Hilfe nach dem Erdbeben in der Türkei: Kein Grund zum Aufgeben

Auch 100 Stunden nach dem Erdbeben reisen weitere Such- und Bergungseinheiten in das türkische Erdbebengebiet. Die Opferzahlen steigen stündlich.

Drei Frauen sitzen in Decken gehüllt vor Trümmern

In Kahramanmaras geht die Suche nach Überlebenden auch am Freitag weiter Foto: Suhaib Salem/Reuters

ISTANBUL/ADANA taz | Immer wieder bedanken sich Menschen bei ihnen: In orangefarbenen Overalls sitzen die vier Freiwilligen der britischen Rettungsorganisation Saraid am späten Donnerstagabend am Flughafen Sabiha Gökçen in Istanbul und warten auf ihren Anschlussflug in die türkische Erdbebenregion.

100 Stunden nach dem verheerenden Erdbeben im Südosten der Türkei reisen weiterhin Bergungsmannschaften in die Gebiete. Die Zahl der Todesopfer war zuletzt auf mehr als 21.000 gestiegen. Mehr als 18.000 wurden in der Türkei gemeldet, 3.000 in Syrien. Angesichts winterlicher Temperaturen und immer noch nicht vollständig erschlossener Erdbebengebiete dürften die Zahlen weiter steigen.

Die Einsatzkräfte von Saraid sehen dennoch Hoffnung. Gemeinsam mit ihren Kol­le­g*in­nen von der deutschen Katastrophenschutzorganisation @fire hätten sie am Mittwoch noch ein Kind aus den Trümmern geborgen, sagt Will Selley. Er ist Rettungssanitäter bei Saraid und fliegt mit seinen Kol­le­g*in­nen nach Adana.

Von dort aus wollen sie weiter in das Erdbebengebiet bei Kahramanmaraş fahren, um Einsatzkräfte aus ihrer Gruppe zu unterstützen. Im Gepäck haben sie Werkzeuge zum Biegen, Heben und Brechen von Gebäudebauteilen und Trümmern sowie Kameras und Ortungsgeräte. Am Donnerstag veröffentlichte Saraid ein Video, das den Einsatz einer Spezialkamera zeigt, mit der die Organisation eine Frau in den Trümmern auffinden und bergen konnte.

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Außer den Rettungsmannschaften in ihren leuchtend hellen Klamotten versuchen auch zahlreiche Freiwillige in Eigenregie in das Erdbebengebiet zu gelangen. Da sind drei junge Männer aus Bottrop, die über Instagram Spenden gesammelt haben und diese mit einem Transporter in die Türkei haben fahren lassen. Auch Geld haben sie bekommen, nun wollen sie in die Stadt Urfa fliegen und ihre Sammlungen an die Menschen verteilen. „Wir wollen schauen, was dort am meisten gebraucht wird, und es dann besorgen“, sagt einer von ihnen.

Ümit Iyigüven aus Zürich versucht nach Pazarcık zu gelangen. „Ich suche meinen Opa“, sagt er. In dem Bezirk Pazarcık lag am frühen Montagmorgen das Zentrum der Erschütterung. Um 4.17 Uhr bebte dort die Erde mit einer Stärke von 7,7, und nur wenige Stunden später, um 13.24 Uhr, wurde der Bezirk Elbistan, etwa 60 Kilometer nördlich, von einem Erdbeben der Stärke 7,7 erschüttert.

Oppositionsführer wirft Regierung „Planungslosigkeit“ vor

Iyigüven sagt, er habe sich auch auf den Weg gemacht, weil die staatliche Hilfe in der Türkei nicht rechtzeitig ankomme. Etwa 13 Millionen Menschen leben in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten alleine in der Türkei.

Schwere Vorwürfe wurden am späten Donnerstagabend auch von Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu vorgetragen. In einer Ansprache, die er bei Twitter verbreitete, zitierte der Vorsitzende der kemalistischen CHP aus einer Fehleranalyse, die die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad nach einem schwächeren Erdbeben im November 2022 erstellt hatte. Darin geht die Institution schonungslos mit sich selbst ins Gericht, obwohl bei dem Beben keine Menschen ums Leben gekommen waren: Weder habe man damals rechtzeitig Teams aufstellen können, noch seien diese professionell aufgestellt gewesen.

Kılıçdaroğlus Resümee: „Die ehrbaren Beamten der Afad haben das alles aufgeschrieben. Aber wer hat ihnen zugehört?“ Und: „Das Erdbeben war sehr groß. Noch größer war aber die Koordinations- und Planungslosigkeit.“ Eine Reaktion der Regierung auf diese Anschuldigungen gab es zunächst nicht.

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