IS aus nordsyrischer Stadt vertrieben: Die Befreiung von Manbidsch
Die Stadt nahe der Grenze zur Türkei war seit 2014 unter IS-Herrschaft. Kurdische YPG-Rebellen führten die Offensive gegen die Terrormiliz an.
„Die Geschäfte öffnen wieder. Heute ist der erste Tag, an dem sich das Leben wieder normalisiert“, sagte Schafan Darwisch, Sprecher der von den USA unterstützten Rebellengruppe Syrische Demokratische Streitkräften (SDF) laut der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Stadt ist jetzt unter unserer vollständigen Kontrolle, aber wir führen noch Durchsuchungsaktionen durch“, fügte er hinzu und verwies auf die Möglichkeit, dass Schläferzellen des IS noch eine Gefahr darstellen könnten.
Auf Fotos, die von der Rebellengruppe verbreitet wurden, waren Frauen zu sehen, die Kämpfer umarmten oder ihre vom IS verordneten Ganzkörperschleier verbrannten. Andere Aufnahmen zeigten Männer, die sich gegenseitig die Bärte abschnitten. Die SDF-Rebellen hatten am Freitag die strategisch wichtige Stadt unter ihre vollständige Kontrolle gebracht.
Vor dem Bürgerkrieg war Manbidsch eine Stadt mit etwa 100.000 Einwohnern, die hauptsächlich von der Landwirtschaft lebte. Ihre Lage in der syrisch-türkischen Grenzregion machte Mandschib zu einem Drehkreuz von Handel und Schmuggel, auch für ausländische Kämpfer. Vom nächstgelegenen Grenzübergang Jarablus aus – dem letzten, der noch vom IS kontrolliert wird – verlief über Manbidsch eine wichtige Versorgungsroute nach Rakka, de facto die Hauptstadt des „Kalifats“ des IS in Syrien.
Die Offensive gegen die Dschihadisten, die die Stadt seit 2014 kontrollierten, begann am 31. Mai dieses Jahres und dauerte 73 Tage. Am Boden kämpften die SDF-Rebellen, mit massiver Luftunterstützung der US-geführten Militärkoalition, gegen den IS.
Wichtigster Verbündeter der USA in Syrien
Dieser stand jedoch auch unter Druck des syrischen Regimes: Dessen Verbündeter Russland legte in der vergangenen Woche mit einem Luftangriff die Wasserversorgung der Stadt lahm. Ausländische Spezialkräfte vor Ort – vermutlich Amerikaner, Franzosen und Briten – lieferten die entsprechenden Informationen für die Luftangriffe.
Die SDF ist eine der jüngeren Erscheinungen auf dem Tableau des syrischen Bürgerkriegs. Die Gruppierung wurde im Oktober 2015 als kurdisch-arabisches Bündnis gegründet und gilt als wichtigster Verbündeter der USA in Syrien. Etwa 8.000 SDF-Kämpfer nahmen an der Offensive gegen Manbidsch teil.
Vor Ort zeigt sich jedoch, dass die kampferprobten kurdischen Kommandanten der Volksverteidigungseinheiten (YPG), des syrischen Ablegers der kurdischen PKK, die Offensive anführten. Dies berichtete der britische BBC-Reporter Jiyar Gol Mitte Juni während eines Aufenthalts in der Region.
Demnach machten die kurdischen Kämpfer damals keinen Hehl daraus, dass ihr nächstes Ziel Jarablus heißt. Die Einnahme des Grenzübergangs zur Türkei würde für die Kurden bedeuten, dass Rojava – oder Westkurdistan, wie sie die Region nennen – wieder ein Stückchen größer geworden ist.
Mit der Eroberung von Jarablus würden sie ein zusammenhängendes Gebiet entlang der Grenze auf einer Breite von etwa 500 Kilometern kontrollieren. Gleichzeitig wären sie ihrem Ziel, den Kanton Kobani mit dem weiter westlich gelegenen Kanton Afrin zu vereinen, wieder ein Stück näher gerückt.
Aus türkischer Sicht ist das ein Affront, und das nicht nur, weil Ankara die PKK und die YPG als Terroristen einstuft. Nach der Befreiung von Kobani Anfang 2015 hatte die türkische Regierung den Euphrat als rote Linie für das kurdische Vorrücken in Richtung Westen definiert. Mit einer Eroberung von Jarablus durch die SDF hätten die Kurden diese Linie überschritten. Dies dürfte zu einem weiteren Konflikt zwischen den Nato-Partnern Türkei und USA führen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo