Hinrunden-Bilanz FC St. Pauli: Stärker als gedacht
Nach dem 2:0-Sieg gegen Fürth steht der FC St. Pauli am Ende der Zweitliga-Hinrunde auf Platz vier. Dabei wäre dieser Kader in der letzten Saison fast abgestiegen.
Der Fortschritt: Obwohl der Kader des Zweitligisten noch immer fast derselbe ist, der vergangene Saison beinahe abgestiegen wäre, zeigt die Mannschaft nun ein verändertes Gesicht. Die Defensive wirkt weitgehend stabil, die Offensive ist immer für Tore gut, Rückschläge werfen das Team nicht mehr aus der Bahn. Der Entschluss der sportlichen Leitung, trotz mäßiger Leistungen in der Vorsaison auf personelle Konstanz zu setzen, hat sich als richtig erwiesen.
Der Trainer: Markus Kauczinski hat bei vielen Fans zwar noch immer wenig Kredit, leistete aber in dem gut einen Jahr, das er die Mannschaft jetzt betreut, gute Arbeit. Viele Spieler haben sich weiterentwickelt, eine Spielidee ist erkennbar, die Joker, die der Cheftrainer einwechselt, stechen fast immer. Logisch, dass der Vertrag des 48-Jährigen in diesem Monat bis 2020 verlängert wurde.
Die neue Effizienz: Viele Spiele hat der FC St. Pauli glücklich gewonnen, der Gegner war oft das bessere Team. Glücklich? Vielleicht auch einfach effizient. Die Hamburger schaffen es derzeit ganz einfach, aus wenig Chancen mehr Tore zu machen als ihre Gegner.
Die Neuen: Mit dem Kauf von Defensivspieler Marvin Knoll und Stürmer Henk Veerman präsentierte der Verein seinen Fans im Sommer nur zwei neue Gesichter im Kader. Zudem wurde der bislang von Freiburg nur ausgeliehene Mittelfeldspieler Mats Möller-Daehli endgültig verpflichtet. Alle drei Spieler entwickelten sich zu Leistungsträgern und machen die Abgänge von Aziz Bouhaddouz und Lasse Sobiech vergessen. Gegen Fürth schoß Knoll die Ecke zum 1:0-Führungstreffer, Vermann verlängerte und Möller-Daehli bereitete das 2:0 mustergültig vor.
Der Kader: Kaum ein Zweitliga-Kader hat in der Breite so viel Qualität wie der des FC St. Pauli. Fast jeder Spieler ist gleichwertig zu ersetzen. Die jungen Wilden wie Jeremy Dudziak (23), Richard Neudecker (20) oder Florian Carstens (20) haben sich in die Elf gespielt und machen den alten Hasen Druck. So erzielte Carstens gegen Fürth bei seinem Heimspiel-Debüt das 1:0. Das 2:0 markierte per Kopf Ryo Miyaichi, der nach zweijähriger Verletzungspause endlich wieder zur Verfügung steht und damit den internen Konkurrenzkampf weiter anfacht.
Die Konkurrenz: Mit den Bundesliga-Absteigern 1. FC Köln und HSV marschieren zwei Mannschaften vorneweg, deren Etat erstligareif geblieben ist und deren Kader gehobenen Ansprüchen genügen. Schwächeln beide Teams nicht unerwartet, wird ihnen der direkte Wiederaufstieg gelingen. Der Relegationsplatz, der am Saisonende zu zwei Spielen gegen den Bundesliga-Drittletzten um den letzten freien Platz in der Ersten Liga berechtigt, wird derzeit von Union Berlin besetzt. Die Berliner haben den Kader massiv aufgerüstet und sind neben Borussia Dortmund das einzige Team im deutschen Profifußball, dass im Liga-Betrieb noch ungeschlagen ist. Auch an den Berlinern werden die Hamburger deshalb nur schwer vorbeikommen. Dafür haben sie aber schon vier Punkte Vorsprung zum Tabellennachbarn Holstein Kiel und damit ein kleines Polster zum oberen Mittelfeld.
Die Finanzen: Der FC St. Pauli wirtschaftet weiter solide. Der Verein präsentierte vor wenigen Tagen zum siebten Mal in Folge schwarze Zahlen – einen Überschuss für den Gesamtkonzern von 410.000 Euro. Da der Verein – anders als die Konkurrenz in der Liga – keine Anteile und nicht einmal den Stadionnamen an Investoren verkaufen will, plant er nun – quasi nach taz-Vorbild – sich über den Verkauf von Genossenschaftsanteilen an die Fans frisches Kapital zu besorgen, um konkurrenzfähig zu bleiben.
Die Prognose: Zum Aufstieg wird es nur reichen, wenn Köln, der HSV oder Union Berlin aus dem Tritt geraten. Aber aufgrund der neuen Konstanz der Mannschaft ist eine Platzierung zwischen Rang vier und sechs am Saisonende wahrscheinlich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen