HundehalterInnen in Berlin: Alles scheißegal
Bei Kontrollen fällt auf: Nur jede zweite Berliner HundehalterIn hält sich an gesetzliche Vorgaben. Die Bezirke sind dennoch zufrieden. Absurd.
D ie soziale Grenze verläuft in Berlin nicht zwischen oben und unten, Mann und Frau oder AutofahrerInnen und RadlerInnen, sondern zwischen HundehalterInnen und NichthundehalterInnen: Und sie ist unüberwindbar.
Für die einen sind HundehalterInnen liebenswerte Anarchisten, die ihre Lieblinge verehren und sie alles machen lassen, was jenen gut tut („der will nur spielen“). Für die anderen sind sie ignorante SäckInnen, die ihre KöterInnen alles machen lassen, was jenen gut tut („gebissen hat der vorher noch nie“) und sich an keine Vorschriften halten.
Man muss als Hunde-NichtbesitzerIn gar nicht vorurteilsbehaftet sein, um letzterer These anzuhängen. Es reicht, die Bilanz der Ordnungsämter anzuschauen, die der Bezirk Mitte am Donnerstag präsentiert hat: Bei 1.200 Kontrollen von HundehalterInnen wurden 610 Verstöße festgestellt, vor allem weil die Hunde widerrechtlich nicht angeleint waren oder Steuer- oder Halterplakette fehlten.
Jede zweite HundehalterIn scheißt also auf gesetzliche Vorgaben. Man stelle sich vor, das wäre bei Kontrollen von RadlerInnen geschehen. Trotzdem ist unwahrscheinlich, dass die CDU den sofortigen Rücktritt von Hundesenator Dirk Behrendt (Grüne) fordert.
Auch die Bezirke lassen Milde walten. „Die Ordnungsämter zeigen sich nach der Schwerpunktaktion zufrieden“, heißt es. Und: „Ziel war es, Hundehalterinnen und Hundehalter für die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu sensibilisieren sowie für die Einhaltung der Regeln zu werben.“
Sensibilisieren! Werben! Zur Erinnerung: Die Kritik an den laschen Regelungen zur Hundehaltung und vor allem ihrer mangelnden Umsetzung ist auf mehrere Vorfälle zurückzuführen, bei denen wieder mal ein Schoßhündchen ein Kind totgebissen hat.
Aber bei HundebesitzerInnen gestehen die Bezirke – aus Angst vor Tieren, Herrchen und Frauchen? – Ignoranz oder Dummheit zu. Es bestünde „vielfach Unklarheit und Unsicherheit über die Rechtslage“, melden die Bezirke. Lesen bildet, kann man da nur sagen. Der nächste Hundeshitstorm bleibt so unausweichlich.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel