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Hitzlspergers Coming-outWarum er ein Held ist

Thomas Hitzlsperger ist schwul. Neben staatstragenden Gratulationen wächst die Erkenntnis, dass seine Message erhört wurde. Bloß welche?

Im Falle von Hitzlsperger ist das Outing mehr als nur eine persönliche Angelegenheit. Bild: imago

Selbst gewöhnliche Menschen, die wir im Zweifelsfall alle sind, würden unter der Last dieser Gratulationen schier ersticken: Die öffentlichen Reaktionen auf Thomas Hitzlspergers Coming-out in der Wochenzeitung Die Zeit fielen überwältigend positiv aus.

Selbst aus dem Kanzlerinnenamt, übermittelt durch Regierungssprecher Steffen Seibert, kam gewogenste Resonanz. Man fragt sich als gewöhnlicher Homosexueller: Hat man bei irgendeinem anderen schwulen Mann je gehört, dass man ihm nach seinem Coming-out fast schulterklopfend anmachte: „Mensch, Klasse, krass, prima, finde ich einfach super, dass du nicht auf Frauen stehst, sondern in einem prinzipiellen Sinne lieber mit einem Mann dein Liebesleben teilen möchtest.“ Nein, eine solche Reaktion ist nicht überliefert, von beinah niemandem.

Dass die Kinder schwul werden könnten, gehört nach wie vor zu den größten Ängsten von Eltern, die um ihre dynastischen Hoffnungen bangen: Er soll doch mal Enkelkinder bringen, der Kleine. Homosexualität ist wie eh und je, auch in diesen liberalen Zeiten, eine persönliche Eigenheit, die niemand freiwillig in sich tragen möchte.

Auf einem anderen Blatt steht derweil, dass der Prozess des Coming-outs die Selbstakzeptanz erheblich steigert - das ist überhaupt der ganze Kern dessen, was als Coming-out (und: Going-public) verstanden wird. Aber die Gewöhnlichkeit des Homosexuellen ist noch längst keine.

Heterosexualität als Ziel

Jüngst erst gründete sich in Baden-Württemberg eine Art konservative Basisinitiative, die sich sehr entschieden dagegen verwendet, wie es ein Vorschlag der grün-roten Landesregierung formuliert, dass es im Schulunterricht des Bundeslandes bessere, stärkere und überhaupt nicht diskriminierende Aufklärung über Schwule und Lesben, Trans und Inter gibt.

Nein, allen Hitzlspergers zum Trotz: Schwules oder lesbisches Leben, jedenfalls eines, das dem Mutter-Vater-Kind(er)-Schema zuwiderläuft, möchten die Mitglieder dieser Initiative nicht vermittelt wissen. Heterosexualität als pädagogisch fundiertes Ziel - das wollen sie. Dieser Fall muss als Indiz für eine gewichtige Atmosphäre jenseits der - ja, so muss es gesagt sein - glamourösen Performance des „Hammers“ Thomas Hitzlsperger genommen werden: Die eigenen Kinder sollen aber bitte weiterhin schön normal werden.

Der Fußballer selbst, dieser nicht mehr ganz so junge Mann, hat eine Heldentat vollbracht. Aber was zählt, ist nicht sein Gespräch mit der Zeit, das war lediglich die Voraussetzung. In einer Videobotschaft teilte Hitzlsperger Mittwochnacht mit, für ihn und seine Familie ändere sich gar nichts. Hörte man seine Stimme, klang das auch nicht wie eine Ausrede, sondern wie eine coole Beschreibung dessen, was ist. Er ist ein selbstbewusster Typus von schwulem Mann, den es jenseits bohemistischer Zirkel einst nicht gegeben hat: Kein Künstler, sondern, im Bild des Mainstreams gesehen, ein Kerl, der mitten in der zentralen Männlichkeitsdisziplin (Fußball) verankert ist.

Er sagte in diesem Statement nämlich: „Homophobe haben jetzt einen Gegner mehr.“ Das ist der Satz, der zählt. Hitzlsperger hätte es mit dem Zeitungsgespräch belassen können. Aber er setzte nach. Teilte mit, er wolle dazu beitragen, dass das Klischee vom schwulen Weichei nicht mehr fraglos verwendet werden kann. Ihm sei es recht, gerade vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi sich zu outen, da doch in Russland selbst das Sprechen über Homosexuelles strafrechtlich verfolgt werden kann. Und er wolle etwas gegen das Machotum im Fußball tun.

Im gesellschaftlichen Duschraum ausgerutscht

Das ist ein ziemlich fettes Programm für einen 31jährigen Mann – aber er hegt diese Ambitionen, und es ist gut so, dass da einer nicht verdruckst einräumt, nichts bekennt, nichts zugibt: Das Schwulsein des Thomas Hitzlsperger ist politisch symbolisierbarer als vieles sonst im Liberalisierungsbereich der „sexual otherness".

Dass jetzt viele so tun, etwa der Kollege Frank Lübberding in seinem Blog „wiesaussieht“, als kämpfe da die halbe liberale Welt und mit ihr Thomas Hitzelsberger – auch die Spiegel Online-Sportredaktion, die spekuliert, es könne sich womöglich nur um eine PR-Aktion handeln – das ist naiv. So sehr naiv, dass man es kaum glauben kann: Wenn es tatsächlich eine performative Oberfläche, um diesen halbakademischen Ausdruck zu benutzen, gab (ja: der Imperfekt ist jetzt gerechtfertigt), in der es heterosexualisiert-lüstern um Schwanzlängen, Weiberflachlegephantasien und Männerkörperrivalitäten ging, dann doch die des Fußballs.

Jedes Wochenende sowie an vielen Wochentagen in den Mannschaftskabinen: Da tobt das raue Leben, das nicht das des Sexuellen ist, sondern das der erotisiert aufgeladenen Kameraderie. Mit Thomas Hitzlsperger ist der exklusive Zirkel der Machowelt so über die eigene Seife im gesellschaftlichen Duschraum ausgeglitscht, dass es nur so eine Freude ist.

Thomas Hitzlsperger mag einen strammen Schuss gehabt haben. Der echte Hammer ist sein Outing, ist sein smarter Tonfall, die ganze Chose als mehr als nur eine persönliche Angelegenheit zu nehmen. Und das war, das ist auch gut so!

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10 Kommentare

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  • L
    Lowandorder

    JAF - klar

     

    auch einer , der Helden braucht.

  • H
    Hmm.

    "Homosexualität ist wie eh und je, auch in diesen liberalen Zeiten, eine persönliche Eigenheit, die niemand freiwillig in sich tragen möchte." - Seltsame Feststellung. So wie Schwule nicht Frauen in Männerkörpern sind, sondern Männer in Männerkörpern, so sind die Schwulen, die ich kenne, ausgesprochen happy mit sich und ihrer Identität. Und auf die Menschen, die sich damit schwertun, verzichtet man im Leben.

  • W
    Werwiewas

    Diese ganze sogenannte Coming Out ist lächerlich.

    Erstens zeigt es, dass sich Fußballspieler so furchtbar wichtig nehmen wie es der Fußball selbst ist.

    Zweitens interessiert mich überhaupt nicht, welche sexuellen neigungen ein Mensch hat, ob Sportler, Politiker oder wer auch immer.

    Diese Geschichte ist einfach völlig überflüssig.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "... es könne sich womöglich nur um eine PR-Aktion handeln" - dann dreht Bully vielleicht nun einen Film über die "strammen Kerle der Bundesliga"!?

  • B
    Balduin

    "Homosexualität ist wie eh und je, auch in diesen liberalen Zeiten, eine persönliche Eigenheit, die niemand freiwillig in sich tragen möchte."

    Ach ja? Ich glaube nicht, daß alle Homosexuellen das so empfinden. Warum überhaupt ein "coming out"? Geht es irgendjemanden in dieser Gesellschaft überhaupt etwas an, was andere im Bett treiben und wo sie ihr Ding reinstecken? M.E. sorgen die ganzen spektakulären Outcomer selbst mit dafür, daß Homosexualität überhaupt noch diskutiert wird. Eine klare Haltung im Sinne von "Wir sind niemandem Rechenschaft über unsere Sexualität schuldig, wäre hier sinnvoller. Oder wie würden Heterosexuelle reagieren, wenn die Gesellschaft einen Anspruch auf Einblicke in ihre Bettgeschichten erheben würde?

    • SW
      So wird ein Schuh draus
      @Balduin:

      Wenn die Gesellschaft aufhört davon auszugehen, dass jeder Mensch heterosexuell sei, braucht der einzelne Homosexuelle auch kein Comingout mehr. So lang ein Junge noch gefragt ob er denn schon eine Freundin habe, so lange bleibt ihm kaum anderes, als irgendwann klar zu stellen, dass er schwul ist.

  • G
    Gaststar

    Warum soll der Hitzelsperger ein Held sein?

    Weil er mit seinem Outcoming so lange gewartet hat, bis er nicht mehr so sehr in der Öffentlichkeit steht?

    Er wäre vielleicht ein Held gewesen, wenn er das noch während seiner aktiven Fußballerlaufbahn gemacht hätte. Aber das nun nach Ende der Karriere zu machen, das entlockt mir nur das Wort Feigling.

    • @Gaststar:

      So so, und was hat der Gaststar als tolle politische Leistung zu bieten, dass er sich es herausnimmt, den Hitzlsperger als ´Feigling´ zu qualifizieren?

      Leeres Kommentaregeblubber ist frei von Risiken und Nebenwirkungen, aber persönliches Engagement wie das von TH hat eine erhebliche bewusstseinsbildende Wirkung, wie sich an den massenhaften Reaktionen quer durch die gesamte deutsche Medienlandschaft zeigt.

      Bravo Thomas, das war ein echter Hammer.

  • M
    MI2

    Herr Feddersen (oder sollte ich lieber "Vedderssen" o.ä. schreiben?), Sie äußern sich die ganze Zeit über einen gewissen Herrn "Hitzelsberger" oder "Hitzelberger".

     

    Was steckt dahinter? Gedankenlosigkeit? Oder nicht vielleicht auch ein gewisser Grad an Respektlosigkeit?

    Mensch, Sie als Journalist sollten doch mittlerweile sehr gut wissen, wie sensibel viele darauf reagieren, wenn ihr Name falsch geschrieben wird.

     

    Und: Es tut mir waaaaahnsinnig leid, dass Sie offenkundig nicht so recht für Ihr Outing bejubelt worden sind.

    Das geht den meisten so. Mir persönlich war das entspannte "Na und? Hauptsache, Du bist glücklich. Ich mag dich so wie Du bist." wesentlich lieber.

  • 1
    1893

    Hitzlsperger nicht Hitzlsberger!!!