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IS-Terror im IrakSelbstmordanschlag in Bagdad

Erneut sind in der irakischen Hauptstadt viele Menschen bei einem Anschlag getötet worden. Die Terrormiliz IS bekennt sich zu der Tat.

Dieses Fahrzeug explodierte im Stadtteil Sadr City Foto: dpa

Bagdad ap/afp | Ein Selbstmordattentäter hat in einem schiitischen Viertel der irakischen Hauptstadt Bagdad mindestens 22 Menschen getötet. Bis zu 35 weitere Menschen wurden nach Angaben eines Polizisten verletzt, als der Angreifer sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Montag auf einem Obst- und Gemüsemarkt im Stadtteil Sadr City in die Luft sprengte.

Die genaue Opferzahl ist offenbar unklar: Die Nachrichtenagentur afp meldet mindestens 32 Tote. Der Angriff habe sich gegen den Markt, Tagelöhner und einen Kontrollpunkt in der Nähe gerichtet, sagte der Polizeibeamte. Es werde erwartet, dass die Opferzahl weiter steigt.

Die sunnitische Terrormiliz Islamischer Staat übernahm die Verantwortung für den Anschlag. Dieser habe sich gegen Schiiten gerichtet, hieß es in einer Online-Erklärung, die am Montag auf einer von den Extremisten häufig genutzten Webseite veröffentlicht wurde.

Bereits über den Jahreswechsel hatte es im Irak mehrere schwere Anschläge gegeben. An Silvester töteten zwei Selbstmordattentäter auf einem Markt in Bagdad 28 Menschen. Am Neujahrstag wurden nahe der für Schiiten heiligen Stadt Nadschaf neun Menschen getötet, als sich zwei Selbstmordattentäter an einem Kontrollpunkt in die Luft sprengten. Auch diese beiden Attacken beanspruchte der IS für sich. Vergangenen Monat hatten die irakischen Behörden damit begonnen, einige der Kontrollpunkte in Bagdad zu entfernen. Damit sollte vor allem in der östlichen Stadthälfte, in der sich auch Sadr City befindet, der Straßenverkehr beruhigt werden.

Rückeroberungsoffensive geplant

Wenige Stunden zuvor war Frankreichs Staatspräsident François Hollande im Irak eingetroffen, um mit dem irakischen Regierungschef Haidar al-Abadi sowie Präsident Fuad Massum unter anderem über die Rückeroberungsoffensive in Mossul zu sprechen. Al-Abadi sagte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, der Attentäter habe vorgegeben, Tagelöhner anstellen zu wollen. Als sich die Arbeiter versammelt hätten, habe der Täter sein Fahrzeug in die Luft gesprengt.

Die Terroristen würden auch in Zukunft versuchen, Zivilisten zu töten, um ihre Verluste auf dem Schlachtfeld auszugleichen, sagte Al-Abadi. Die Sicherheitskräfte und Bürger rief er auf, wachsam zu sein. Hollande versprach, dass Frankreich langfristig an der Seite des Irak stehen werde. Im Kampf gegen den IS habe sich das Blatt gegen die Terroristen gewendet, sagte er nach Angaben des Élysée-Palastes. Frankreich ist Teil der US-geführten Koalition, die im Irak und benachbarten Syrien gegen die Terrormiliz kämpft.

Frankreich ist nach den USA das zweitgrößte Geberland der internationalen Anti-IS-Militärkoalition. Das Land unterstützt die irakische Armee mit Ausbildern, Beratern und Artillerie. Seit dem Beginn des Engagements im September 2014 flog die französische Luftwaffe nach Angaben des Verteidigungsministeriums zudem im Irak und in Syrien mehr als tausend Angriffe und zerstörte rund 1.700 Ziele.

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1 Kommentar

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  • Selektive eurozentrierte Gedenkkultur

     

    Gestern wieder Istanbul, heute wieder Bagdad. Gestern Verurteilung durch den UNO-Sicherheitsrat, heute nichts dergleichen. Gestern Entsetzen der Bundeskanzlerin, heute Schweigen aus dem Bundeskanzleramt. Abermals wird uns unsere sehr selektive Opfergedenkkultur vor Augen geführt, wie sie sich schon bei der Fußball-EM sehr publikumswirksam manifestiert hatte, wo man vor Spielbeginn Schweigeminuten für Attentatsopfer einlegte, aber nur, wenn sie im europäischen Orbit stattfanden oder weiße Europäer unter den Opfern waren. Nach der damals etwa zeitgleichen verheerenden Anschlagserie in Bagdad kam bei der UEFA niemand auf die Idee, deren Opfer ebenso zu Gedenken wie denen zuvor in Istanbul gestorbenen. Von Berlin bis Sydney erstrahlten öffentliche Gebäude in den Landesfarben Frankreichs und Belgiens nach den dortigen Anschlägen. Innerhalb von zwei Tagen wäre Gelegenheit gewesen, diesmal zur Abwechslung auch mal das Brandenburger Tor rot-weiß-schwarz anzustrahlen. Wird sich Bundespräsident Gauck endlich mal aufraffen und sich in das Kondolenzbuch in der irakischen Botschaft eintragen? Da dies auch diesmal wieder nicht geschehen wird, bleiben wir unserer selektiven Zweiklassen-Opfergedenkkultur treu, den jeweiligen Gewaltopfern eine abstufende Wertigkeit zumessend.