IM STREIT UM MAUERBAU UND „INNERE EINHEIT“ LIEGT DIE SPD VORN: Blockflöte CDU
„Einheit“ heißt das Sommerthema – oder negativ verkehrt: Wer ist schuld am Mauerbau? Gestern gründete der CDU-Kandidat für Berlin, Frank Steffel, einen „Gesprächskreis Innere Einheit“, der mit dem Überraschungsgast Günter Schabowski die „Beharrungskräfte in der PDS“ bekämpfen soll. Trotzdem geht der Punktsieg an die SPD: Ihr ist es gelungen, die Unions-Kampagne gegen eine rot-rote Koalition in Berlin abzuwehren. Gerade noch rechtzeitig fiel der SPD das „Blockparteien-Argument“ ein. Auch die Ost-CDU habe der Mauer 1961 in der Volkskammer geschlossen zugestimmt, sie sei eine „Helfershelferin“ der SED gewesen.
Pech für die CDU, dass sie immer so moralisch argumentiert hat. Jetzt wendet sich ihr Rigorismus gegen sie. Die CDU steht nun selbst als Mauerbauer am Pranger. Erstaunlich ist, dass dies erst jetzt geschieht und dass es der CDU bisher gelang, die Blockvergangenheit ihrer ostdeutschen Landesverbände zu verstecken. Dabei ist dieses Erbe doppelt: Die CDU schluckte 1990 nicht nur ihre Namensvetterin, sondern auch die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD). Sie war nicht nur konservativ – sie war ausgerechnet von der SED 1948 eigens gegründet worden, um den Einfluss von Christdemokraten und Liberalen in der Sowjetzone zu relativieren.
Günter Nooke, der ehemalige ostdeutsche Bürgerrechtler in der CDU, kann sich noch so sehr über das Blockparteien-Argument der SPD erbosen. Die Union bleibt angreifbar. Auch wenn man dort zu glauben scheint, dass eine CDU-Mitgliedschaft einer Beichte mit Ablass gleichkommt: Es reicht nicht aus, früheren Blockparteimitgliedern einen Persilschein auszustellen, nur weil sie sich zum Unionsprogramm bekennen.
Dies alles wirkt wie Sommertheater. Doch ist es mehr. Denn die Auseinandersetzung spielt sich nicht nur zwischen den beiden Ritualgegnern SPD und CDU ab – sondern auch innerhalb der Sozialdemokratie. So streiten sich etwa Egon Bahr und Richard Schröder über die PDS. Auch dort geht es letztlich um den Mauerbau und wie „innere Einheit“ zu definieren sei. HEIKO HÄNSEL
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen