Hochwasserkatastrophe in Texas: Warnungen ignoriert

Klimaveränderung und eine falsche Stadtplanung haben einen beträchtlichen Anteil an den Folgen von Harvey. Wissenschaftler warnen schon länger.

Boote auf einer gefluteten Straße

Nachdem vom Addicks-Reservoir Wasser abgelassen wurde, ging es in diesem Stadtteil von Houston nur noch mit Booten vorwärts Foto: ap

DALLAS taz | Der Nationale Wetterdienst, der sonst einen nüchternen Stil pflegt, warnte bei Beginn von „Harvey“ vor einem „nie dagewesenen Ereignis“. Dabei seien „sämtliche Auswirkungen unbekannt und jenseits all dessen sind, was wir kennen“. Doch für manche Wissenschaftler kamen die Verwüstungen von „Harvey“ nicht überraschend. Sie mahnen schon lange davor, dass der Klimawandel, gepaart mit einer verfehlen Stadtplanung und Bebauungspolitik in der viertgrößten Stadt der USA, direkt in eine Katastrophe führen könnten.

„Der Klimawandel vergrößert das existierende Risiko von Überflutungen in Houston“, hat Katherine Hayhoe, Chefin der Klimaabteilung an der Texas Tech Universität, Ende vergangenen Jahres gegenüber ProPublica erklärt. Sie meinte nicht nur die Zunahme von starken Stürmen, sondern die wachsenden Wassermengen, die sie begleiten und für Überflutungen sorgen.

Das Meereswasser vor der Küste von Texas ist ohnehin eines der wärmsten des Planeten. Durch die Klimaveränderung ist seine Temperatur, nicht nur an der Oberfläche sondern auch in tieferen Schichten weiter gestiegen. Das sorgt für verstärkte Verdunstung und für mehr Leuftfeuchtigkeit, die ein Sturm einsammeln und in Form von Regen abschütten kann. „Ein Sturm von derselben Stärke wie vor 100 Jahren hat heute mehr Wasser“, erklärte Hayhoe in ProPublica.

Erschwerend kommt hinzu, dass gewöhnlich ein Hurrikan vor dem Anlanden auf dem Festland das Wasser auf dem Meer aufwühlt, wobei kühle Wasserschichten nach oben kommen, wo sie wie eine Bremse gegen die Wucht des Sturmes wirken. Zwar wühlte auch „Harvey“, doch dabei kam vor allem warmes Wasser an die Oberfläche.

„Der Klimawandel hat Harvey nicht ausgelöst“, schreibt jetzt Klimaforscher Michael E. Mann, „aber er hat ihn verschlimmert und für größere Schäden gesorgt.“ Nach Manns' Untersuchungen ist die Oberflächentemperatur im Meer in den letzten Jahrzehnten um 0,5 Grad Celsius gestiegen. Mann betrachtet auch die Abwesenheit von starken Winden, die „Harvey“ hätten vertreiben können, als eine „Konsequenz von menschengemachter Klimaveränderung.

Laxe Bauauflagen

Ein anderer Faktor, der die Folgen von „Harvey“ verschlimmert hat, sind die laxen Bauauflagen in Harris County, wo Houston liegt. Es ist der County mit dem zweitstärkste Bevölkerungswachstum der USA. Von 2008 bis 2015 wuchs seine Bevölkerung um jährlich mehr als 70.000 Menschen. Erst im vergangenen Jahr, als der Öl- und Gasboom nachließ, verlangsamte sich dieser Trend leicht.

Houston liegt nur rund 15 Meter über dem Meeresspiegel und befindet sich inmitten eines Feuchtgebietes, das bekannt für Überflutungen ist. In den 40er Jahren legte die Armee deswegen zwei Reservoirs westlich von Houston an, die bei Stürmen Wasser auffangen können. Die Reservoirs, Addicks und Barker, sollten verhindern, dass die Innenstadt überschwemmt wird und dass der Buffalo Bayou der Houston von West nach Osten durchquert, über die Ufer tritt. Laut ursprünglichem Plan versickert das Wasser aus den Reservoirs allmählich im Boden.

Doch die Reservoirs, die in den 40er Jahren weit von der Innenstadt in einem kaum besiedelten Gebiet lagen, sind längst von Wohngebieten umzingelt. Viele dieser Häuser am Rand der Reservoirs sind in diesen Tagen besonders gefährdet. Denn die Armee hat nach „Harvey“ Wasser aus den bis zum Rand gefüllten Reservoirs abgelassen, um eine Flutwelle in die Innenstadt zu verhindern.

Auffangbecken reichen nicht

Mit der Bebauung von Harris County wurde das Feuchtland immer weiter zuasphaltiert. Das Prairiegras mit seinen meterlangen Wurzeln, das ursprünglich Wasser von Überschwemmungen in die Tiefe leitete, verschwand. Trotz Auffangbecken für Flutwasser, die Hausbauer anlegen müssen, kommt es schon bei „normalen“ Stürmen zu Überschwemmungen. Laut John Jacobs von der texanischen A&M Universität sind zwischen 1996 und 2011 fast 25 Prozent des Feuchtlandes von Harris County versiegelt worden.

Umweltschutzgruppen und Forscher schlugen Alarm. Der langjährige Chef von Houstons „Flut-Kontroll-Behörde“ hingegen sah das anders. Der inzwischen verrentete Mike Talbott nannte es „absurd“, dass die Prairie „wie ein magischer Schwamm“ funktioniere.

Aber in Stadtteilen, die immer wieder unter Wasser stehen, glauben Bürger, dass die Stadt und der County ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt haben. Bei öffentlichen Versammlungen in den zurückliegenden Jahren forderten sie strengere Bauauflagen. Und nach mehreren großen Stürmen in den Jahren 2009, 2015 und 2016 zogen einige von ihnen vor Gericht.

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