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„Ich kann's ja nicht lassen“

Aktivistin Die Berlinerin Irmela Mensah-Schramm hat in Bautzen Nazi-Parolen übersprüht. Nun wird gegen sie ermittelt

Irmela Mensah-Schramm

Jahrgang 1945, Aktivistin für Menschenrechte, ehemalige Heilpädagogin an einer Berliner Schule für geistig Behinderte.

taz: Frau Mensah-Schramm, Sie wurden erneut wegen Sachbeschädigung angezeigt. Was ist in Bautzen passiert?

Irmela Mensah-Schramm: Ich bin rückfällig geworden, ich kann’s ja nicht lassen. Ich hatte schon lange vor, nach Bautzen zu fahren. Dort habe ich auch sofort einschlägige Sachen gefunden. „Demokratie = Volkstod“ zum Beispiel, da habe ich das zweite Wort mit einem großen Herz übersprüht. Außerdem stand da auch noch „Antifa verrecke“ und eine „88“. Dann habe ich auf einem Verteilerkasten die Worte „Nationaler Sozialismus“ entdeckt und dachte mir, das kann nicht wahr sein, jetzt reicht’s. Ich habe das erste Wort übersprüht, „Sozialismus“ kann ja stehen bleiben. Dabei bin ich prompt erwischt worden von einem Bundespolizisten außer Dienst, der gleich seine diensthabenden Kollegen alarmiert hat. Die haben dann Anzeige wegen Sachbeschädigung erstattet.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Ich habe ihnen direkt auf dem Display meine anderen Schandtaten gezeigt, damit sich das für die lohnt. Einer der Polizisten hat gesagt: „Wer so etwas macht, ist kriminell.“ Dann hat er mir die Farbdose abgenommen. Als ich ihm gesagt habe, man kann so eine „88“ nicht einfach stehen lassen, weil das ein strafbares Zeichen ist, meinte er doch tatsächlich, für ihn sei das nur eine Zahl. Daraufhin habe ich eine Dienstaufsichtsbeschwerde und Anzeige wegen Beleidigung gegen ihn erstattet.

Sie gehen seit 30 Jahren aktiv gegen rechte Schmierereien vor. Sind Sie Reaktionen wie in Bautzen gewöhnt?

Ich muss sagen, in den 30 Jahren bin ich noch nie so massiv von Bürgern angegangen worden wie am 3. November in Bautzen. Da kamen alte Damen zu mir und haben mich gefragt, ob ich keine anderen Sorgen hätte. Das ist ja meine Sorge, dass die andere Sorgen haben.

Im Oktober haben Sie einen Strafbefehl erhalten: Falls Sie innerhalb eines Jahres wieder etwas übersprühen, müssen Sie bis zu 1.800 Euro Geldbuße zahlen. Welche Folgen hat die erneute Anzeige nun für Sie?

Ich warte erst einmal ab, bis mir etwas zugeschickt wird. Darauf werde ich bündig antworten, dass die Schmierereien, die ich in Bautzen übersprüht habe, dort nicht erst seit gestern sind. Die dürfen von Rechts wegen dort aber nicht stehen bleiben, weil die Sprüche strafrechtlich relevant sind. Dann gibt es einen Strafbefehl, gegen den werde ich Widerspruch einlegen. Und dann kommt der Prozess. Das kenne ich ja schon. Meinetwegen sammle ich Strafanzeigen wie andere die Pfandflaschen.

Haben Sie eine weitere Anzeige provoziert?

Nein. Das war keine Trotzreaktion, sondern ich mache einfach so weiter wie bisher. Man kann doch von mir nicht erwarten, dass ich an solchen Schmierereien vorbeigehe. Das wäre die größere Strafe für mich.

Elisabeth Kimmerle

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