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Humanitäre Hilfe einmal anders

■ Schwere Vorwürfe gegen die EU-Kommission: Im Amt für humanitäre Angelegenheiten sollen bis zu 5 Millionen Mark veruntreut worden sein. Die Kommission sieht darin keinen Betrug

Brüssel (taz/AP) – Allen Betrugsvorwürfen zum Trotz glaubt sich die EU-Kommission offenbar nicht im Erklärungsnotstand: Die drei von einer Finanzaffäre betroffenen Kommissare Emma Bonino, Erkki Liikanen und Anita Gradin erklärten gestern vor der Presse, es handele sich lediglich um eine Unregelmäßigkeit und nicht um Betrug.

Nach Auffassung von EU-Parlamentariern ist dies glatt untertrieben. In der Affäre geht es um verschwundene Gelder in Höhe von 2,4 Millionen Ecu (5 Millionen Mark), die ausgerechnet im Amt für humanitäre Angelegenheiten (Echo) veruntreut worden sein sollen. Es besteht der Verdacht, daß die Mittel nicht wie vorgesehen Bürgerkriegsopfern in Bosnien und Ruanda zugute kamen, sondern Freunden und Angehörigen von EU-Beamten, um diese mit einträglichen Posten zu versorgen.

Die Kommission erklärte gestern, ihre Betrugsbekämpfungseinheit Uclaf hätte den Fall selbst aufgedeckt und ihn nun an die Luxemburger Staatsanwaltschaft übergeben. Projektmittel, die für humanitäre Hilfe in Ruanda und Bosnien vorgesehen waren, seien für Verwaltung und Personal ausgegeben worden. Den entstandenen Schaden rechneten die EU- Kommissare auf 500.000 Ecu (knapp eine Million Mark) herunter.

Die grüne Europaabgeordnete Edith Müller dagegen hatte am Mittwoch erklärt, mit dem Geld seien zwischen 1993 und 1995 über Verträge mit einer Luxemburger Firma und deren Tochtergesellschaften in Irland Einzelpersonen ausgezahlt worden. Die Unterlagen über diese Personen seien verschwunden. Wahrscheinlich sind sie systematisch vernichtet worden. Die für humanitäre Angelegenheiten zuständige Kommissarin Emma Bonino betonte: „Die Hilfe für die Begünstigten in Afrika und Bosnien ist nicht geschmälert worden.“

Doch das Europäische Parlament wird sich damit nicht zufriedengeben. Es will die Kommission wegen der Finanzäffare stärker in die Pflicht nehmen. Der Haushaltskontrollausschuß hat für nächsten Mittwoch die drei EU- Kommissare vorgeladen und damit gedroht, der Entlastung für den Haushalt des Jahres 1996 nicht zuzustimmen.

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