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Hungerstreik für das Klima„Mir geht es nicht gut“

Zehn Tage haben Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen im Regierungsviertel nichts gegessen. Im Kohledorf Keyenberg hungert ein Denkmalschützer für die Kirche.

Seit Tagen befinden sich die jungen Menschen im Hungerstreik Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Mephisto läuft über eine Wiese im Berliner Regierungsviertel, heraus aus der Sonne, ein Stück in den Schatten. Ein müdes Lächeln huscht zur Begrüßung über das Gesicht der 18-jährigen Klimaaktivistin, die sich selbst den Namen des Teufels gegeben hat. Ihre Bewegungen sind vorsichtig und spärlich. Es ist Mittwochmittag und der zehnte Tag, an dem die junge Frau nichts isst.

Sie gehört zu den sieben Aktivist:innen, die einen Steinwurf entfernt vom Bundeskanzleramt ein Zeltlager aufgebaut haben und in den Hungerstreik getreten sind, um eine bessere Klimapolitik einzufordern.

Der Hunger hinterlässt Spuren. „Ich würde sagen, mir geht's nicht so gut“, sagt Mephisto, die als einzige der sieben nicht mit ihrem echten Namen auftreten will. „Es ist ziemlich anstrengend; meine Beine tun total weh“, sagt sie und nippt an einer Tasse, aus der das Bändchen eines Teebeutels hängt. „Ich hab die ganze Zeit das Bedürfnis, mich einfach nur hinzulegen, aber andererseits weiß ich, dass das nicht gut ist.“

Aus dem ärztlich begleiteten Training, das die Ak­ti­vis­t:in­nen zwischen 18 und 27 Jahren durchlaufen haben, ist ihr klar: Dann werden zu viele Muskeln abgebaut.

Die Hungernden wollen einen Klima-Büger:innenrat

Die Aktion ist unbefristet angelegt. Essen wollen die Ak­ti­vis­t:in­nen erst wieder, wenn ihre zwei Forderungen erfüllt sind: dass die drei Kanz­ler­kan­di­da­t:in­nen sich auf ein öffentliches Gespräch einlassen und versprechen, im Falle ihrer Wahl einen Bür­ge­r:in­nen­rat fürs Klima einzurichten.

Aus anderen Ländern und auch einem zivilgesellschaftlich organisierten Format in Deutschland weiß man, dass diese Gremien in der Regel zu deutlich progressiveren Ergebnissen kommen als die Regierungen, obwohl ihre Mitglieder per Los bestimmt werden und keineswegs nur Ökos sind. Umgesetzt werden die erstrittenen Vorschläge, wie gerade in Frankreich geschehen, allerdings oft nur in verwässerter Form.

Es sind fast zahme Forderungen, umso extremer erscheint das Mittel der Wahl. „Wir wollten etwas fordern, das auch realistisch ist“, erklärt Mephisto. Natürlich: Erst mit dem Hungern aufhören, wenn Deutschland genug dafür tut, dass die Erderhitzung die 1,5-Grad-Marke nicht knackt – das dauert und dafür müssten viele Räder in Gang gesetzt werden. Die jetzigen Forderungen können jeweils die einzelnen Adres­sa­t:in­nen erfüllen.

Gemeldet hat sich bisher allerdings nur Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock. Die habe angerufen und habe die Gruppe darum gebeten, mit dem Hungern aufzuhören, berichtet Mephisto und streicht sich einen ihrer zwei pinken Zöpfe hinter die Schulter. Die Einladung zu einem öffentlichen Gespräch habe sie allerdings ignoriert.

Ähnlich äußerte sich ein Sprecher Baerbocks auch gegenüber der taz. „Sie teilt das Ziel, möglichst bald klimaneutral zu sein, und wird sich dafür in der kommenden Bundesregierung mit aller Kraft einsetzen“, sagte er. „Aber es darf nicht sein, dass sich Menschen durch einen Hungerstreik in solche Gefahr bringen und ihr eigenes Leben riskieren.“

Von CDU-Mann Armin Laschet und dem SPD-Kandidaten Olaf Scholz habe man noch nichts gehört, sagt Mephisto. Auch auf Anfragen der taz reagierten die beiden bis Redaktionsschluss nicht.

Was passiere, wenn die Forderungen nicht erfüllt werden? „Der Streik ist unbefristet“, wiederholt Mephisto. Sie wollen weiter hungern, selbst wenn sie im Krankenhaus lande. Ob sie Angst davor habe? Nicken.

Hungerstreik im Kohledorf

Sechshundert Kilometer vom Regierungsviertel entfernt ist noch jemand in den Hungerstreik getreten – ebenfalls aufgrund der Folgen der fossilen Energiegewinnung. Der 57-jährige Dokumentarfilmer Uwe Brustmeier aus dem nordrhein-westfälischen Gummersbach hat am Dienstag vor der Kirche des Dorfs Keyenberg mit dem Essen aufgehört. „Durch Fastenzeiten weiß ich, wie das ist“, erzählt er am Telefon.

Das Dorf soll seit vielen Jahren dem Braunkohletagebau Garzweiler weichen, mittlerweile steht der Erhalt aber doch wieder im Raum. Trotzdem hat die Erkelenzer Pfarrei Christkönig, die den Grund und Boden schon an RWE verkauft hat, bereits die Glocken aus der noch nicht entwidmeten Kirche entfernt.

Das empört den ehrenamtlichen Denkmalschützer Brustmeier, der Keyenberg und die umliegenden Dörfer durch ein früheres Filmprojekt gut kennt. Er will denn auch erst wieder essen, wenn die Glocken wieder in der alten Kirche sind. Weiterhin fordert er, dass das denkmalgeschützte Gebäude zumindest an diesem Sonntag zugänglich gemacht werde, wenn nämlich Tag des offenen Denkmals ist.

Noch ist Brustmeier guten Mutes. Er bekomme viel Zuspruch, sagt er. Menschen, die in Keyenberg wohnen oder gewohnt hätten, kämen ihn ständig besuchen. „Das einzig Schwierige ist, dass direkt gegenüber vom Portal der Kirche die beste Bäckerei der Welt geöffnet ist.“

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8 Kommentare

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  • > " Entweder ist ein Hungerstreik lebensgefährlich oder unglaubwürdig."

    Der hier ist lebensgefährlich.

    Aber es geht auch um das Leben der nächsten Generation und um das nackte Überleben von Millionen Menschen. Daher ist er ganz sicher nicht unangemessen.

    > Auf allen Kanälen fordert XR die Einrichtung von Bürger:innenRäten.

    Das ist eine gute Idee, denn Bürgerinnenräte können einen Querschnitt der Bevölkerung repräsentieren, sind aber eben nicht so stark Lobbismus ausgesetzt wie die Berufspolitiker.

    Eigentlich sollte das Parlament der Ort sein, wo Konflikte ausgehandelt und verschiedene Interessen balanciert werden. Allein die VW-"Dieselaffäre" zeigt, wie gut das gegenwärtig funktioniert.

    > Auf mich wirkt das XR wie PR

    Das wiederum wirkt auf mich wie Projektion, es ist sehr merkbar, dass in den deutschen Medien und auch Kommentaren PR der Anti-Klimalobby auf allen Rohren läuft.

    Allein heute in der taz:

    "Carbon Capture & STorage ist die Lösung"

    "Klimaschutz ist unsozial"

    "Alternative Verkehrspolitik bevorzugt die Reichen"

    "Klimaschutz ist zu teuer"

    "Nur wer selber ohne Fehl und Tadel und sozusagen ein Umweltengel ist, hat das Recht, Klimaschutz politisch zu fordern"

    "Klimaschutz ist ein individuelles Problem, aus dem sich die G3sellschaft herauskonsumieren kann"

    "Grünes Wachstum"

    "Man muss erst was für die Wirtschaft tun"

    all das: PR im Sinne der Verschleppung des Problems...

  • Ich gebe zu bedenken, dass diese XR-Kampagne auch seit längerem so läuft: Hier sehen Sie wie im Juni in Wien der Hungerstreik für das Klima oder "gegen den Mord an der letzten Generation" durchgeführt wurde: xrebellion.at/tag/hungerstreik/ Die Seite heißt: Hungerstreik Archive - Extinction Rebellion Österreich - erinnert ein wenig an die IRA. Entweder ist ein Hungerstreik lebensgefährlich oder unglaubwürdig.



    Auf allen Kanälen fordert XR die Einrichtung von Bürger:innenRäten. Der wichtigste Punkt von Roger Hallams Strategie. Was und wie genau die Emissionen reduziert werden sollen, dazu äußert sich XR nicht. Aber viel Aktion, möglichst viel Masse und Hungerstreik. Auf mich wirkt das XR wie PR

  • Gegen das Anliegen, endlich wirksame Maßnahmen gegen die sich bereits abzeichnende Klimakatastrophe zu ergreifen, lässt sich nichts einwenden. Weiteres Abwarten macht alles nur schlimmer. Dies wird von Wissenschaftlern wieder und wieder bestätigt.

    Ich habe auch kein Problem mit der Forderung

    > "Essen wollen die Ak­ti­vis­t:in­nen erst wieder, wenn ihre zwei Forderungen erfüllt sind: dass die drei Kanz­ler­kan­di­da­t:in­nen sich auf ein öffentliches Gespräch einlassen und versprechen, im Falle ihrer Wahl einen Bür­ge­r:in­nen­rat fürs Klima einzurichten."

    - das sind Forderungen, die ohne weiteres erfüllbar sind, die im Sinne aller jungen Menschen sind, und gegen die kein Politiker, dem etwas an Demokratie liegt, etwas einzuwenden haben sollte.

    Womit ich auch kein grundsätzliches Problem habe, ist die Aktionsform des Hungerstreiks. Es ist ein sehr verzweifeltes Mittel, aber ist nicht unangemessen angesichts der Lage der Menschheit.

    Womit ich ganz und gar nicht einverstanden sind, wo sich mein Herz umdreht,ist dass Menschen, die gerade mal 18 Jahre alt sind, sich dazu genötigt sehen, das zu tun. Denn so wie es beschrieben ist, ist es eine Himmelfahrtsmission und die Leute sind in großer Gefahr zu sterben. Und sie sind es nicht, die diese Situation zu verantworten haben.

    Da gibt es tausende von Menschen im Land, die für sich reklamieren, Verantwortung zu tragen: Kanzlerinnen, Bürgermeister, Chefethiker, Chef-Wirtschaftskapitäne, Kardinäle, und so weiter. Die behaupten alle, zu wissen was richtig ist, und dass ihnen das Wohl der Allgemeinheit am Herzen liege. Und sie haben zumindest einen guten Teil ihres Lebens schon hinter sich.

    Nehmen wir die Vertreter der Kirchen: Alle Religionen treffen sich in dem Punkt, dass Leben etwa besonderes ist und nicht zerstört werden darf. Wo ist ihr Protest gegen das Massensterben von Arten und Menschen, das uns bevor steht? Warum sitzen die nicht da?

    Ich würde viel lieber die streiken und den Platz der jungen einnehmen sehen.

  • Wir hören erst auf, wenn wir bekommen, was wir wollen.

    Das Anliegen mag ja wichtig sein, aber es erinnert doch stark an so manche 3jährige vor der Supermarktkasse. Immerhin war die Reaktion von ALB richtig.

    • @fly:

      > "Das Anliegen mag ja wichtig sein, aber es erinnert doch stark an so manche 3jährige vor der Supermarktkasse."

      Angesichts des Ernstes der Lage, die ja von Wissenschaftlern gerade wieder bestätigt wurde, und der Tatenlosigkeit der gesellschaftlichen Institutionen finde ich Ihren Versuch, das ins Lächerliche zu ziehen, nicht witzig.

      Was sollen die Kinder und Jugendlichen machen? Akzeptieren, dass es keine Zukunft und keinen bewohnbaren Planeten für sie gibt?

      Und auch Annalena Baerbock würde sich keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn sie dem Anliegen nachgibt.

    • @fly:

      Ihre Analogie ist gewaltig schief.



      Es sei denn die 3-jährige steht nicht vor den Süßigkeiten an der Kasse, sondern vor dem Brot oder Wasserregal und ist kurz vorm verhungern oder verdursten.



      Das sie sich dann entsprechend aufregt, dürfte niemanden verwundern und würde eher ein schlechtes Licht auf die Eltern werfen (die in dieser etwas geraderen Analogie die Kanzlerschafts-Kandidat*innen sind).



      Oder war Ghandi auch nurn durchgeknallter 3-jähriger?

      • 3G
        30208 (Profil gelöscht)
        @Sihad:

        Gleich Gandhi? Kleiner geht es nicht?

        • @30208 (Profil gelöscht):

          Gandhi nutzte die Form des Hungerstreiks, um einen Krieg und Gewalt zu verhindern.

          Beim Klimaschutz geht es um die wissentliche Zerstörung der Lebensgrundlagen der nächsten Generation, die nach Stand der Wissenschaft zum direkten Tod von Millionen von Menschen führen wird. An der Stelle wird es natürlich ein wenig subjektiv, aber ich denke, man kann das auch als eine Form von Gewalt betrachten.

          Was ich vollkommen unmöglich zu akzeptieren finde, ist dass diese jungen Leute sterben werden, wenn die Dinge ihren Lauf nehmen.