Historischer Roman von Marcello Simoni: In Gegenwart des Todesengels
Ein Inquisitor ermittelt: „Das Grab der Seelen“ von Marcello Simoni ist ein historischer Thriller voll scharfer Sprache.

Von Theologen erwartet man mitunter, dass sie sich „mehr um christliche Themen kümmern“ (Markus Söder). Als Kriminalkommissare sieht man sie in der Regel nicht. In der Literatur verhält sich das anders. G. K. Chesterton etwa wurde bekannt mit seiner Krimireihe um die Figur des Father Brown, und Umberto Eco schuf mit seinem Klassiker „Der Name der Rose“ von 1980 einen historischen Krimi, dessen Rahmenhandlung um eine Mordserie in einer Benediktinerabtei im Mittelalter kreist.
Marcello Simoni: „Das Grab der Seelen“. Übersetzt von: Ingrid Ickler. Folio Verlag, Wien: 2025. 287 Seiten, 22 EUR
Der italienische Schriftsteller Marcello Simoni steht mit seinem historischen Thriller „Das Grab der Seelen“ in dieser Tradition. Auch bei ihm geht es um einen Mordfall, in dem Patres ermitteln. Die Geschichte spielt zur Zeit der Inquisition im 17. Jahrhundert in der Stadt Ferrara. Dorthin werden der Inquisitor Girolamo Svampa und der Sekretär der Inquisition Francesco Capiferro entsandt, um die Umstände zu klären, unter denen der Kabbalist Solomon Cordovero auf dem Boden des örtlichen Jesuitenklosters ermordet wurde.
In Ferrara bekommen sie Konkurrenz durch den dort waltenden Inquisitor Pablo de’ Francis. Der begegnet ihnen mit Misstrauen und versieht sein Amt zudem mit einem fanatischen Aktionismus, der die in erster Linie an Fakten interessierten Svampa und Capiferro abstößt. Denn de’ Francis schreckt ebenso wenig vor dem Verbrennen kabbalistischer Literatur wie vor brutaler Folter zurück. Er verkörpert im Buch den aggressiven Antisemitismus der katholischen Kirche in seiner heftigsten Form.
Reiz des Romans ist auch der scharfe Ton
Im jüdischen Ghetto Ferraras, wo Svampa und Capiferro zu ermitteln versuchen, stoßen sie unter den Rabbinern daher zunächst auf Furcht und Misstrauen. Erst nach und nach können sie ihr ernstes Bemühen um Aufklärung glaubhaft machen, wobei sie zugleich gegen den scheinbar blinden Furor von de’ Francis anzuarbeiten versuchen.
Ein Reiz des Romans ist insbesondere der scharfe Ton, in dem die Theologen sich untereinander Wortgefechte liefern. An einem Strang ziehen diese Brüder keinesfalls. Neben dem Antisemitismus während der Inquisition geht es Simoni, der selbst zehn Jahre lang in der Bibliothek des Erzbischöflichen Seminars von Ferrara arbeitete, um die Lehren der jüdischen Mystik, die de’ Francis einerseits mit Feuer bekämpft und denen Svampa und Capiferro andererseits nachforschen, um den Mörder von Solomon Cordovero zu finden.
Denn das Wissen Cordoveros und der Rabbiner hat mit dessen Tod ebenso viel zu tun wie die folgenden Morde, die für weitere Suspense sorgen. Im Zentrum der mystischen Fragen steht das „Sefer Jetzira“, das kabbalistische „Buch der Schöpfung“, auf dessen Lehren mutmaßlich auch die Geschichte des Golem zurückgeht. Die Idee eines Geschöpfs, das von Menschenhand erschaffen und dessen Handlungen von seinem Schöpfer bestimmt werden können, greift Simoni in mehreren überraschenden Wendungen auf.
Einen Schönheitsfehler hat die deutsche Übersetzung dabei: Hebräisch geschriebene Wörter sind gegen die Laufrichtung, die eigentlich von rechts nach links geht, im Text in umgekehrter Buchstabenfolge gedruckt. „Das Grab der Seelen“ ist kein historischer Roman im strengen Sinn, da die meisten seiner Figuren fiktiv sind.
Simoni orientiert sich jedoch am historischen Stadtbild Ferraras und hat ein paar reale Persönlichkeiten eingearbeitet, darunter die jüdische Mäzenin Dolce Fano, die im Ghetto Ferraras lebt und für den Verlauf der Ereignisse eine wichtige Rolle spielt. Wie alle Figuren des Romans ist seine Dolce Fano nicht übermäßig komplex angelegt. Simoni macht damit aber zumindest ein wenig die weitgehend ungeschriebene Geschichte von Frauen gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!