Hilfen für Griechenland: Horror vor dem Schuldenschnitt
Die Koalition stimmt mit SPD und Grünen für erneute Griechenland-Hilfen. FDP-Fraktionschef Brüderle öffnet der Koalition die Hintertür für noch mehr Hilfen.
BERLIN taz | Rainer Brüderle ist der Haudrauf des Bundestags. Niemand drischt so fürchterliche Phrasen wie der FDP-Fraktionschef, niemand bemüht so zotige Metaphern, niemand nuschelt so abgedroschene Wortspiele. Doch in der Debatte über die neuen Milliardenhilfen für Griechenland sorgt Brüderle nicht nur für Lacher, es lohnt sich ausnahmsweise mal, genau hinzuhören.
Zunächst legt Brüderle am Freitag am Rednerpult im Plenarsaal wie gewohnt los, schimpft über den „Sozialismus light“ von SPD und Grünen und versteigt sich zu der steilen These, die rot-grüne Programmatik blähe den Staatsbürokratismus in Deutschland so auf, wie es in Griechenland früher passiert sei. Dann sagt er: „Es ist – Stand heute – nicht auszuschließen, dass weitere Maßnahmen nötig werden.“ Schließlich seien ja alle „Anhänger der Dominotheorie“, wonach ein Staatsbankrott Griechenlands andere EU-Länder mit in den Abgrund reißen würde.
Daran ist zweierlei bemerkenswert: Brüderle brüskiert seinen Parteivorsitzenden und deutet an, dass längst er selbst das Sagen in der FDP hat. Wirtschaftsminister Philipp Rösler, der ein paar Meter weiter ins Leere starrt, war noch im Sommer mit dem Satz durch die Lande gezogen, eine Insolvenz Griechenlands habe für ihn den Schrecken verloren. Zweitens, und dies ist wichtiger, öffnet Brüderle der Regierung eine große Hintertür.
44 Milliarden Euro neue Hilfen für Griechenland, für Deutschland werden aus dem Haushalt 2013 rund 730 Millionen Euro fällig. Die Koalitionsfraktionen, SPD und Grüne stimmen dafür, nur die Linkspartei votiert dagegen. Wieder mal steht die ganz große Mehrheit für die Euro-Rettungspolitik. Und unter all dem liegt die Erkenntnis, dass dies wohl nicht reicht, sondern einen Schuldenschnitt nur hinauszögert.
Echte Ausschlüsse sind nicht zu hören
Finanzminister Wolfgang Schäuble spricht vor Brüderle. „Ein Schuldenerlass setzt falsche Anreize“, sagt er. Warum solle Griechenland dann noch sparen? Unions-Fraktionschef Volker Kauder assistiert. Es sei abwegig, über Schuldenschnitte zu sprechen. Schließlich würden dann andere Länder wie Spanien oder Portugal um Nachlässe bitten. Das klingt alles recht entschieden, aber echte Ausschlüsse eines solchen Szenarios sind von Schwarz-Gelb nicht zu hören.
SPD und Grüne spielen das Spiel, einen Schuldenschnitt zwar nicht zu fordern, aber seine Unvermeidlichkeit herauszustellen – und die Koalition der Verschleierung zu bezichtigen. „Sie scheuen die Wahrheit wie der Teufel das Weihwasser“, ruft SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Und sein Grünen-Kollege Jürgen Trittin lästert über den „Schleiertanz“ von Schwarz-Gelb. Es wird nicht die letzte Bundestagsbefassung zu Griechenland gewesen sein – Brüderle ist der Beweis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu