Hilfe während Corona: Essen auf Rädern

Die Ausgabestellen der Berliner Tafel mussten wegen der Corona-Krise schließen. Die Hilfe läuft aber trotzdem weiter

Tüten packen: Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bringen die Lebensmittel bis vor die Tür Foto: dpa

Die meisten der 1.600 Ehrenamtlichen, die sich in Normalzeiten für die Berliner Tafel und in den Ausgabestellen Laib und Seele engagieren, müssen zu Hause bleiben: Als Rentner*innen gehören sie zur Corona-Risikogruppe. Auch fast alle 45 Abholpunkte sind geschlossen, wo sonst 50.000 Berliner Bedürftige Lebensmitteln erhalten, die sonst im Müll gelandet wären. 900 neue Ehrenamtliche, durchweg Studierende, Schüler und Freiberufler haben sich gemeldet, die jetzt die Sortier- und Verteilarbeit übernehmen. „Wir sind von Anfragen geradezu überrannt worden und brauchen im Moment keine weiteren Freiwilligen“, sagt Sabine Werth. Sie ist die Mitgründerin und ehrenamtliche Vorsitzende der Tafel. Finanzielle Unterstützung dagegen sei nötig, Spenden hochwillkommen.

Für das Sortieren kann der Verein auf dem Großmarkt in der Beusselstraße im Moment nicht nur die eigenen Räume nutzen, sondern bekam von der Großmarkt GmbH eine weitere Halle zur Verfügung gestellt. In angemessenem Abstand stehen dort nun Tische, auf denen mit Mundschutz und Handschuhen ausgestattete Freiwillige das angelieferte Gemüse, Obst und Brot sortieren. Das kommt nicht nur von den 850 Supermärkten, Gaststätten, Produzenten und Märkten, mit denen die Berliner Tafel auch sonst zusammenarbeitet.

Auf der Abholliste stehen gegenwärtig 1.400 frühere Spender. „Viele Hotels und Restaurants räumen ihre Lager und Kühlschränke. Nachdem wir in den ersten Krisentagen deutlich weniger bekommen hatten als sonst, ist es jetzt irre viel“, berichtet Werth. Als weitere Herausforderung kommt hinzu, dass etwa die Hälfte ihres 32-köpfigen Teams gegenwärtig im Homeoffice arbeitet.

Doch Werth ist guter Dinge – denn es tun sich neue Möglichkeiten auf: „Es gibt eine Solidarität von allen Seiten.“ So schickten die Rebel Riders von Extinction Rebellion der Tafel eine Mail und boten ihre Hilfe an. „Das ging alles schnell und unkompliziert,“ berichtet Max Reymann von der Projektgruppe. An vier Wochentagen sind die Radler*innen nun unterwegs, um bedürftigen Menschen Tüten mit Lebensmitteln vor die Tür zu stellen. Dafür nutzen sie Lastenräder – die der Verkehrsclub ADFC kostenlos zur Verfügung stellt. „Wir hatten einen Aufruf gestartet, dass sich Privatleute und Organisationen bei uns melden können, wenn sie Lastenräder für gemeinnützige Zwecke brauchen,“ berichtet Koordinator Thomas Büermann.

Tüten vor die Türen

Private Nachbarschaftsnetzwerke nutzen inzwischen 30 dieser Gestelle, um für gefährdete Personen Einkäufe zu erledigen. In den nächsten Tagen will auch die Obdachlosenhilfe Karuna auf diese Weise Lebensmittel an die Obdachlosen verteilen. „Ist doch super – alles klimaneutral“, freut sich Werth. Normalerweise arbeitet die Tafel nicht mit staatlichen Stellen zusammen, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Doch weil es in Notzeiten schnell gehen muss, hat Werth vor ein paar Tagen beim Senat angeklopft und um Unterstützung durch das Technische Hilfswerk gebeten.

Kurz danach standen ein Lkw und ein Kastenwagen inklusive vier Fahrern zur Verfügung, die nun den Fuhrpark der Tafel ergänzen. Sie sammeln die Lebensmittel ein, bringen sie zum Sortierpunkt und transportieren die gepackten Tüten anschließend zu den Laib-und-Seele-Standorten.

Die sind in in der ganzen Stadt verteilt in Kirchenräumen untergebracht; normalerweise gehen Bedürftige selbst dorthin und nehmen die Lebensmittel mit. Gegenwärtig aber sind nur noch drei Stationen geöffnet. Weil aus Datenschutzgründen keine Adressen der Kund*innen gespeichert werden, müssen die sich nun von sich aus melden. Die Registrierung läuft über die Gemeindebüros. Schon 6.000 Menschen haben in den letzten Tagen angerufen und wurden danach von den Fahrradkurieren beliefert. Die klingeln in der Regel nur kurz und stellen den Essensbeutel dann vor der Wohnungstür ab.

Vielleicht entwickelt sich da gerade etwas, was auch in Nach-Corona-Zeiten nützlich sein kann, überlegt Sabine Werth. Schließlich schaffen es manche alten und gebrechlichen Menschen nicht mehr, selbst zu den Laib-und-Seele-Ausgabestellen zu kommen. Bisher konnten sie deshalb nicht von der Tafel profitieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.