: Himmel hilf: Das Wahl-Wunder
Der Bremer Parteienforscher Lothar Propst hält bei der Bundestagswahl noch ein rot-grünes Wunder für möglich, aber es wird höllisch schwer für die Regierungsparteien. Die CDU muss dagegen bis zum 22. September nur noch Fehler vermeiden
Abgeschlagen liegt die rot-grüne Koalition in allen Umfragen hinter dem bürgerlichen Lager. Eine Panne jagt die nächste. Und SPD-General Franz Münterfering legt sich auch noch mit der gesamten Presse an. Balsam auf seine Wunden kommt jetzt aus Bremen: Lothar Probst, Parteienfoscher an der Uni Bremen schließt nicht aus, dass Rot-Grün mit einem „enormen Kraftakt“ noch ein „politisches Wunder“ schafft. Dabei denkt der Wissenschaftler nicht an Schützenhilfe à la Barschel: „Ich glaube nicht, dass Herr Schreiber aus Kanada Beweise für eine tiefe Verstrickung von Stoiber in die Spendenaffäre liefert.“
Zwar hält Probst einen rot-grünen Sieg für wenig wahrscheinlich, aber er ist sicher, dass die Regierungsparteien noch mal kräftig aufholen, bis hin zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen.
Neue Themen wie der Krieg gegen den Irak oder die Ergebnisse der Hartz-Kommission würden den Regierungsparteien noch einmal Auftrieb geben, so Probst. Sogar der Himmel könne den zuletzt glücklosen Koalitionären noch zu Hilfe kommen: Die Wetterkapriolen seien für die Menschen eine „fundamentale Erfahrung“, die die Klimapolitik ins Zentrum des Interesses rücken könnte, wo die Regierung etwas vorzuweisen habe. Sie müsse solche Themen nun nutzen, um darzustellen, dass es sich um eine Richtungswahl handele. Beispiel Außenpolitik: Das Duo Schröder/Fischer als Garanten für außenpolitische Kontinuität gegen Stoiber/Westerwelle zu positionieren verspreche Erfolg. Die Herausforderer hätten zwar von der schlechten Stimmung gegen die Regierung profitiert, aber Vertrauen in eine Regierung Stoiber habe sich daraus nicht entwickelt. Die Folge: Keine Wechselstimmung.
Die CDU muss laut Probst jetzt vor allem Fehler vermeiden und ihre Geschlossenheit bewahren. Dann könne ihr nicht mehr viel passieren. Dass Propst sich dennoch nicht auf einen Wahlsieger festlegen will, begründet er vor allem mit dem Wandel des Wählerverhaltens. Diesmal seien besonders viele WählerInnen kurz vor der Wahl noch unentschlossen. Deswegen könnte den Fersehduellen zwischen Schröder und Stoiber besondere Bedeutung zukommen. Und da sieht der Politologe den amtierender Kanzler im Vorteil, da vor allem politisch weniger Interessierte mehr auf das Auftreten als auf die Inhalte achten würden. jank
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