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Homeschooling mit HomeofficeWie lang dauert keine Ahnung?

Die Kinder sind zuhause, die Erwachsenen sind zuhause, alle sollen arbeiten und die Nerven liegen blank. Ein Erfahrungsbericht.

Wo ist der Kakao? Kann ich mal dein Telefon? Foto: dpa

Wir besprechen gerade, wie wir nun in der Familie den verschärften Lockdown umsetzen, da klingelt der Wecker zum zweiten Mal an diesem Tag, die Tochter, 12 Jahre alt, muss an den Rechner. Ihre Schule verlangt pünktlich um 8.30 Uhr Präsenz in der ersten Videokonferenz, sonst ruft das Sekretariat an.

Der Ton lässt sich nicht einschalten, ich muss helfen, gleichzeitig hat der Sohn, 7 Jahre alt, angefangen zu quengeln, er möchte lieber rechnen als Schreibschrift üben, er hat doch gerade so schön die Druckschrift gelernt und jetzt soll er schon wieder umlernen, wer soll das einsehen, der Partner muss helfen, nur dass der Partner und ich anders als manch ausgebildete Lehrkraft genug damit zu tun haben, unseren Kindern Dinge zu verkaufen, die Sinn machen.

Die Weihnachtsferien sind vorbei, wir befinden uns am Anfang des zweiten Tages, an dem viele Eltern wieder Homeschooling und Homeoffice unter einen Hut zu bekommen versuchen. Während die Tochter auch immer mal wieder eine halbe Stunde am Stück klarkommt, braucht der Sohn zumindest zu Hause permanente Begleitung.

Wenn er allein am Tisch sitzt, malt er lieber Monster, die wahrscheinlich uns darstellen sollen. Unvorstellbar, wie das alleinerziehende Eltern schaffen oder auch Menschen, die weniger helfen können oder weniger Platz haben als wir.

Wo ist der Kakao?

Der Wecker klingelt zum dritten Mal, 20 Minuten Frühstückspause, die ich gern nutzen würde, um eine Interviewanfrage rauszuschicken, eine Recherche weiterzuführen, einen Anruf zu machen und einen Text anzufangen. „Mama, darf ich fragen, wo der Kakao ist“, will der Sohn wissen. Es dauert 4 Minuten, bis ich ihn zur Schorle überredet habe.

„Mama, mein Handy ist tot und ich muss eine Freundin anrufen, kann ich mal kurz das Telefon“, bittet die Tochter, ich mache die Interviewanfrage per Mail und werde erst telefonisch nachhaken können, als wir ein paar Stunden später das Handy im Bücherregal wiedergefunden haben.

Nach der Frühstückspause gehen Tochter und Sohn raus und bewerfen sich mit dem letzten Schneematsch, während ich die Recherche von vor zwei Stunden weiterführe, aber in der darauf folgenden Videokonferenz der Tochter taucht keine Lehrerin auf und ich muss ihr bei einer Textaufgabe helfen, die ich selbst kaum verstehe, und danach weiß ich nicht mehr, wo ich war.

Es ist schon wieder Mittag

Ich wüsste gern, ob es wenigstens für den Sohn bald wieder Wechselunterricht gibt, habe aber keine Zeit, das nachzusehen. Die Tochter versucht inzwischen herauszufinden, welche Vokabeln nächste Woche dran sind, erreicht aber keinen.

Es ist schon wieder Mittag, der Partner kämpft mit einer dringenden Mail, ich bin mit dem Kochen dran.

Nach der Mittagspause will ich aber nun wirklich meinen Text anfangen, die Kinder sollen einfach mal eine Stunde lesen und Hörspiel hören. Aber dann muss die Tochter die Vokabeln nachholen, die sie nun endlich in der Mail hat, kommt aber ohne Lehrerin nicht mit der Aussprache klar, und der Sohn hat keine Lust mehr auf gar nichts.

„Mama, wann bist du fertig?“ –„Keine Ahnung.“ – „Wie lang dauert keine Ahnung?“

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6 Kommentare

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  • Arbeiten und Kinderbetreuung geht nicht. v. a. nicht über lange Strecken. Das sie die Textaufgaben nicht verstehen, hat vielleicht damit zu tun, dass sie keine Zeit dafür haben. Es braucht Lohnersatz für Eltern, Minijobs für Studenten, die einer festen Familie helfen ( zwei Stunden am Tag mit den Kindern rausgehen, einkaufen, Hilfe bei den Schulaufgaben: über Telefon, Mail und online), natürlich nur Out-door-aktivitäten. Eltern sollten ein kontingent v Stunden zur Verfügung gestellt bekommen. Ich will weniger Schilderungen diese Chaos lesen, das habe ich selbst zu Hause, sondern überlegungen was jetzt nötig ist, solange Schulen und Kitas geschlossen werden/ bleiben sollten.

  • Hmm. Ich finde, dass es der Schilderung nach, deutlich klareren Ansagen bedarf. Ich glaube sowieso das Problem ist nicht das Homeschooling und Homeoffice sondern mangelnde Kenntnisse in Erziehungsfragen. Eltern wollen zu oft Freunde der Kinder sein, dabei ist Konsequenz das wichtigste in Sachen Erziehung. Ein nein ist in Ordnung. Nein gibt kein Kakao du bekommst Wasser. Und Basta. Alles ausdiskutieren macht es sicher anstrengend. Dann noch etwas: sie machen nicht den Job von Lehrer:innen. Sie haben ja keine Ahnung, was das im Moment bedeutet. Je kleiner die Kinder desto größer die Arbeitsbelastung. Inklusive der Notwendigkeit sich auf Präsenz und Fernunterricht gleichzeitig zu konzentrieren. Sie machen den Job von Eltern. Ich empfinde es als ganz normal mein Kind in Schulfragen zu unterstützen. Die Zeit, die ich dafür bei meiner 6 und meiner 7 jährigen Tochter benötige, hole ich durch fehlende Arbeitswege locker wieder raus. Ich empfinde einen Homeoffice Tag als deutlich entspannter als die Normalität. Gut ich bin auch Lehrer😀 ich will gar nicht in diese ach so tolle Normalität zurück.

  • Wie lange „keine Ahnung“ dauert? Das frage ich mich, ehrlich gesagt, bereits seit Ende März.

    Bei Kindern dauert „keine Ahnung“ erfahrungsgemäß so lange, bis irgendwer ihnen die Dinge so erklärt, dass sie „Sinn machen“ für die lieben Kleinen. Bei Erwachsenen ist das ein bisschen anders. Da dauert „keine Ahnung“ manchmal viel länger. So lange, bis sie beschließen, Ahnung haben zu wollen.

    Wie lange es dauern wird, bis Eltern in der Lage sind, neben dem eigenen Job und all dem sonstigen „Kram“, der einer Familie die Existenz sichert, auch noch den Job ausgebildeter Lehrkräfte zu erledigen? Ich weiß es nicht. Ist ja auch sicher verdammt unterschiedlich. Wie lange sie das anschließend durchhalten? Danach fragt bisher leider kaum jemand. Wieso eigentlich nicht?

    Vermutlich, weil alle wie verrückt hoffen. Darauf, dass Corona bald wieder verschwindet. Wie diese Hoffnung begründet ist, hat mir leider noch niemand so erklärt, dass ich‘s verstehen konnte. Auf die Maßnahmen, die „unsere“ Regierung seit Februar gegen Corona ergreift, möchte ich mich jedenfalls nicht verlassen. Die Wirkung dieser Maßnahmen scheint ja doch eher begrenzt zu sein. So wie die Maßnahmen selbst. Eigentlich seltsam angesichts der vielen Virologen, die derzeit mitregieren.

    Früher einmal hatte ich geglaubt, es sei „der Wissenschaft“ nicht genug, Probleme zu beschreiben. Dass sie gern Angst verbreitet (wie in US-Katastrophenfilmen häufig gezeigt), hatte ich eigentlich für ausgeschlossen gehalten. Ich hatte immer angenommen, „die Wissenschaft“ sei irgendwie lösungsorientierter. Ist sie offenbar nicht. Sie hat, wie‘s aussieht, immer noch keine Ahnung, was wir außer Maske tragen, Hände waschen und uns einigeln (lassen) tun können gegen das Virus. Deswegen weiß es auch unsre Regierung nicht, schätze ich.

    Und nun noch mal die Kinder-Frage: Wie lange dauert keine Ahnung? Länger als die Durchhaltekraft deutscher Mütter und Väter? Länger als der (Über-)Lebensmut isolierter 80-er? Und wenn ja: Wieso?

    • @mowgli:

      Die Wissenschaft macht Vorschläge - die Politik setzt sie nicht um.

    • @mowgli:

      Sie haben's vielleicht in den Nachrichten verpasst, daher helfe ich Ihnen gerne auf die Sprünge:

      Mit Hilfe "der Wissenschaft" wurden und werden Impfstoffe entwickelt. So viel zu Ihren Bedenken hinsichtlich Lösungsorientierung.

    • @mowgli:

      "Die Wissenschaft" ist rein deskriptiv, lösungsorientiert war die noch nie... :-)



      (Disclaimer: bin selbst "Wissenschaftler")



      Trotzdem weiß "die Wissenschaft" ganz genau, was man im Fall einer Pandemie -mit einem Erreger, gegen den es keinen Impfstoff gibt- tun kann: sämtliche Individuen der betroffenen Population komplett voneinander isolieren bis das Virus tot ist. Macht bloß irgendwie keiner...