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„Ich bin es nicht gewesen“

Eine Woche lang sagte er nichts. Jetzt weist Bayern-Manager Uli Hoeneß grantelig alle Urheberschaft an der Schlammschlacht um Christoph Daum zurück. Medien- und Politikerschelte gab es live dazu

aus Sudelland BERND MÜLLENDER

Zügig geht es voran mit unserer Mediengesellschaft. Seit einer Woche geifert sich die Republik in die Sex- and Drogen-Geschichte um den designierten Bundestrainer Christoph Daum. Am Montag schon wurde Daums Pressekonferenz, in der er, kaum dass er noch am Sonntagabend einen freiwilligen Test als „Anschlag auf die Demokratie“ klassifiziert hatte, dann doch den morgendlichen Vollzug seiner Haarentnahme zwecks Kokaintest vermeldete, live im TV übertragen. Gestern sprach Uli Hoeneß. Der, so Daum, „Denunziant“. Pressekonferenz live aus München. Übertragen vom Deutschen Sudelfernsehen (DSF).

Würde er eine Bombe platzen lassen? Die Kokainbeweise liefern? Was hat die selbst ernannte „Abteilung Attacke“ des FC Bayern zu bieten? Erst mal schmale Lippen, zusammengekniffen.

Dann kam Sensationelles. „Ich habe Christoph Daum nicht diskreditieren wollen.“ Und: „Die Schlammschlacht haben die Medien gemacht, nicht ich.“ Und: „Die Bombe habe nicht ich gezündet. Ich habe keinerlei Gerüchte geschürt.“ Kurz: Er sei „nicht verantwortlich“ und verstehe „den Vorwurf der Verleumdung nicht“. Alles seien nur Verdrehungen, Missverständnisse, Überinterpretationen, „kolportierte Erfindungen“. Andere hätten Daum öffentlich in Zweifel gezogen, sogar dessen Leverkusener Manager Reiner Calmund. Gesagt habe er lediglich: „Wenn das alles Fakt ist, worüber geschrieben wurde, auch unwidersprochen über den verschnupften Daum, dann kann er nicht Bundestrainer werden.“ Sex- und Halbweltstorys seien nicht von ihm. „Jeder, der das weiter behauptet, wird verklagt.“

Fakt bleibt: Hoeneß hat eine Lawine losgetreten und fährt lächelnd zum Golfen nach Marbella. Von dort lässt er den Club einen Teilrückzieher machen. Dann schweigt er. Jetzt beklagt er sich, dass die Dementi „nicht ernst genommen wurden“. Gestern gab er einen Fehler zu: „Ich hätte mich vor einer Woche ins Flugzeug setzen müssen“, aber, will er versichern, er habe „die Tragweite der Geschichte unterschätzt“. Warum er nicht am Donnerstag oder Freitag sich geäußert hätte? Weil so Unruhe in die Nationalelf gekommen wäre und die womöglich deshalb in Wembley verloren hätte. Und er wäre dann der Schuldige gewesen.

Solch schwer verständliche Logik gilt es also zu glauben bis – wir sind ja immer noch in einem Rechtsstaat – zum Beweis des Gegenteils. Einen Tatbestand des fahrlässigen und versehentlichen Rufmords gibt es nicht.

Gestern hatte sich auch Justizministerin Herta Däubler-Gmelin in die Debatte eingeschaltet. Im Rechtsstaat, schrieb sie, gebe es „klare Regeln: klare Anschuldigungen, klare Beweise“. Dies gelte auch für Hoeneß und seine Kampagne gegen Daum. Hoeneß sei „in der Pflicht, nicht Daum“. Sie fühle sich an Zeiten des „finsteren Mittelalters“ erinnert. Hoeneß’ Replik: „Frau Däubler-Gmelin empfehle ich, sich erst mal richtig zu informieren, bevor sie solchen Schmarrn erzählt.“ Hoeneß bleibt bei eigenen Rechtsregeln: Nur wenn Daum „nachweisbar unschuldig“ sei, solle er Bundestrainer werden.

Hoeneß’ Stellungnahme kam genau in dem Moment, als die Stimmung zu kippen begann. Trotz Rudi Völlers Volksheldstatus und den Erfolgen seiner Elf wie am Samstag bekommt Daum Glauben und Mitleidsbonus: 38 Prozent halten ihn für ungerechtfertigt beschuldigt. Die Berliner B.Z. schlagzeilte gestern: „Daum: Der Gedemütigte“.

Ob er sich bei Daum entschuldigen wolle? „Nein“, so Hoeneß. „Ich bin sicher, dass sich viele bei mir entschuldigen müssen.“ Zudem habe er „das Gefühl, dass die Strafanzeige (von Daum) zurückgezogen wird.“ Falsch gefühlt – Daums Anwalt sagte später: „Warum sollten wir? In der Sache hat sich nichts geändert.“

So wird die Schmuddel-Story also weitergehen. Warum steht das Ergebnis von Daums Haaranalyse erst in vier Wochen fest? Wann endlich wird Franz Beckenbauer seinen eigenen Sender Kaiser TV bekommen, weil seine chamäleonhaften Meinungsrochaden nur in einer ständigen Live-Übertragung seiner selbst verstehbar sind. Hat Hoeneß mit seiner Attacke nur von eigenen Problemen ablenken wollen? Von seinem blutigen Wirken etwa im Kampf gegen Hooligans (siehe Foto)? Oder womöglich von seiner Päderasten-Karriere? Da soll doch mal ... Ist da nicht ... Das Wort vom „verkindsten Uli“ macht doch seit 10 Jahren undementiert die Runde ... Hoeneß wird, trotz Umkehrung aller Rechtslogik, eine Spermaprobe abliefern müssen. Wer überträgt live?

Bis dahin bleibt das Nachdenken über Hoeneß’ Freud. Er sprach von „der Flucht vor bösen Gerichten“. Kein Gerücht.

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