Hydrofeminismus am Schauspielhaus: Weich werden wie das Wasser
Schwimmen, tauchen, fantasieren gegen das Patriarchat: Die ambitionierte und verspielte Performance „Bodies under water“ am Deutschen Schauspielhaus.
Es geht ums so elementare Nass. Irgendwas zu seinem Anteil am menschlichen Körper – sind es nun 70 Prozent Wasser oder nur zwei Drittel? – gehört mit zum ersten, das zu hören ist in der Nebenspielstätte des Hamburger Schauspielhauses. „Bodies under water“ ist aber kaum Sachkundetheater, wie es zwischenzeitlich so beliebt schien, etwa die wundersame Welt der Pilze sich zum Gegenstand nehmend – oder mehr noch auf etwas Abglanz schielend von den vielen entsprechenden Buch-Verkaufsschlagern?
Ausdrücklich mit „hydrofeministische Transformation“ hat Regisseurin Annalisa Engheben diesen Abend überschrieben, und so geht es kaum um Osmose oder Elektrolyte, sondern männlich konnotierte Vorstellungen von harten, im Sinne von: klar von ihrer Umgebung zu unterscheidenden Körpern – und, demgegenüber, weichen, mit ihrer Umgebung ganz anders im Austausch befindlichen.
„Wir gehen heute ins Wasser“ sagt Sachiko Hara, die zusammen mit Alberta von Poelnitz diese erklärte „Lecture performance“ stemmt, die aber so richtig auch wieder keine sein will. Doch, ja, es wird Wissen referiert, über jene Tradition japanischer und koreanischer Taucherinnen etwa, „Meerfrauen“ genannt, „ohne 'jung’“, so Hara. Und durchaus spröder Text von Astrida Neimanis kommt zum Vortrag; die kanadische Theoretikerin wird mit der Eigenbezeichnung „Hydrofeministin“ das erwähnte Rubrum gestiftet haben.
Den dräuenden Fallstricken des allzu Seminarhaften entkommt „Bodies under water“ durch Seitenschritte ins Persönliche: Ob es wirklich von Poelnitz’ reale Großmutter ist, die in ihrer entzückenden Ostseestrand-Anekdote auftritt oder beides zweckdienlich erfunden, die Oma mit dem silbernen Bubikopf und die Ausflüge an den Strand: Das ist eigentlich gar nicht wichtig.
Lecture Performance „Bodies under water“. Nächste Termine: 27. 12. 2024; 4. + 11. 1. 2025, Hamburg, Dt. Schauspielhaus/Malersaal
Bei allem merklichen Anspruch aufs Anbieten von Relevantem: Erfreulich unakademisch, ja: verspielt ist dieser Abend geraten, operiert mit avancierter Gender-Theorie wie auch mit Kindheits-Fernseh-Erinnerungen, und natürlich simulieren die beiden Darstellerinnen auch mal das Schwimmen auf trockenem Bühnenboden. Der Einsatz von Musik (Giovanni Verga) wie auch Requisiten ist überschaubar und umso effektiver, Hummerscheren werden übergestreift, Tentakel umgegürtet, auch mal eine (mutmaßlich) flauschige Vagina gestreift übers Fischhaut evozierend glitzernd eng Anliegende (Kostüme: Jana Sophia Schweers).
Irgendwann kommt dann doch noch eine spektakuläre Riesenmedusa von der Decke und bietet den beiden Frauen unter Wasser das vorerst ultimative Verschmelzungsangebot, die vielleicht finale Auf-Weichung: Qualle werden gegen das Patriarchat.
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