piwik no script img

Hilfe für stickoxidbelastete KommunenDer Dieseldreck soll endlich weg

Schadstoffbelastete Kommunen erhalten keine Hilfe, um die Luftverschmutzung zu senken. Bundeskanzlerin Merkel verspricht Abhilfe.

Wer ist sauber und darf durch die Stadt? Foto: dpa

Berlin taz | Auch nach dem Dieselgipfel im Kanzleramt ist nicht klar, wie die unter Luftverschmutzung leidenden Städte in Deutschland schnelle Hilfe bekommen können, um die Schadstoffbelastung zu senken. Bislang sind aus dem Kommunalfonds, mit den Maßnahmen für einen saubereren Verkehr finanziert werden sollen, noch keine Mittel abgeflossen, weil den Städten die bürokratischen Hürden zu hoch waren. Das soll nun besser werden. „Ab Morgen stehen Mittel zur Verfügung“, versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstagnachmittag. Sogenannte Lotsen sollen den Kommunen helfen, nun leichter an das Geld kommen.

Der Fonds hat ein Volumen von 1 Milliarde Euro. 750 Millio­nen steuert der Bund bei, der Rest soll von der Autoindustrie kommen. 250 Millionen sollen die Autokonzerne zahlen, aufgeteilt nach dem Marktanteil ihrer Dieselflotten. Die ausländischen Konzerne halten sich aber zurück.

Diesel-Pkws und Diesel-Kleinlaster gelten als Hauptverursacher dafür, dass an vielen Messstellen in Deutschland die Grenzwerte für die Konzentration der gesundheitsschädlichen Stickoxide nicht eingehalten werden, wie nach dem Abgasskandal einer breiten Öffentlichkeit bewusst wurde. Grund ist: Viele Dieselfahrzeuge stoßen im Normalbetrieb weit mehr Schadstoffe aus, als sie dürfen.

Beim gestrigen Dieselgipfel ging es aber nicht um die Wiedergutmachung durch die Autoindustrie, sondern darum, wie Kommunen andere Emittenten von Stickoxiden, etwa öffentliche Busse oder Taxen, sauberer bekommen können. Kommunen und Bundesregierung wollen damit vor allem Fahrverbote für Privat- und Firmenwagen verhindern, die von den Gerichten verhängt werden dürften, wenn sich die Luftqualität nicht bessert.

Kein Elektrotaxi aus deutscher Herstellung

Der Ein-Milliarden-Fonds steht für das Jahr 2018 zur Verfügung und soll anschließend „verstetigt“ werden, wie Merkel sagte. Bereitgestellt werde das Geld durch eine Neupriorisierung im Energie- und Klimafonds.

350 Millionen Euro aus dem Fonds dienen der Förderung der Elektromobilität. Kaufen Kommunen Elektrobusse – sie fahren auf der Straße schadstofffrei –, so übernimmt der Bund 80 Prozent der Mehrkosten dieser Fahrzeuge im Vergleich zu herkömmlichen Bussen; den Rest muss die Kommune zahlen. Auch will sich der Bund an der Errichtung der Lade­infrastruktur, etwa auf Betriebshöfen kommunaler Busgesellschaften, beteiligen.

Bis zu 500 Millionen Euro können im Bereich Digitalisierung abgerufen werden – das betrifft etwa Parkleitsysteme und die Fahrgast­information. Die Kommunen kritisieren, dass es an Angeboten geeigneter Fahrzeuge, insbesondere aus deutscher Produktion, mangele. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hob hervor, dass es bis heute kein Elektrotaxi deutscher Hersteller gebe.

Die Umweltorganisationen kritisierten die Ergebnisse des Dieselgipfels scharf. „Die Bundesregierung ignoriert weiterhin die Dimension des Problems. Eine Ölpest lässt sich auch nicht bekämpfen, indem man Fingerhüte ausgibt“, sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann. Und der Naturschutzbund Nabu bemängelt: Schon Anfang Dezember könnte die EU-Kommission Deutschland wegen Überschreitung der Luftschadstoff-Grenzwerte verklagen. „Deshalb fordern wir weiterhin unverzüglich die Einführung einer Blauen Plakette und die verpflichtende Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit hohen Abgaswerten auf Kosten der Autohersteller“, sagte Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Warum sich nicht an Kopenhagen ein Beispiel nehmen? Dort fahren 62% (!) der Menschen mit dem Fahrrad zur Arbeit oder Bildungseinrichtung. Nur 9 % fahren mit dem Auto.

    Siehe auch hier: http://www.copenhagenize.eu/index/01_copenhagen.html

    Copenhagen liegt in Sachen fahrradfreundlicher Infrastruktur laut dem Copenhagenize Index 2017 auf Platz eins.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...Herr Rother, wie wär's mit zumindest ein bisschen Kritik an Frau Merkel und der (noch) aktuellen Bundesregierung?

    Der Steuerzahler kommt für die jahrelangen Versäumnisse der Autoindustrie, bzw. der Regierung auf.

    Wie schrieb die SZ so schön "Staatsversagen".

    Das Gerede von Bussen und Taxis mit Elektroantrieb ist doch völlig abwegig und haarsträubend. Diese Fahrzeug fallen nicht einfach vom Himmel, die wachsen nicht in den Parks unserer Städte, will sagen, die Umstellung geht nicht von heute auf morgen.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      "Der Steuerzahler kommt für die jahrelangen Versäumnisse der Autoindustrie, bzw. der Regierung auf."

      Andererseits, wer hat denn jahrelang Autos - auch VW, Audi, BMW... - gekauft?

       

      Es bedarf auch nicht unbedingt Busse mit Elektroantrieb. Bevor das Auto Hauptverkehrsmittel wurde, gab es bereits die Straßenbahn. Die ist auch heute noch die bessere ökologische Alternative, wenn sie mit regenerativer Energie betrieben wird...

      Ansonsten gibt es auch noch das Fahrrad. Die Städte müssten allerdings dafür viel stärker die Straßen an den Fahrradverkehr anpassen.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Manchmal scheinen die Menschen zu glauben, dass E-Busse vielleicht aus Baumwolle gehäkelt werden können. Aber leider nein, auch ein E-Bus wird erhebliche Ressourcen bei seiner Herstellung verbrauchen. Der Verkehr muss nicht emissionsärmer werden, der Verkehr muss weniger werden.

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Das haben Sie schön geschrieben:

    "Diesel-Pkws und Diesel-Kleinlaster gelten als Hauptverursacher dafür, dass an vielen Messstellen in Deutschland die Grenzwerte für die Konzentration der gesundheitsschädlichen Stickoxide nicht eingehalten werden (...)"

    Richtig, an vielen Messstellen wird in Deutschland der Grenzwert überschritten (der übrigens niedriger ist, als der Grenzwert im Büro: 40 gegen 60 Mikrogramm - an Industriearbeitsplätzen liegt der Grenzwert bei 950 Mikrogramm). Interessant ist, dass schon 20-25 Meter von einer Straße entfernt der Wert sich halbiert.

    „Unsere Messungen zeigen, dass sich die Stickoxidwerte schon 20 bis 25 Meter von den Straßen weg halbieren“ KIT-Messingenieur Jürgen Pfeil.

     

    Quelle (und interessant zu lesen) folgender Artikel:

    https://www.welt.de/wirtschaft/article170729036/Schadstoff-Messverfahren-geraten-ins-Zwielicht.html

    • @73176 (Profil gelöscht):

      "Interessant ist, dass schon 20-25 Meter von einer Straße entfernt der Wert sich halbiert."

      Was hilft das den Fahrradfahrer_innen auf der Straße, den Fußgänger_innen neben der Straße und den Anwohner_innen neben dem Gehweg/Straße?

  • Einfach mal Dieselkraftstoff höher besteuern und das Geld ist wieder drin.