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Hunger und Wut nach dem Beben

■ Die Hilfe für das Katastrophengebiet ist in Kolumbien bisher nur schleppend angelaufen. Hilfsorganisationen befürchten Hungersnot und Seuchen. Überlebende plündern Supermärkte

Armenia (AFP/taz) – Im kolumbianischen Erdbebengebiet sind Hunger und Wut über die mangelhafte Versorgung mit Hilfsgütern unter den Opfern in Unruhen umgeschlagen. In der am schwersten betroffenen Provinzhauptstadt Armenia plünderten Überlebende, die nach eigenen Angaben seit zwei Tagen nichts mehr gegessen und getrunken hatten, mehrere Supermärkte. Für zusätzliche Unruhe sorgen bewaffnete Banden, die nachts durch die Stadt ziehen und Obdachlosen ihre geretteten Habseligkeiten abnehmen.

„Die Lage ist außer Kontrolle geraten“, sagte der Bürgermeister von Armenia, Alvaro Patino, der inzwischen die Armee anforderte, eine nächtliche Ausgangssperre verhängte und ein Alkoholverbot erließ. Während die Behörden inzwischen Mängel bei der Verteilung von Hilfsgütern einräumten, warnten Hilfsorganisationen vor einer Hungersnot und dem Ausbruch von Seuchen.

Bisher bargen Helfer nach offiziellen Angaben 878 Tote. Die Zahl der Verletzten lag verschiedenen Angaben zufolge zwischen 3.200 und 3.600. Bis zu 500.000 Menschen seien obachlos geworden, hieß es, und verbringen die Nächte bei strömendem Regen in notdürftig zusammengeflickten Unterkünften aus Plastiksäcken. Weder Wasser- noch die Stromversorgung in dem betroffenen Gebiet funktionieren. Es fehlen aber auch Särge für die mittlerweile geborgenen Toten. Die größte Gefahr geht von den verwesenden Leichen aus, die noch unter den Trümmern vermutet werden oder noch auf den Straßen liegen. Viele der Toten konnten nicht bestattet werden, weil selbst die Friedhöfe zerstört sind.

Die Unruhen in Armenia begannen Mittwoch morgen in den südlichen Armenvierteln und breiteten sich im Laufe des Tages über die ganze Stadt aus. Erdbebenopfer verschafften sich Zugang zu den Lebensmitteln. „Das Essen liegt hier herum und verrottet, während wir Hunger haben“, sagte einer der Plünderer. Die Polizei stand dem Ansturm hilflos gegenüber und beschränkte sich darauf, sich um einen geordneten Verlauf der Plünderungen zu bemühen und Gewalttätigkeiten zwischen den Hungernden zu verhindern. Vor Geschäften in der Innenstadt versuchten Sicherheitskräfte, die Menge durch Schüsse in die Luft auseinanderzutreiben.

Wegen der zunehmend explosiven Lage reiste Präsident Andrès Pastrana in die halbzerstörte Stadt, um die bisher völlig unkoordinierte Hilfe selbst zu leiten. Pastrana erklärte, inzwischen seien 240 Tonnen Lebensmittel in Armenia angekommen. Mängel bei der Verteilung würden beseitigt.

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