■ Der Premier genießt Schutz: Hohe Hürden für die Abwahl
In Israel mehren sich die Spekulationen über baldige Neuwahlen. Mit dem Rücktritt von Außenminister David Levy verließ auch dessen fünfköpfige Gescher-Fraktion die Koalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Damit verfügt die Regierung nunmehr über eine dünne Mehrheit von 61 der insgesamt 120 Knesset-Mandate. Außenminister Levy steht mit seiner Kritik an Netanjahus Politik in der Regierungskoalition jedoch nicht allein. Auch die mit vier Sitzen vertretene Einwandererpartei von Nathan Scharansky und die Partei des Dritten Weges von Sicherheitsminister Avigdor Kahalani kritisieren den stockenden Friedensprozeß und halten den Haushalt für sozial nicht verträglich.
Um seine Mehrheit zu vergrößern, kann Netanjahu nur auf die rechtsnationale Moledet-(„Heimat“)Partei zurückgreifen, die die Koalition grundsätzlich unterstützt. Moledet lehnt jedoch jeglichen Rückzug aus den besetzten palästinensischen Gebieten ab. Um den Einfluß des rechtsnationalen Lagers auf die Regierungspolitik zu begrenzen, könnte Netanjahu nur eine große Koalition mit der Arbeitspartei eingehen.
Zeitungskommentatoren erwarten, daß Netanjahu alles daran setzt, seine Mitte-rechts- Koalition fortzusetzen. Unterdessen sprechen sich Meinungsumfragen zufolge etwa zwei Drittel der Israelis für Neuwahlen aus. Diese können auf verschiedene Weise herbeigeführt werden. Wenn eine Mehrheit von 61 Abgeordneten dem Ministerpräsidenten das Mißtrauen ausspricht, löst sich auch das Parlament auf.
Seit den letzten Wahlen vom Mai 1996 wird der Ministerpräsident direkt gewählt. Dieses Verfahren wurde eingeführt, um den Einfluß kleiner Parteien auf die Regierungsbildung zu begrenzen. Die hohe Anzahl von Klientelparteien im israelischen Parlament rührt daher, daß eine Partei nur 1,5 Prozent benötigt, um in die Knesset zu gelangen. Die getrennten Wahlverfahren erlauben dem Ministerpräsidenten selbst dann die Regierungsbildung, wenn seine eigene Partei nicht die Mehrheit der Mandate erlangt. So ist zwar die oppositionelle Arbeitspartei mit 34 Sitzen größte Fraktion, stellt aber nicht den Regierungschef, da Schimon Peres in der Direktwahl seinem Herausforderer Netanjahu um 0,9 Prozent unterlag. Peres hatte das neue Verfahren selber mit auf den Weg gebracht.
Weit höher liegt die Hürde, wenn das Mißtrauensvotum sich nur gegen den Regierungschef richtet, das Parlament jedoch nicht aufgelöst werden soll. In diesem Fall müssen zwei Drittel der Abgeordneten gegen den Ministerpräsidenten stimmen. Automatische Neuwahlen finden allerdings auch statt, wenn der Haushalt nicht innerhalb von drei Monaten nach Beginn des Steuerjahres die Knesset passiert. Nach Einschätzung von Experten stehen die Chancen einer Wiederwahl Netanjahus nicht schlecht. Die meisten Minister sprachen sich am Montag jedoch für eine Fortsetzung der jetzigen Koalition aus. Christoph Schult
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