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Hungerstreik in KubaFestnahme durch Fake-Ärzte

Sicherheitskräfte beenden eine Protestaktion und nehmen 14 Aktivist:innen eines Kunstkollektivs fest. Vorwand dafür war das Coronavirus.

Im Hungerstreik festgenommen: Künstler Luis Manuel Otero Alcantara in Havanna, Kuba Foto: Alexandre Meneghini/reuters

Berlin taz | Kubanische Sicherheitskräfte sind in der Nacht zum Freitag in den Sitz des Künstler*innenkollektivs Movimiento San Isidro in Havanna eingedrungen. Alle 14 anwesenden Aktivist*innen, darunter mehrere, die sich seit über einer Woche im Hungerstreik für die Freilassung des inhaftierten Rappers Denis Solís befanden, wurden festgenommen.

Nach einigen Stunden in Polizeigewahrsam wurden sie wieder freigelassen, berichtet der unabhängige Journalist Maykel González Vivero aus Havanna. Einige allerdings, darunter der Initiator des Hungerstreiks, Luis Manuel Otero, und die Künstlerin Anamely Ramos, seien noch in der Nacht erneut festgenommen worden. Otero setze seinen Hungerstreik auch in Polizeigewahrsam fort, sagte Maykel González gegenüber der taz.

Die Gruppe von Aktivist*innen hatte sich seit dem 18. November in Havannas Altstadt im Haus Luis Manuel Oteros versammelt, das gleichzeitig der Sitz des 2018 gegen die Unterdrückung künstlerischer Freiheit gegründeten Movimiento San Isidro ist.

Nach verschiedenen Versuchen, in der Stadt friedliche Protestaktionen gegen die Inhaftierung des Rappers Denis Solís abzuhalten, hatten sich mehrere Gruppenmitglieder zu einem Hungerstreik für seine Freilassung entschlossen. Zwei von ihnen begannen darüber hinaus auch einen Durststreik, gaben das Vorhaben jedoch nach fünf Tagen auf Bitten ihrer Freunde auf.

Facebook für zwei Stunden gesperrt

Der Protest von San Isidro hatte zu Solidaritätsbekundungen von Künstler*innen und Intellektuellen auf der Insel, aber auch im Ausland geführt. Kubanische Staatsmedien beeilten sich, die Gruppe in die Nähe von Terroristen zu verorten, die von den USA bezahlt gegen Kuba vorgehen würden.

Am Donnerstagabend war zunächst eine Gruppe von Personen in medizinischer Kleidung vor dem Haus aufgetaucht, die sich als Ärzte ausgaben und sagten, sie wollten den anwesenden Journalisten und Autor Carlos Manuel Álvarez untersuchen, schließlich sei der gerade aus dem Ausland eingereist und möglicherweise mit dem Coronavirus infiziert. Álvarez, Chefredakteur der unabhängigen Internetzeitschrift El Estornudo und enger Freund von Luis Manuel Otero, war aus Mexiko angereist, um seine Solidarität zu zeigen und gleichzeitig aus dem Haus zu berichten.

Als die Gruppe sich weigerte, die mutmaßlichen Ärzte einzulassen, die sich zudem nicht ausweisen wollten, wurde die Tür aufgebrochen und das Haus von Sicherheitskräften gewaltsam gestürmt. Zuvor war der Zugang zu Facebook auf Kuba für insgesamt rund zwei Stunden gesperrt worden: Mehrfach hatten die Aktivist*innen sich in den letzten Tagen mit Live-Übertragungen auf Facebook aus dem Haus zu Wort gemeldet.

Alle anwesenden 14 Personen wurden festgenommen. In kubanischen Staatsmedien wurde die Räumung unter der Überschrift vermeldet: „Gesundheitsbehörden handeln gegen die Verletzung der Gesundheitsregeln durch internationale Reisende in San Isidro“.

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13 Kommentare

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  • Da sieht man mal wieder: Kuba hat ein gut funktionierendes Gesundheitssystem 😊

  • @Joss Daniels



    Ich denke, Menschenrechte sind etwas Gutes und gelten auch für nicht repräsentative Künstler, da bin ich ganz Pro-Kuba. Und die Bösen sind oft sehr leicht zu erkennen.



    Freie Berichterstattung kann beim Verständnis helfen! Sehen sie sich die zahlreichen Aufnahmen der Protestversammlung an, dann müssen sie nicht auf die Auslegung warten.

    Leider sind bereits Aktualisierungen nach meinem Kommentar zu der spontanen Protestversammlung von Hunderten Freitag Nacht vor dem Kulturministerium nötig.



    Die daraus gewählten 30 Vertreter, die mit den Vertretern des Ministeriums Vereinbarungen trafen, teilten heute Nachmittag in einer Pressekonferenz mit, dass diese bereits innerhalb von weniger als 24 Stunden von der Seite dieses Ministeriums gebrochen wurden.



    Im staatlichen Fernsehen, für das dieses Ministrium verantwortlich ist, verunglimpfte die hunderte versammelten Künstler und Intellektuelle als Söldner. Ein schwerer Vorwurf in Kuba, der Jahre Haftstrafe bedeuten kann. Außerdem wurden auch die Mitglieder von ‚San Isidro‘ verleumdet.



    Die Staatssicherheit verhindert weiterhin, dass sich die Mitglieder der Bewegung San Isidro frei bewegen können. Maykel ‚Osorbo‘ Castillo Pérez befindet sich zu Hause im Hungerstreik, aber die Staatssicherheit und die Polizei verhindern jeglichen Zutritt. Luis Manuel Otero Alcántara ist weiter im Krankenhaus und jeglicher Zutritt wird verweigert. Deren Leben sind akut in Gefahr.



    Man verlangt jetzt, dass alle Mitglieder Covid-19 Tests machen müssen und einzeln in Quarantäne verbleiben müssen. Dafür gibt es keinen Anlaß, nur den, keinen Kontakt unter einander zu haben und vor allem den, nicht an der Pressekonferenz teilnehmen zu können.



    In dieser gab es sowohl die Feststellung, dass kein Dialog möglich ist, wenn weiter die Rechte der Kubaner, nicht nur die der genannten, missachtet werden. Es wurde weiterhin die Freiheit für Denis Solís gefordert, aber auch der Wille bekräftigt, weiter auf einen Dialog und den Forderungen zu beharren.

  • @KLAUSGEN



    Okay, wir beide haben offenkundig unterschiedliche Informationsquellen und es würde mE nichts bringen, darüber in einen Wettbewerb zu treten.



    Ich habe heute, 29.11.20, von Freunden in Kuba andere Schilderungen, als die Ihren.



    Über die hungerstreikende Gruppe, die Zusammensetzung der Protestgruppe vor dem Kultusministerium, die Maßnahmen der Polizei und die Frage, ob MSI überhaupt eine relevante Repräsentation der Künstlerszene ist ...



    Ich denke, das müssen wir so konträr stehen lassen.



    Es gehört wohl zu der Frage und Standardpolarisierung, wer die Guten oder die Bösen sind



    (auch und gerade zum Thema Kuba), die immer wieder deutlich macht, dass es ziemlich unbeliebt ist, damit zu leben, dass wir bei sowas a) meistens nicht wirklich sicher sein können, ob unsere Informationen stimmen und b) dass wir gerne die Informationen glauben, die zu unserer bisherigen Meinung passen.



    Ich habe in Deutschland verschiedene Pro-Kuba-Gruppierungen kennengelernt. Die gegnerische Fraktion ist ja allgegenwärtig, gerade in bestimmten Zeitungen. Das war auch ein Grund, weshalb ich selbst vor Ort versucht habe herauszufinden, was tatsächlich dort abgeht. Ohne den Anspruch purer Objektivität zu erheben, finde ich meine Erfahrungen konkret und praktisch. Und sie haben mich darin bestärkt, dass ich weder der Pro- noch der Anti-Kuba Fraktion (im Sinne des kubanischen Systems) angehöre noch angehören möchte.



    Indes wäre ich dankbar und es würde mich freuen, wenn die taz nicht nachlässt, eine wahre und differenzierte Berichterstattung über Kuba zu versuchen. Wie man sieht, ist das nicht einfach hinzubekommen.

  • Nach dieser wirklich bizarren und brutalen Aktion gibt es inzwischen viel mehr zu berichten.

    Die Meisten aus dem Haus von Luis Manuel Otero Alcántara wurden freigelassen, stehen aber unter Hausarrest und Bewachung. Beim Versuch, sich dem zu widersetzen, wurde Anamelys Ramos erneut vor ihrer Tür verhaftet, aber ist inzwischen wieder zu Hause.

    Otero Alcántara wurde zwangsweise ins Krankenhaus eingeliefert, nach dem ihm die Rückkehr in sein Haus verweigert wurde. Er steht dort weiter unter Bewachung, durfte nur eine Minute mit seiner Familie telefonieren und befindet sich weiter im Hungerstreik. Ebenso Maikel Osorbo zu Hause.

    Viele Künstler und Intelektuelle wollten das aber so nicht weiter hinnehmen und versammelten sich am Freitag spontan vor dem Kulturministerium in Havanna, um ihre Forderungen, vor allem nach der Freilassung von Denis Solís und dem Ende der polizeilichen Überwachung der Mitglieder von „San Isidro“, Ausdruck zu verleihen.

    Zunächst waren es um die 50 Personen, aber trotz der Absperrung des Geländes und Tränengasattacken durch die Polizei, gelangten im Verlauf des Abends über 500 Personen dort hin. Darunter viele bekannte Künstler, Schauspieler, Musiker, Schriftsteller. Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte Kubas nach 1959.



    Es wurde schließlich weiträumig der Strom abgestellt, aber mit dem Kulturvizeminister eine Zusammenkunft mit 30 Teilnehmern aus der Gruppe erreicht. Während dessen hatte es außerhalb Festivalcharakter. Es wurden Protestlieder gesungen und Ansprachen gehalten.

    Was von den getroffenen Vereinbarungen zu halten ist, wird sich zeigen.



    Es soll zum einen ein „Kanal des Dialoges“ unter Beteiligung des Kulturministriums geöffnet werden. Zum zweiten will sich das Ministerium um die Situation von Denis Solís und Ortero Alcántara kümmern.



    Und zum dritten sollen sich die Künstler in unabhängigen Räumen treffen können ohne von polizeilichen Maßnahmen bedrängt zu werden.

    Dieses Rad läßt sich meiner Ansicht nach nur schwer zurück drehen.

  • Betr.: Festnahme durch Fake Ärzte



    IV.



    Es geht aus meiner Sicht überhaupt darum, zu helfen, dass Dinge sich positiv verändern. Dazu gehören adäquate und kenntnisreiche Berichterstattung gleichermaßen wie die Gedankenarbeit zu der Frage, was unter gegebenen Bedingungen realisierbar ist.



    Andernfalls sind wir in der Gefahr, andere und uns oft sehr fremde kulturelle und politische Systeme mit unseren durchaus gut gemeinten ethischen, moralischen und intellektuellen Maßstäben zu kolonialisieren.



    Wenn man wissen will, was Kubaner wirklich wollen, muss man möglichst viele von ihnen fragen.

    • @Jossito:

      Ja, es ist zu hoffen, dass sich etwas Gutes bewahren lässt, wenn auch nach Jahrzehnten der Zerstörung von Wirtschaft und Kultur. Aber die Kubaner können das. Trotz des toxischen Klimas und der Verfolgung, ist ein Erstarken der Zivilgesellschaft über das ganze Land zu verfolgen. Es wird sich lokal und persönlich engagiert, da der Staat und seine Institutionen versagen.

      Ja, man muss die Opposition Mehrheiten finden lassen. dafür muss man sie mit der Bevölkerung kommunizieren lassen. Hier müssen wir helfen. Hier muss Druck ausgeübt werden, damit die Kubaner eines Tages frei entscheiden können, welchen Weg sie einschlagen.



      Dieser Weg wird vielleicht weder mir, noch Ihnen gefallen, denn das Vertrauen in diesen Staat ist zerstört. Ich erinnere mich an die Wahlen bei uns im Dezember ’89.

      Die im ‚Systemkampf‘ verhaftete Phrasendrescherei, die gezielt die Wirklichkeit außen vor lässt, erreicht die Menschen jedenfalls nicht mehr.



      Diese Wirklichkeit steht jetzt vor der Tür. Die Menschen wollen sich äußern, sich nicht mehr schlagen und misshandeln lassen, sich nicht mehr ihr persönliches Leben vernichten lassen. Den Staat erfasst offenbar Panik, denn er weiß, das Volk sind mehr, auch wenn er die Waffen hat und, allen voran Raul Castro, nicht davor zurück schrecken wird, diese einzusetzen. Aber Massaker wären auch für die Militärs nicht förderlich.



      Die Frage, denn es geht um Menschenleben dort, wird sein, wie reagiert ein Regime, dass vom Volk zunehmend in die Ecke gedrängt wird. Viele hoffen, dass sie die Koffer packen und verschwinden, wie auf diesem schönen Bild vom 1. Januar 1959, als der Diktator Batista floh.

      Es geht um Menschenleben und der Forderung nach Freiheit des willkürlich verurteilten Musikers Denis Solís.



      Diese zentrale Forderung und das Überleben der verbliebenen und vom Staat nach wie vor mit Polizeigewalt isolierten Hungerstreikenden Luis Manuel Otero Alcántara und Maykel ‚Osorbo‘ Castillo Pérez sollte jeder humanitär Denkende unterstützen.

  • Betr.: Festnahme durch Fake Ärzte



    III.



    Man kann von außen vieles anprangern an der kubanischen Politik, aber die Verantwortung für Veränderungen liegt bei den Kubanern selbst. Auch Amnesty International kann und soll (aus einem Land, wo mindestens die Pressefreiheit noch einigermaßen funktioniert; wenn man Geld hat), über die Missstände in Kuba berichten. Indes ist die Art und Weise und die Selektivität der Berichterstattung immer auch Subjekt des möglichen Geschehens.



    Wer die trotz existentieller wirtschaftlicher Bedrohung (mit der auch die eingeleitete Währungsreform, Regelung des Finanzsektors, überlebensnotwendige Devisenbeschaffung, ...) eingetretenen Liberalisierungen (i.d.R. freier Zugang zum Internet, Meinungsforen, Genderfragen, Geschäftsgründungen, ...) ausblendet, verfolgt eine unterkomplexe Agenda.



    Ich wünsche mir, dass die kubanische Opposition sich um Mehrheiten bemüht. Sich nicht nur im Kampf gegen einen Staatsapparat verschleißt, mit oder ohne Märtyrertum, sondern in der Gesellschaft aktiv wird. Dass überall, erst recht in den deutschen Medien und unter Verzicht auf Klickraten und Klientelservice, so differenziert über Kuba berichtet wird, wie gute Medien das können. Unsere Verbündete, die USA, bekannt für unzählige Menschenrechtsverletzungen und globale politische Willkür, ist mitverantwortlich für die Isolierung und den wirtschaftlichen Ruin Kubas und mE auch mitverantwortlich für die starre und repressive Haltung des kubanischen Staates.



    Erfreulicherweise ist die praktische deutsche und europäische Politik gegenüber Kuba nicht im Systembashing hängengeblieben, wie man an vielen neuen Handels- und Wirtschaftsprojekten sehen kann. Es geht schließlich auch darum, Kuba zu helfen, sich aus der toxischen Umarmung von Russland und China zu lösen.

    • @Jossito:

      Und, trotz der brüchigen Kommunikationswege, standen auch gestern wieder im ganzen Land, viele, vor allem junge Menschen, trotz der realen Gefahr der Misshandlung durch die Sicherheitsorgane, auf Straßen und Plätzen. Und natürlich wurden sie verhaftet, das Mobiltelefonnetz unterbrochen, etc..



      Aber den Willen nach Freiheit wird das nicht brechen.



      Denn die kubanische Gesellschaft träumt schon lange nicht mehr. Sie sieht, wie Generation für Generation ein prekäres Leben in Unterdrückung führen muss. Die hohlen Phrasen erreicht sie schon lange nicht mehr.



      Wer immer noch ein völlig zerrüttetes Gesundheitssystem als Errungenschaft anführt, hat nie ein Krankenhaus von innen gesehen. Oder nur eines der Privilegierten und für Ausländer. Statt Treibstoff für Ambulanzfahrzeuge gibt es den für Polizeifahrzeuge vor dem Haus jedes Aktivisten. Es fehlen die Ärzte auf Grund der Vermietungen ins Ausland. Es fehlen Medikamente. Wer hier nicht mit den entsprechenden Zahlungen dienen kann, ist verloren. Das sieht man, wenn man in Kuba lebt.



      Ein Bildungssystem, in dem Tausende Lehrer fehlen, der Unterricht mit Hilfskräften irgendwie aufrecht erhalten wird. In dem kritische Stimmen, vor allem an den Universitäten, egal wie kompetent und renommiert sie in in der jeweiligen Fachrichtung sind, kalt gestellt werden.



      Liberalisierungen! Welche genau?



      Der ‚freie‘, ständig überwachte Zugang zu Telefon und Internet, der, wie jetzt allerorts auf Kuba, nach gutdünken vom Militär abgestellt wird? Staatlich kontrollierte Meinungsforen? Genderfragen, die der Staat beantwortet und die kritische LGBTI Bewegung auf der Straße zusamenknüppeln lässt? Gesellschaftgründungen, bei denen ‚einfachen’ Kubanern nur Küppel zwischen die Beine geworfen werden? Hiervon profitieren nur Militär- und Parteiangehörige und deren Familien, über deren Reichtum und die Geldquellen für deren teure Unternehmen man nur staunt. Alle anderen werden mit Zahlungen an Inspektoren und willkürlichen Konfiszierungen drangsaliert.

  • Betr.: Festnahme durch Fake Ärzte



    II.



    Ich sympathisiere mit allen nicht fremdgesteuerten kubanischen Oppositionellen, auch Dissidenten und Aktivisten und sehe sie als die Antreiber des politischen Wandels. Die Willkür und die diktatorische Vorgehensweise des kubanischen Staatsapparates sind fürchterlich und inakzeptabel. Das Dekret 349, das alle kubanischen Künstler in ein staatlich geregeltes Organisations- und Überwachungssystem zwingt, ist aus meiner Sicht purer Staatsterror.



    Meine Freunde in Kuba, die allesamt keine Parteigänger und/oder prinzipielle Befürworter der kubanischen Politik sind, sehen allerdings viele Aktionen der oppositionellen Kulturszene kritisch, halten sie für kontraproduktiv und unsolidarisch, weil sie nicht auf einer gemeinsamen Idee der politischen Verbesserungen beruhen oder diese anstreben, sondern wie partikulare Randgruppeninteressen erscheinen, die für sich selbst und nach außen, wie es jetzt überall passiert, besonders durch die sog. ‚sozialen‘ Web-Medien einen quantitativen Bedeutungsüberschuss erzeugen.



    Die kubanische Realität ist, was Wunder, komplexer, als viele touristische und politische Stereotype (Kommunismus, Buena Vista, Mojitos, Salsa, Che-Guevara-Kult, Havanna, Varadero, ...) suggerieren. Deshalb begrüße ich jede Berichterstattung über Kuba, die nicht pauschal, tendenziös oder lediglich vom reinen Empörungsgeist getrieben ist.



    Ich habe viele Menschen eines Volkes kennengelernt, die in etwa so leben möchten wie wir in Deutschland. Mit etwas mehr familiärem Zusammenhalt vielleicht und bestimmt mehr Solidarität. Die meisten sind, wie hier auch, unpolitisch.



    Nach meinen Erfahrungen ist die kubanische Gesellschaft, damit meine ich sowas wie eine mehrheitliche kollektive Grundhaltung, in ihrer Geschichte nun aber an einer Stelle angekommen, wo das Gute, was noch übrig ist von dem, was sie sich erkämpft haben, nicht auch noch verloren gehen soll.

    • @Jossito:

      Übrig geblieben ist eine Kleptokratie, die für sich eine Parallelwelt geschaffen hat, die Bürger ausschliesst und nur noch von ihren Begünstigten mehr schlecht als recht getragen wird. Eisern wird der Mummenschanz des „Sozialismus“ aufgeführt, während ein übler Monokapitalismus herrscht.

      Zu den amerikanischen Sanktionen wiederholt das kubanische Regime gebetsmühlenartig die Mär von der Schuld der USA an der wirtschaftlichen Situation. Selbst in Kuba nimmt das niemand mehr ernst, hier nennt man das die interne Blockade, die die wirtschaftliche Entfaltung und bereits die Ernährung des eigenen Volkes verhindert.



      Essentielles müsste nur zum Teil importiert werden, wenn man der Forderung der Bevölkerung und der Landwirte nachgeben würde, zu produzieren, was dort gebraucht wird. Das US Embargo verhindert den weiteren Export von Lebensmittel aus Kuba, nicht den Import. Das Kontingent für den Einkauf von Lebensmitteln und Medikamenten in den USA wurde bisher nur zum Bruchteil genutzt, Hilfslieferungen von den Kubanern dort werden blockiert oder wie zuletzt, in den Devisenläden verkauft.

      Und dort leben und wirken auch nur noch eine Minderheit der alten Batista-Profiteure. Es sind zum Großteil zu Unrecht Vertriebene und die für uns sicherlich schwer verständliche Zuwendung zu den Republikanern und Trump, ist von dem Willen geprägt, den Militärs den Saft abzudrehen. Die gleichen Wähler senden das meiste Geld nach Kuba, aber wollen es nicht in den Händen der Machthaber sehen, die durch ihre vervielfachten Verkaufspreise immer mehr davon abkassieren, aber die Familien weiter hungern lassen.

      Der regierungstreuen Sprachregelung der ‚fremdgesteuerten‘ Opposition, wurde ja bei der Demonstration vor dem Kulturministerium Freitag Nacht kraftvoll widersprochen, auch von immer mehr älteren Etablierten. Das ist genauso ein diffamierendes Stereotyp, wie die ‚Randgruppen‘ oder der ‚Empörungsgeist‘, gegenüber Menschen, die sich für Menschenleben und Grundrechte einsetzen.

  • Betr.: Festnahme durch Fake Ärzte



    I.



    Die Überschrift ‚Festnahme durch Fake-Ärzte‘ ist nicht nur reißerisch und unbewiesen, sondern wird auch im darunter stehenden Text widerlegt.



    Künstlerische Tätigkeit ist auf Kuba nur innerhalb der staatlichen Regelungen frei und eine große Mehrheit der kubanischen Künstler arrangiert sich damit, wie auch die Mehrheit der Kubaner die vielen Probleme bei der Versorgung und in der Infrastruktur zwar bemängelt aber gleichermaßen akzeptiert.



    Ich habe bis zum Ausbruch der Pandemie über ein Jahr privat auf Kuba verbracht, habe dort den Alltag, den sogenannten Mainstream, die Partei(un)kultur, Künstler und Kritiker kennengelernt. Und natürlich die fehlende Pressefreiheit, den Paternalismus und die Korruption. Die genau wie wahrscheinlich überall von der Elite bis in die niedrigsten Einkommensklassen reicht.



    Die Repressalien des kubanischen Staates, die Unterdrückung von Opposition und offenem Diskurs sind schlimme Facetten eines politischen Systems, das es nicht rechtzeitig geschafft hat, die Idee der erfolgreichen Revolution weiterzuentwickeln und eine funktionierende Wirtschaft und Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen. Geblieben sind einige sehr gute, sogar vorbildliche, Elemente besonders im Bildungs- und Gesundheitswesen.



    Bekanntlich sind die wirtschaftlichen Repressalien der USA gegenüber Kuba seit der Trump-Ära dramatisch verschlimmert worden; der Staat ist praktisch bankrott und ohne die Remesas, die Zahlungen der im Ausland lebenden oder arbeitenden Kubaner und deren Verwandte, wäre Kubas Versorgung mit essentiellen und importbedürftigen Waren nicht mehr möglich. Der bizarre Gegenpol zu den helfenden Auslandskubanern sind natürlich die besonders in Florida lebenden Exilkubaner, die mit zu den treuesten Wählern der Republikanischen Partei in den USA gehören. Deren Teilnahme an Anschlägen, der Invasion in der Schweinebucht, Versuche der Destabilisierung des kubanischen Staates sind faktisch und historisch belegt.

    • @Jossito:

      Hier muss ich allerdings klar widersprechen!



      Ich kenne Kuba weit über 20 Jahre, habe dort auch Familie und kenne sehr gut ein weites Spektrum von Menschen dort, vom Maurer bis Mediziner, verteilt über die Provinzen von West nach Ost.

      Dass es sich nicht um Ärzte handelt, ist klar bei den Videos, die gedreht wurden zu erkennen, wenn man nicht von vorne herein dem folgen will, was die Staatsmacht hier vorspielen will.



      Hier wurden die Hungerstreikenden brutal von in Ärzte- und Krankenschwesterkittel gekleideten Militärs abgeführt. Anamelys Ramos ist selbst auf dem vom Staat selber publizierten Video zu hören, wie sie ruft, „welche Ärzte nehmen einem als erstes das Mobiltelefon ab?“.



      Warum wurden die Festgenommenen denn auf Polizeistationen verteilt? Ging es nicht angeblich um Covid-19? Wollte die Tests die Polizei durchführen?



      Warum wurde bei der, ich nenne es einmal „Überorchestrierung“, dieser repressiven Aktion dann auch noch der obligatorische Chor für einen so genannten „acto de repudio“, einen Akt der Ablehnung, herangekarrt, die, ohne Abstand, Parolen aus den 80ern schrien. Gegen das Virus? Oder doch gegen Andersdenkende?



      Seit den 80ern wurden dafür Schüler Studenten, Werktätige unter Druck vor die Häuser von Andersdenkenden gekarrt um nicht nur verbal zu attackieren. Die Textbücher für die Parolen wurden offenbar nicht verändert. Hier lässt man immer noch Fidel hochleben und erzeugt damit unfreiwillige Komik und viele wünschen diesen, sie mögen mit Fidel gehen…

      „schlimme Facetten eines politischen Systems, das es nicht rechtzeitig geschafft hat, die Idee der erfolgreichen Revolution weiterzuentwickeln“.



      Das ist so mitfühlend geschrieben, dass mir schlecht wird.



      Die kubanische Revolution war eine bürgerliche Revolution. Die Entscheidung für einen Sozialismus wurde von Fidel aus Machtkalkül getroffen, eine Entscheidung des Volkes hat er nicht gegeben. Eine Weiterentwicklung wurde über 60 Jahre brutal unterdrückt, Kritik war überhaupt nicht gefragt.

  • Willkommener Vorwand

    Zitat: „Sicherheitskräfte beenden eine Protestaktion und nehmen 14 Aktivist:innen eines Kunstkollektivs fest. Vorwand dafür war das Coronavirus.“

    Ein weiterer Beleg für den weltweit wütenden Mißbrauch der Corona-Pandemie zur Rechtfertigung polizeilicher Willkür und politischer Unterdrückung, wie jüngst gerade auch wieder in Frankreich.