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Höhere RentenEine Frage der Fairness

Der DGB und das Arbeitsministerium wollen mit Steuergeldern Kleinrenten aufstocken. Dennoch weisen beide Konzepte Gerechtigkeitslücken auf.

Warten auf die Politik: die verschiedenen Modelle eint, dass es Zuschüsse erst nach 35 Beitragsjahren geben soll. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Debatte über die Aufstockung von Kleinrenten dreht sich vor allem um zwei Gerechtigkeitsprobleme. Erstens: die Berücksichtigung der geleisteten Arbeitszeit und Betreuungsleistungen. Zweitens: die Prüfung des Partnereinkommens und der Vermögensverhältnisse im Alter.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will eine sogenannte Zuschussrente. Dabei soll das Ruhegeld aller Geringverdiener auf 850 Euro aufgestockt werden - also deutlich mehr als die Grundsicherung im Alter. Davon würden Menschen, die lange in Teilzeit sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben, ebenso profitieren wie Mütter, die Kinder aufgezogen haben.

Voraussetzung ist der Abschluss eines Riester-Vertrags. Bei der Zuschussrente soll das Partnereinkommen angerechnet werden - Mütter mit gut verdienendem Mann bekommen nichts.

Die Zuschussrente soll aus Steuermitteln finanziert werden. Ob Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zustimmt, ist jedoch offen. Kritiker monieren, dass die Zuschussrente einen Anreiz für Frauen darstellen könnte, gar nicht erst von Teil- auf Vollzeit zu wechseln. Schließlich erhalten sie mit 850 Euro am Ende genauso viel wie Geringverdiener, die jahrzehntelang in Vollzeit schufteten.

DGB-Modell hilfreich für Frauen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert stattdessen eine Rente nach Mindesteinkommen für langjährige Versicherte. Dieses Konzept existierte bereits, war aber für Zeiten nach 1992 abgeschafft worden. Dabei werden unterdurchschnittliche versicherungspflichtige Einkommen am Ende des Erwerbslebens um die Hälfte aufgewertet.

Dieser nachträgliche Beitragszuschuss greift bei bis zu 75 Prozent des Durchschnittseinkommens. Wer also etwa immer die Hälfte des Durchschnittseinkommens verdient hat, erhält eine Rente, als habe er oder sie immer 75 Prozent des Durchschnitts verdient. Bedingung ist, wie bei der Zuschussrente, eine 35 Jahre lange Beitragszahlung.

Das DGB-Modell würde es gerade Frauen erleichtern, im Alter über die Grundsicherung zu kommen. Kritisiert wird bei diesem Modell, dass auch hier Teilzeit rentenrechtlich subventioniert, später aber keine Bedarfsprüfung durchgeführt wird. Denn auch Teilzeit arbeitende Ehefrauen mit gut verdienendem Mann und Privatvermögen würden vom DGB-Modell begünstigt.

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3 Kommentare

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  • A
    aurorua

    Scheindebatte, seit ueber dreissig Jahren labern die Gewerkschafen bloss rum um im Gespraech zu bleiben und die eigenen Besitzstaende zu wahren, parrallel dazu ging es Arbeitnehmern, Erwerbslosen und Rentnern immer schlechter, waehrend Politiker und Beamte exorbitante Pensionen einstreichen ohne einen Cent Beitrag zu leisten.

    Eine gerechte Buergeversicheung fuer alle Einkommensbezieher ist laengst ueberfaellig. Ein mehrklassiges Alterssicherunssystem in dem die, die Beitraege zahlen immer weniger erhalten, derweil Politiker und Beamte ihre beitragslosen Pensionsansprueche staendig erhoehen und parallel dazu den Rentnern Nullruden verordnen ist undemokratisch, unsozial und ungerecht.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Schon wieder soll Geld vom überwiegend männlichen Steuerzahler zu Frauen umverteilt werden! Dabei sollte man viel eher ein Modell entwickeln, bei dem Frauen nicht mehr strukturell mehr aus der Rentenkasse herausbekommen als sie einzahlen.

  • H
    Hans

    Die Zuschussrente ist zwar ein Ansatz, stellt sich nur die Frage, ob es eine Lösung ist, wenn man eine Riesterrente, die ja nicht Pflicht ist, zur Pflicht für den Bezug macht, zumal das Hin- und Herrechnen hier ja zu vielen Nachteilen führen kann: Wer z.B. die Ziellinie verfehlt - was passiert mit diesem Menschen?

     

    Für den oder die würde wohl eben wieder das Sozialgeld plus Minirente kommen, solange die entsprechenden Vermögenswerte aufgebraucht sind. Gut an diesem Modell ist nur, dass es überhaupt die CDU vorlegt, damit sagt sie ja, dass es einen Zwang zu einer Lösung geben muss.

     

    Wie das bei arbeitslosen oder längere Zeit arbeitslosen Männern und Frauen wird, steht hier nicht konkret, wahrscheinlich wird es eben so: Minirente plus Sozialgeld – Vermögenswerte müssen dann gegen gerechnet werden. Wer also relativ lange arbeitet und gut verdient, dann aber in eine Phase langer Arbeitslosigkeit rutscht, könnte im Nirgendwo enden und entsprechend verarmen.

     

    Rente nach DGB-Mindesteinkommen wäre schon besser, zumal die Frau hier tatsächlich unabhängig ihren Anspruch hat. Alleine das ist schon ein Fortschritt. Aber auch hier stellt sich doch die Frage nach den Übergängen und wann und wo und wie ein Mensch seinen Anspruch geltend machen kann. Es gibt eben Tausende Leih- und Zeitarbeiter, lange Phasen ohne Beiträge und manchmal auch lange Zeiten von Arbeitslosigkeit.

     

    Für diese Fälle scheint in beiden Modellen keine Lösung zu stecken, zumal ja bei Hartz/Sozialgeld normalerweise Ersparnisse angerechnet werden und ein Mensch, der lange Zeit arbeitslos war, aber Riester abgeschlossen hat, momentan am Ende beides verrechnen muss, so dass er am Ende wieder arm ist und sich wohl an kirchlicher Suppenküchen und Sozialkaufhäuser, Tafeln wenden muss, um zu überleben. Auf die Rente können solche Menschen wohl nicht mehr bauen, es sei denn, den Parteien fällt noch was ein, was funktioniert.

     

    Insofern muss m.M. noch sehr viel getan werden, um tatsächlich gegen drastische Altersarmut vorzugehen. Der beste Weg ist einfach für gerechte Löhne in fairer Arbeit zu sorgen, denn dann passiert das Ganze gar nicht erst. Wer normal verdient, der kan auch Zusatzrenten abschließen, wobei ich hier für eine allgemeine und umfassende Riester bzw. Zusatzrente (per Zwang) wäre.

     

    Und faire Arbeit funktioniert nur, wenn der Staat aufhört, miese Arbeit zu subventionieren, mit 1-EURo-Jobs Jobs killt und die 400-EURO-Regelung eingeschränkt wird, weil sie eigentlich ein Dauer-Mega-Raub in den Sozial- und Steuerkassen ist.