IRAKKRIEG: DISKUSSION UM DEUTSCHEN BEITRAG STEHT NOCH BEVOR: Von Großmäulern und Leisetretern
Die Nerven liegen blank. Die ungewöhnlich rüden Töne aus den Vereinigten Staaten lassen keinen Zweifel mehr daran, dass die Beziehungen zwischen Washington und Berlin tatsächlich schwer belastet sind und sich jede neu gewählte Regierung sofort an die Reparaturarbeiten machen wird. Das ist fatal. Vor diesem Hintergrund sinken nämlich die schon vorher schlechten Aussichten weiter, dass die Bundesrepublik auch dann bei ihrer kritischen Haltung zu einem US-geführten Krieg gegen den Irak bleibt, wenn es nicht mehr um folgenlose Absichtserklärungen, sondern um konkrete Entscheidungen geht.
Die Nutzung von US-Basen in der Bundesrepublik, Überflugrechte über deutsches Territorium, die mögliche Entlastung Krieg führender Verbündeter an anderen Schauplätzen wie Afghanistan, die Bundesmarine im Indischen Ozean, der Verbleib deutscher Spürpanzer in Kuwait: All diese Stichworte, die im Falle eines realen Militärangriffs auf Bagdad sofort von großer Bedeutung wären, haben im Wahlkampf allenfalls eine geringe Rolle gespielt. Gar keine Rolle spielte übrigens die Tatsache, dass „Präventivkrieg“ lediglich ein schönfärberischer Ausdruck für einen völker- und verfassungswidrigen Angriffskrieg ist. Dessen Opfer keineswegs nur präventiv sterben.
Im Wahlkampf ging es jedoch fast nur um das hoch emotionalisierte Thema des möglichen Einsatzes von Bundeswehrsoldaten im Irak – wovon außer den Deutschen ohnehin niemand redet. Die USA werden von Berlin vermutlich keine Truppen, hingegen aber sehr wohl logistische und materielle Unterstützung fordern, wenn sie tatsächlich in den Krieg ziehen. Je schlechter die bilateralen Beziehungen sind, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bundesregierung sich derartigen Wünschen verweigert. Schließlich wünscht kein Kanzler eine lang andauernde Eiszeit im Verhältnis zu Washington.
Diese unerfreuliche Situation hätte sich vermeiden lassen, wären Gerhard Schröder (und allzu viele seiner politischen Freunde) nicht nach Jahren der Leisetreterei gegenüber den USA plötzlich ins andere Extrem verfallen. Wer – berechtigte und notwendige! – Kritik an Verbündeten übt, muss zugleich dafür sorgen, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt. Das verleiht dieser Kritik übrigens auch ein höheres Maß an Glaubwürdigkeit, gerade im Wahlkampf. Der Einspruch des Kanzlers gegen einen völkerrechtswidrigen und gefährlichen Krieg ist erfreulich. Aber er muss offenbar noch lernen, wie man so etwas macht. Darin hat er bisher bekanntlich auch wenig Übung. BETTINA GAUS
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