Hochseewindpark: Stadtwerke-Coup auf dem Meer
Ein süddeutscher Stadtwerkeverbund baut einen Hochseewindpark in der Nordsee. Die kommunalen Versorger verringern so die Abhängigkeit von den großen Konzernen.
Ist es zukunftsfähig, wenn Stadtwerke in riesige Windkraftparks in der Nordsee investieren, um Kommune und Bevölkerung künftig auf diese Weise mit erneuerbarem Strom zu versorgen? Kommt drauf an, wen man fragt. Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sagt, es sei definitiv "der richtige Weg". In dieser Woche hat die SüdWestStrom, ein Zusammenschluss aus knapp sechzig süddeutschen Stadtwerken, einen Coup gelandet: Man hat sich entschieden, zusammen mit dem Emdener Windparkunternehmen Bard das 1,5 Milliarden Euro teure Projekt "Offshore Windkraftwerk Ocean Breeze" in der Nordsee zu realisieren. SüdWestStrom wird 70 Prozent des Parks erwerben. Eigenkapitalanteil der Stadtwerke: 500 Millionen Euro. Weiterer Beteiligter ist ein Konsortium aus Hessen. "Dieses Projekt kann den Durchbruch bringen", sagt Fell. Grund: Anders als bei Projekten der großen Energiekonzerne stehe hier nicht die Verteidigung von Kohle- und Atomstrom im Vordergrund.
Der Hochseewindpark liegt knapp hundert Kilometer nordwestlich von Borkum und soll mit 80 Windrädern in 40 Meter tiefem Wasser eine Leistung von 400 Megawatt haben. Das bedeutet erneuerbaren Strom für 1,2 Millionen Menschen. Es ist der bisher weltweit größte, am weitesten im Meer und am tiefsten im Wasser gelegene Windkraftpark. Bard arbeitet dabei mit einem eigenen Fundamentkonzept, bei dem jedes Windrad auf drei Beinen steht.
Das junge Unternehmen hat 1.300 Mitarbeiter und will demnächst zu den weltweit führenden Offshore-Windkraftanlagen-Bauern gehören. Die Kooperation mit dem Stadtwerke-Verbund ist der Prototyp. Ihr Zustandekommen verdankt sich der Finanzkrise, als deren Folge sich die Bank, die das Projekt vorfinanzierte, neue Partner suchen musste.
Die SüdWestStrom wiederum war seit längerem auf der Suche nach einer Quelle von erneuerbarer Energie. Das gilt speziell für den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, den Aufsichtratsvorsitzenden der SüdWestStrom Windpark GmbH. Nachdem der erklärte Klimapolitiker sich mit den Tübinger Stadtwerken und SüdWestStrom in einer komplizierten Situation am geplanten Bau eines klimafeindlichen Kohlekraftwerkes in Brunsbüttel beteiligt hatte, wurde er parteiintern "Kohlen-Palmer" gescholten. Tübingen ist mit 8 Megawatt beteiligt, das soll etwa 10 Prozent des Strombedarfs der Stadt abdecken. Konstanz hat, zum Beispiel, 1 Megawatt. Es gibt auch kleine Kommunen, die einen Minianteil haben. Und es gibt Kommunen, die nicht mitmachen, weil sie sich lieber an die vier großen Energiekonzerne in Deutschland anlehnen. Man kann auch von denen Windkraft bekommen.
Das Megaprojekt in der Nordsee hat eine politische Kante. Es geht darum, durch eigene Erzeugungskapazitäten die Unabhängigkeit der Stadtwerke zu erhalten oder zu vergrößern und damit, so Palmer, "die Abhängigkeit von den vier großen Konzernen zu reduzieren". Grundlage sei Rückendeckung aus der Gesellschaft. Man produziere klimafreundlichen Strom, "weil die Bürger von den Stadtwerken eine Vorreiterrolle bei den erneuerbaren Energien erwarten".
Die Zusammenarbeit könne "ruhig ein Modell" sein, heißt es bei Bard. "Es passt natürlich, wenn kommunale Versorger ihren eigenen Strom erneuerbar erzeugen", sagt Andreas Kölling, Sprecher der Bard-Gruppe. Bard plant insgesamt zwölf Offshore-Parks, davon neun in Deutschland. Im Spätsommer 2011 sollen laut Kölling alle Anlagen stehen.
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