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Holstenquartier kommt nicht voranDem Adler geht die Luft aus

Auf einem Brauereigelände in Hamburg-Altona sollte ein Vorzeigequartier entstehen. Nun schwächelt der Investor, auf den der Bezirk gesetzt hat.

Ob hier jemals etwas fertig wird? Das Holstenareal in Hamburg-Altona im Juli 2021 Foto: Marcus Brandt / dpa

Hamburg taz | Wer wissen will, was alles schief laufen kann auf einem überhitzten Immobilienmarkt, muss nur nach Hamburg-Altona schauen. Dorthin, wo neben den Bahngleisen mit der Neuen Mitte Altona ein ganzer Stadtteil aus dem Boden gestampft wird. 5.000 Wohnungen sollen es mal werden, 1.200 davon auf einem ehemaligen Brauereigelände, dem „Holstenquartier“.

„Wir freuen uns auf das neue Holstenquartier, in dem sich Menschen lange wohlfühlen können“, steht auf einem Plakat am Zaun des Geländes, das wohl der Investor dort angebracht hat. Und, direkt daneben: „Mehr Altona pro m2“. Drinnen reißen Bagger die alten Lagerhallen ab, Staub liegt in der Luft.

320 Millionen Euro hat der jetzige Eigentümer, die Adler Group, für das Gelände bezahlt, doch noch ist der städtebauliche Vertrag nicht unterschrieben. Und dann gibt es auch noch keinen Bebauungsplan, obwohl die Verhandlungen mit dem Bezirk Altona schon seit Jahren laufen. Und so, wie es derzeit aussieht, wird das so schnell auch nichts werden. Denn um die Adler Group scheint es nicht gut zu stehen.

Bereits im Oktober letzten Jahres geriet der Immobilienkonzern in die Schlagzeilen, als der britische Spekulant Fraser Perring mit seiner Firma Viceroy Research die Geschäftspraktiken der Adler Group anprangerte. Die Immobilien der Adler Group seien überbewertet, Beteiligungen und Übernahmen würden gemacht, um an Kredite heranzukommen, Geldflüsse würden an Privatpersonen verschoben. Im Zentrum stehe ein Geschäftsmann, der offiziell nur als Berater fungiere und die Adler Group von seiner Yacht vor Monaco aus lenke.

Wollte die Adler Group das neue Holstenquartier wirklich bebauen? Kann sie es überhaupt?

Diese Nachrichten waren nicht gut für den Kurs der Adler-Group-Aktien und sollten es auch nicht sein: Fraser Perring verdient sein Geld mit so genannten „Leerverkäufen“, bei denen auf fallende Aktienkurse spekuliert wird. Die Adler Group beauftragte die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, den Vorwürfen nachzugehen, in der Hoffnung, die Wirtschaftsprüfer würden diese entkräften. Doch es geschah das Gegenteil.

Die Vorwürfe „können anhand der vorgelegten Unterlagen weder verifiziert noch falsifiziert werden“, schrieben die KPMG-Prüfer vor einigen Tagen in ihrem Bericht. Hunderttausende von Mails und anderen Dokumenten seien von der Adler Group und ihren Unternehmen nicht wie verlangt ausgehändigt worden, die Vorgänge ließen sich darum nicht abschließend bewerten. Aber es seien Gelder nach außen geflossen, und die betreffenden Personen seien beteiligt gewesen.

Ein richtiger Freispruch war das nicht, auch wenn sich der Verwaltungsratschef der Adler Group, Stefan Kirsten, zunächst noch mit dem Satz, seine Gruppe sei „angeschlagen, aber vital“, im Gesundbeten versuchte. Als Erfolg feierte er auch noch, dass ein „systematischer Betrug“ dem Konzern von den Wirtschaftsprüfern nicht nachgewiesen werden konnte.

Am vergangenen Freitag dann kam der endgültige Tiefschlag: KPMG, die für die Adler Group auch die Bilanz prüft, weigerte sich, ihr Urteil für den Jahresabschluss 2021 abzugeben. Die Adler Group musste ihn trotzdem veröffentlichen, wobei ein Verlust von über einer Milliarde Euro zutage kam. Der Kurs sackte auf einen historischen Tiefstand ab.

Die Entwicklungen um die Adler Group lösten in den vergangenen Tagen auch Unruhe in der Altonaer Bezirkspolitik aus. Vor allem ein Satz aus dem KPMG-Gutachten machte den Politikern zu schaffen: „Der Vorwurf, dass Adler nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die Projektentwicklungen umzusetzen, kann auf Basis der uns in der Sonderuntersuchung zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht widerlegt werden“, heißt es da.

Wäre es denkbar, dass die wechselnden Manager der Adler Group und ihrer Töchter, mit denen die Bezirkspolitiker in Altona verhandelt hatten, nur warme Luft produziert hatten? Wollten sie das neue Holstenquartier in Altona wirklich bauen? Können sie es überhaupt?

„Man muss ernsthaft die Frage stellen: Wenn die nicht in der Lage sind, das Projekt zu realisieren, will man dann zuschauen, wie sie das auf dem freien Markt verkaufen, oder muss die Stadt dann da eintreten?“, sagt Thomas Adrian, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung Altona.

Schärfere Maßnahmen gefordert

Die Bürgerinitiative „Knallt am dollsten“, die seit Jahren die Entwicklung des Holstenareals kritisch begleitet, fordert schon länger schärfere Maßnahmen von Seiten der Politik. „Es kann doch nicht sein, dass alle, sogar die CDU, sagen, das ist eine Katastrophe für den Stadtteil, und am Ende nichts machen“, sagt Theo Bruns, der Sprecher der Initiative.

Er fordert die Stadt Hamburg auf, eine sogenannte „städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ einzuleiten, die es der Stadt ermöglichen würde, auf dem Holstengelände wieder Herr des Verfahrens zu werden – bis hin zur Enteignung des bisherigen Eigentümers und einer Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes.

Zuständig wäre in diesem Fall die Stadtentwicklungsbehörde. Aus der heißt es, sie betrachte die Entwicklung „mit Sorge“. Für „alle in Hamburg betroffenen Grundstücke“ beobachte man „intensiv“, „ob die Bedingungen für die Ausübung von Vorkaufsrechten eintreten“.

Sollte es so kommen, wäre das doch immerhin ein Anfang.

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