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Holender wird eingeflogen

Kultursenator beruft Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan Holender, als künstlerischen Kontrolleur für die Deutsche Oper. Scheidender Intendant Zimmermann muss weiterer Degradierung zuschauen

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Udo Zimmermann, der 2003 vorzeitig aus dem Amt scheidende Generalintendant der Deutschen Oper, könnte sich eigentlich ab heute krank melden, einen trinken gehen oder sich nach einem neuen Job umgucken. Denn der Opernchef ist seit Montag endgültig entmachtet. Kultursenator Thomas Flierl hat den Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan Holender, ab sofort zum künstlerischen Berater für das Haus an der Bismarckstraße bestellt. Dies teilte der PDS-Senator gestern im Kulturausschuss mit.

Zu Holenders Aufgaben zählt es laut Flierl, die von Zimmermann getroffenen Dispositionen „zu kontrollieren und gegebenenfalls umzusteuern“. Zugleich soll er die Kulturverwaltung bei den anstehenden Strukturreformen für die Oper beraten. Insider sehen darin nicht nur das vorgezogene Aus für Zimmermann, sondern auch einen weiteren Schritt in der befürchteten Abwicklung der Opernbühne.

Nach Ansicht von Flierl ist das Engagement von Ioan Holender mit Zimmermann und Generalmusikdirektor Christian Thielemann verabredet worden. Holenders sowohl „künstlerische Kompetenz“ als auch die Erfahrung in der „Leitung großer Musikbühnen“ dienten der „qualitativen Sicherung des Spielangebots“ an der gebeutelten Bühne. Nach Auskunft von Thorsten Wöhlert, Sprecher in der Senatsverwaltung für Kultur, werde sich Holender um die Planung der Spielzeit nach 2003 kümmern: Dazu zählten vertragliche Regelungen ebenso wie die Verhandlungen über künstlerische Auftritte und Inzenierungen. Außerdem sei er als Berater des Kultursenators tätig.

In der vorvergangenen Woche hatte Flierl – wegen Zimmermanns baldigem Ausscheiden – den früheren Geschäftsführer des Jüdischen Museums, Peter Sauerbaum, als Geschäftsführer der Deutschen Oper eingesetzt.

Am Wochenende haben sich auch der Kulturexperte in der PDS-Fraktion, Wolfgang Brauer, und der SPD-Chef, Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, skeptisch zum Erhalt der Deutschen Oper geäußert. Bis Jahresende will Flierl ein Reformpapier vorlegen, das die Zukunft der drei Berliner Opernhäuser – Deutsche Oper, Staatsoper Unter den Linden und Komische Oper – regelt.

Für die kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Alice Ströver, bedeutet der Einsatz von Holender, dass Zimmermann nun in der Deutschen Oper „kaltgestellt“ werden soll. Der Wiener Staatsoperndirektor habe wohl die Funktion, noch von Zimmermann über das Jahr 2003 hinausweisende Plne, Inszenierungen oder Engagements unter die Lupe zu nehmen und möglicherweise zu kippen. Zudem deute Holenders Auftritt – und nicht die Bestellung eines neuen Intendanten – erneut darauf hin, dass die Fusion der Deutschen Oper mit der Staatsoper das kulturpolitische Ziel der rot-roten Koalition sei. „Der Standort wird wohl erhalten, aber nicht die Oper“, mutmat Ströver.

Direkte Hilfe ist für die Berliner Opernlandschaft auch nicht vom Bund zu erwarten. Die Bundesregierung wird nach Einschätzung des kulturpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Eckhardt Barthel, keine der drei Berliner Opern übernehmen. Es sei gegenüber den anderen Lndern nicht zu rechtfertigen, wenn etwa die Staatsoper vom Bund finanziell getragen würde, der mit mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr schon jetzt fast so viel wie das Land für die Berliner Kultur zahle, sagte Barthel am Montag.

Man werde aber eine Opern-Strukturreform finanziell unterstützen, wenn Flierl Pläne dafür vorlege. Barthel: „Voraussetzung dafür ist, dass der Kultursenator mal seine eigenen Vorstellungen dazu präsentiert.“

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