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Hürden bei der FamilienplanungKinder passieren nicht einfach so

Kinderwünsche gelten manchen als spießig. Dabei ist es manchmal sehr wichtig, genau zu wissen, ob man das will – oder es überhaupt möglich ist.

Das ist eben nicht einfach so passiert Foto: Josu Acosta/imago

M ein Vater sagt, eigentlich wollte er gar keine Kinder. Wenn ich ihn frage, wie es dazu kommen konnte, dass er dennoch drei bekommen hat, lautet die Antwort: „Das ist einfach so passiert“. Dasselbe sagt meine Oma über ihre Kinder. Der Spruch nervt mich schon deshalb, weil meine Vorfahren damit jegliche Mitverantwortung von sich weisen.

Noch mehr regen mich aber ihre abwertenden Sprüche über Leute auf, die so spießig sind und ihre Kinder planen. Denn guess what: Kinder passieren eben nicht einfach so. Zumindest nicht allen. Viele Menschen, mich selbst eingeschlossen, hätten gar keine andere Möglichkeit, Kinder zu bekommen, als sie zu planen.

Liegt es daran, dass meine Familie aus lauter Unfällen besteht und sie sich diesbezüglich einen gewissen Stolz angeeignet haben, um ihre Verhütungsunfähigkeit zu übertünchen? Hat es etwas damit zu tun, dass ich von zwei Generationen von Hippies abstamme? Oder sind Boomer im Allgemeinen einfach noch ein bisschen sorgloser durchs Leben getapert als wir Millennials und Generation Z?

Einfach so schwanger werden geht nicht immer

Klar: Kein Verhütungsmittel ist zu 100 Prozent sicher. Ungeplante Schwangerschaften passieren. Doch ich sehe einen Unterschied zwischen ungeplanten und absolut ungewollten Schwangerschaften. Wer wie meine Eltern ausreichend Zugang zu sexueller Bildung, Verhütungsmitteln und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen hat, kann es in der Regel verhindern, Kinder zu bekommen.

„Einfach so“ schwanger werden kann hingegen nicht jede*r. Wer beispielsweise in einer queeren Beziehung lebt, muss seine Kinder nicht nur planen, sondern oft auch viel Geld ausgeben und bürokratische Hürden überwinden. Menschen mit Kinderwunsch, die nicht in einer romantischen Zweierbeziehung leben, müssen planen. Menschen mit bestimmten Krankheiten müssen planen.

Ich beispielsweise habe Endometriose. Dagegen nehme ich ein Medikament ähnlich der Pille, das ich bewusst absetzen müsste, um schwanger werden zu können. Gleichzeitig würden dadurch meine Schmerzen wieder schlimmer werden. Ich müsste mich also für einen Zeitpunkt entscheiden und mich dann mit dem Schwangerwerden möglichst beeilen.

Viele Stressfaktoren

All das sind Stressfaktoren, die Menschen wie meine schlecht verhütenden Eltern und Großeltern nicht kennen. Auch eine ungeplante Schwangerschaft kann selbstverständlich sehr viel Stress auslösen. In meiner letzten Beziehung mit einer cis Frau empfand ich es als großes Privileg, mir darum keine Gedanken machen zu müssen.

Doch auch „einfach so“ Kinder bekommen zu können – wenn man es denn möchte –, ist für mich ein Privileg. Es bedeutet, sich nicht zu der schwierigen Entscheidung für den richtigen Zeitpunkt durchringen zu müssen, den es eh nicht gibt. Dabei bleibt alles schön romantisch, natürlich und kostengünstig. Herzlichen Glückwunsch zu deinen drei unspießigen Kindern, Papa.

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Lou Zucker
Lou Zucker ist Journalistin und Autorin. Als Redakteurin arbeitete sie für neues deutschland, Supernova, bento und Der Spiegel, derzeit ist sie Chefin vom Dienst bei taz nord in Hamburg. Ihr Buch „Clara Zetkin. Eine rote Feministin“ erschien in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.
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2 Kommentare

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  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    "Schlecht verhütende Eltern"

    Sind die katholisch? Der Pillenknick war vor mehr als 50 Jahren.

  • Offensichtlich gibt es aber immer noch keine homogenen Generationen oder Strömungen. Auf Qualitätszirkeln und in gemeinsamen interdisziplinären Aktivitäten kommt man bei Gesprächen zwischen KollegInnen um das Thema Schwangerschaft kaum herum, daher zwei Anmerkungen: Annähernd unisono berichten GynäkologInnen von einem sinkenden Kenntnisstand zur Verhütung trotz Internet bei steigendem Kenntnisstand zu gängigen InfluencerInnen-Themen bei der Gereration Z, gefolgt von der Generation alpha. Das korreliert mit der Zahl der Interruptionen. "Eine Präimplatationsdiagnostik muss man sich auch leisten können und wollen", so ein Kollege der Humangenetik. Deutschland hat durch Restriktionen vielen Frauen Steine in den Weg gelegt, eine neue Bundesregierung sollte das als Problemkontext adressiert bekommen, Olaf Scholz bezeichnete sich selbst als Feministen. AVANTI.