deren enormen Einfluss in Afrika mittlerweile...



    Staaten leben davon Fehler zu machen - davon lernen sie, daraus wachsen sie.



    Die Entwicklung hin zu Umweltschutz und Menschenrechten ging in Europa binnen mehrerer Jahrhunderten - Entwicklungs- und Schwellenländer dürfen, nein müssen, den gleichen Weg der Emanzipation gehen wie Europa 🤷‍♂️



    Nachhaltige Verbesserungen und nachhaltige Entwicklung kann nur wachsen, wenn sie von innen heraus geschieht - aufgezwungenes Recht hat noch NIEMALS in der Geschichte dauerhafte Verbesserungen herbeigeführt, im Gegenteil - siehe Kolonisation, siehe Afghanistan, siehe siehe siehe...