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IS-Vormarsch in Syrien und IrakFrankreich kündigt Luftangriffe an

Der Islamische Staat rückt in Syrien auf Aleppo vor. Der französische Präsident Hollande will derweil im Irak in den Konflikt eingreifen.

Kurdische Kämpferin beim Training im Irak. Bild: reuters

PARIS/DAMASKUS ap/dpa | Der französische Präsident François Hollande hat einem Antrag des Irak zugestimmt, im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Luftunterstützung zu leisten.

Im Norden Syriens hat die IS derweil ihre Herrschaft weiter ausgedehnt. Die Extremisten eroberten am Donnerstag 21 vor allem von Kurden bewohnte Dörfer an der Grenze zur Türkei. Die Orte rund um die Stadt Ain al-Arab gehören zu einer Enklave, die noch von sogenannten kurdischen Volksschutzeinheiten beherrscht wird. Sollte die Terrormiliz das Gebiet einnehmen, würde sie rund ein Drittel der über 800 Kilometer langen türkisch-syrischen Grenze kontrollieren.

Vor einer Woche hatte US-Präsident Barack Obama Luftangriffe gegen die Extremisten auch in Syrien angekündigt hat, um den Islamischen Staat zu zerstören. Die sunnitischen Extremisten versuchen seit Monaten, die Enklave um Ain al-Arab zu erobern. Bislang konnten die Volksschutzeinheiten, die der kurdischen Arbeiterpartei PKK nahestehen, die meisten Angriffe abwehren.

Die Terrormiliz habe bei ihren Angriffen in der Region Panzer und Artillerie eingesetzt, erklärten syrische Menschenrechtler. Zahlreiche Menschen seien auf beiden Seiten ums Leben gekommen, darunter auch Zivilsten. Der IS beherrscht im Norden und Westen Syriens bereits rund ein Drittel der Fläche des Landes.

Letzter Ausweg Türkei

Laut den Menschenrechtsbeobachtern hat die Terrormiliz die Stadt Ain al-Arab, die auch unter ihrem kurdischen Namen Kobane bekannt ist, sowie umliegende Dörfer eingeschlossen. Die Einwohner könnten nur noch in Richtung Türkei entkommen. Aus Angst vor IS-Massakern seien viele Menschen in benachbarte Gebiete geflohen, hieß es weiter. Die türkische Nachrichtenagentur Dogan sprach von 3.000 Flüchtlingen.

Ankara befürchtet, dass sich bei einem internationalen Militäreinsatz gegen die Terrormiliz bis zu vier Millionen Flüchtlinge auf den Weg in Richtung Türkei machen könnten, schrieb die regierungsnahe Zeitung Yeni Safak unter Berufung auf einen Bericht des Generalstabs. Schon jetzt haben nach Regierungsangaben 1,2 Millionen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge Zuflucht im Nachbarland Türkei gesucht.

Das Oppositionsbündnis Nationale Syrische Koalition warnte vor einem Massaker der Terrormiliz. Die Extremisten gehen in den von ihnen eroberten Gebieten rücksichtslos gegen Gegner und Andersgläubige vor. Immer wieder gibt es Berichte über öffentliche Tötungen.

Aleppo bedroht

Bei Angriffen der syrischen Luftwaffe auf eine von IS-Kämpfern kontrollierte Stadt nordöstlich von Aleppo wurden mindestens 17 Menschen getötet. Dutzende wurden bei der Attacke auf den Ort Al-Bab verletzt, wie die syrische Beobachtungsstelle meldete. Aktivisten berichteten von mehr als 30 Toten. Demnach bombardierte die Luftwaffe eine Menschenmenge vor einer Bäckerei.

Die IS-Terrormiliz versucht von Al-Bab aus, auf das rund 40 Kilometer entfernte Aleppo vorzurücken. Teile Aleppos stehen unter Kontrolle von gemäßigteren Rebellen, die sowohl das Regime als auch die Extremisten des Islamischen Staates bekämpfen.

Im benachbarten Irak starben bei US-Luftangriffen im Norden des Landes mindesten 25 Extremisten. Einwohner des Ortes Hamman al-Alil berichten, die US-Luftwaffe habe zwei Ausbildungslager der Terrormiliz bombardiert und völlig zerstört. Die US-Luftwaffe greift seit dem vergangenen Monat regelmäßig IS-Stellungen vor allem im Norden des Iraks an. Damit unterstützt sie eine Gegenoffensive, die kurdische Einheiten begonnen haben.

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5 Kommentare

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  • „Die türkische Nachrichtenagentur Dogan sprach von 3.000 Flüchtlingen.“

    Es leben in diesem momentan eingeschlossenen Gebiete aber 300.000 Menschen. Wenn die Nachrichtenagentur recht hat, dann kann die Masse anscheinend auch nicht flüchten – warum? Liegt das an Grenzbefestigungen? Kurdische Kreise haben auch behauptet, dass die ISIS über die Grenze bei den Angriffen kam – also aus der Türkei. Ich frage mich, ob die Türkei hier nicht ein PKK-Staat vor ihren Toren durch die ISIS vernichten lässt und sich gleichzeitig über die ‚humanitäre Tragödie‘ im eigenen Land auslässt. Tatsache ist doch, dass ISIS-Kämpfer immer noch in türkischen Kliniken umsonst behandelt werden. Anscheinend ist die Grenze für die ISIS-Jihadis offen, für die Kurden aus Kobaneh / Ain al-Arab scheint sie hingegen geschlossen zu sein.

  • "Die Terrormiliz habe bei ihren Angriffen in der Region Panzer und Artillerie eingesetzt, ..."

     

    Wo bekommt man denn als Terrorist derartige Waffen her, und dann noch solche Mengen, dass man damit 800 km Grenze überwachen und "im Norden und Westen Syriens bereits rund ein Drittel der Fläche des Landes." beherrschen kann?

     

    "Wer verdient dran?" bzw. "Wem nützt es?" soll man doch immer fragen!

    • @shumil:

      Da wurde jede Menge an Material von den sich zurückziehenden Truppen erobert, das ist nun wirklich nicht neu.

      Aber wichtigtuerisch "cui bono" wispern suggeriert ja immer den totalen Durchblick.

      • @Lasse Einparkinson:

        Ist klar, man erobert mal eben ein paar Panzer und Artillerie-Geschütze, und dann kämpft man damit weiter.

        Kann ja auch jeder, einen Panzer fahren, eine Panzerkanone laden, bedienen, ausrichten, mit Geschützen schießen, alles kein Problem.

        Sind halt begabt, die Isis-Terroristen.

        Schulungen, die bei der Bundeswehr Monate dauern, brauchen die nicht.

        Haben sie sicher auch nie nicht bekommen. Wer sollte so böse Terroristen denn auch schulen und ausbilden? DAS macht doch KEINER!

      • @Lasse Einparkinson:

        Und so blauäugig zu sein, zu glauben, dass dieses Material von "zurückziehenden Truppen" beschafft wurde und nicht von der, durch die USA mit 500 Mio. $ finanzierten, FSA (Freie Syrische Armee), zeugt nicht von dem "totalen Durchblick", sondern eher von der Verblendung, für die du ein Musterbeispiel abgibst. Allem voran, wenn Experten und Beobachter schon vor dieser finanziellen Unterstützung angekündigt haben, dass diese Waffen und Gelder indirekt in die IS fließen werden. Wem nützt es jetzt wohl, dass sich im zerbombten Irak und dem zerrütteten Syrien die Wellen des Krieges überschlagen?