Homosexuellengesetz in Russland: Nation vom Regenbogen gefährdet
Sie ist Stabhochsprungweltmeisterin und „Botschafterin“ des IOC. Über Homosexuelle sagt Jelena Issinbajewa: „Bei uns leben Männer mit Frauen, Frauen mit Männern.“
MOSKAU dpa | Stabhochsprung-Weltmeisterin Jelena Issinbajewa hat eine Protestaktion schwedischer Leichtathletinnen gegen das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz bei der WM in Moskau verurteilt und die Kontroverse weiter verschärft.
„Es ist nicht respektvoll gegenüber unserem Land und unseren Menschen“, kritisierte die 31-Jährige am Donnerstag, einen Tag nach ihrem dritten WM-Titelgewinn. „Wir sind Russen, wir sind vielleicht anders als die Europäer, aber wir setzen unsere Regeln nicht über ihre.“
Die schwedische Hochspringerin Emma Green Tregaro und 200-Meter-Sprinterin Moa Hjelmer waren mit in den Farben des Regenbogens lackierten Fingernägeln in den Qualifikationen an den Start gegangen. Der Regenbogen ist ein Symbol der Schwulen- und Lesben-Bewegung.
„Sport hat auch etwas mit Respekt vor dem anderen zu tun. Deshalb denke ich, dass es eine nette Geste ist“, sagte Green Tregaro der schwedischen Zeitung Aftonbladet. Wie Schwedens Teamsprecher Frederik Trahn mitteilte, hat sein Verband über das Thema nicht diskutiert. „Es ist allein Sache der Athleten“, erklärte er.
„Männer mit Frauen, Frauen mit Männern“
Das umstrittene russische Gesetz gegen „Homosexuellen-Propaganda“ ist seit Juni in Kraft und hat weltweit Proteste ausgelöst. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) prüft gegenwärtig, ob das Gesetz Einschränkungen für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi bedeuten könnte und hat die russische Regierung um eine Erklärung zum genauen Inhalt gebeten. Aktivisten haben sogar zu einem Boykott der Spiele in Russland aufgerufen.
„Wenn wir erlauben all dieses Zeug auf den Straßen zu tun, müssen wir Angst um unsere Nation haben, weil wir selbst Normalbürger sind“, sagte Doppel-Olympiasiegerin Issinbajewa. Alles müsse seine Ordnung haben. „Wir hatten diese Probleme in der Geschichte nicht und wir wollen sie in der Zukunft nicht haben. Bei uns leben Männer mit Frauen, Frauen mit Männern.“
Die russische Ausnahmeathletin ist „Botschafterin“ des IOC für die Olympischen Jugendspiele und sie soll Bürgermeisterin des Olympischen Dorfes in Sotschi werden. Außerdem gehörte sie zum russischen Bewerberteam, das die Fußball-WM 2018 ins Land holte.
Deutsches Weltverbands-Councilmitglied hält Debatte für deplatziert
Der Leichtathletik-Weltverband IAAF teilte in einer Stellungnahme mit, dass man alle Meinungen respektieren müsse. „Die IAAF-Statuten unterstreichen unser Bekenntnis zu den Prinzipien der Nichtdiskriminierung in Fragen von Religion, Politik oder bei sexuellen Orientierungen“, hieß es in der IAAF-Erklärung. Hinzu komme unser Glaube an die freie Meinungsäußerung. „Deshalb muss man die Meinungen von Green Tregaro und Issinbajewa respektieren.“
Aus Protest gegen den Druck auf Homosexuelle in Russland hatte zuvor 800-Meter-Läufer Nick Symmonds seine WM-Silbermedaille seinen schwulen und lesbischen Freunden gewidmet. „Egal ob du schwul, hetero, schwarz oder weiß bist: Wir alle verdienen dieselben Rechte“, sagte der US-Amerikaner.
Das deutsche Weltverbands-Councilmitglied Helmut Digel hält unterdessen die Debatte um das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Moskau für deplatziert. „Ich bin der Meinung, dass man die Sportarena nicht zur politischen Artikulation nutzen sollte“, erklärte der Tübinger Soziologe am Freitag. „Man muss die Gesetze eines Landes respektieren. Außerdem kennt kaum jemand den wirklichen Inhalt des Gesetzes.“
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