Hilfe für finanzschwache Familien: Mit dem Paten zum Klettern
Vielen Familien geht es zu gut für staatliche Hilfe und zu schlecht, um ihren Kindern eine gute Kindheit zu ermöglichen. Die Ehlerding-Stiftung will das ändern.
Das Patenschaften-Projekt der Ehlerding-Stiftung soll Kindern aus Familien, die Unterstützung brauchen und Erwachsene, die sich ehrenamtlich für Kinder engagieren wollen, zusammenbringen. Nach Hamburg und Bremerhaven soll es dieses Jahr in Kooperation mit der Freiwilligenagentur nun auch in Bremen anlaufen.
Das Projekt richtet sich an Kinder aus Familien mit Problemen. Man wolle jene erreichen, die aus dem Radar der Hilfesysteme fallen, sagt Bettina Jantzen. Kinder aus suchtgefährdeten oder gewalttätigen Familien, für die es andere, professionelle Programme gibt, würden nicht aufgenommen. Solche Familien fallen aus dem Patenschaften-Projekt raus, „auch aus Schutz für die ehrenamtlichen Pat*innen“, so Jantzen.
Neben Alleinerziehenden, die etwa 70 Prozent der teilnehmenden Familien ausmachen, richtet sich mitKids vor allem an Familien mit vielen Kindern oder wenig Geld. Eine Patenschaft soll mindestens ein Jahr bestehen, im Grunde ist jedoch ein längerfristiges Engagement erwünscht. „In Hamburg läuft das Projekt seit 2007 und einige Patenschaften bestehen auch schon seit damals“, berichtet Jantzen.
Langfristig- und Regelmäßigkeit sind dabei Schlüsselfaktoren. Die Kinder sollen ohne Lernziele mit ihren Pat*innen einmal in der Woche für rund vier Stunden eine schöne Zeit haben und von der ungeteilten Aufmerksamkeit profitieren. „Ziele, wie die Stärkung des Selbstwertgefühls oder die Förderung von Sozial- und Sprachkompetenzen, funktionieren automatisch nebenbei“, sagt Kathrin Klug, Projektkoordinatorin in Bremen.
Durch rücksichtslose Immobilien-Spekulationen hatte der Bremerhavener Krabbenhändler-Sohn Karl Ehlerding in den 1990er-Jahren in Börsenkreisen den Ehrennamen „Raider“ – also Räuber – sowie viele Milliarden Mark Vermögen erworben und die Verelendung Bremer Wohnquartiere gefördert.
Nach seiner spektakulären Pleite 2002 hatte er 500 Millionen Euro Schulden, die ihm großteils erlassen wurden.
Nicht in den Abgrund gerissen wurde seine 1993 in Hamburg gegründete Ehlerding-Stiftung. Die trat zuerst als Wissenschaftsförderin auf, hat aber den Hauptfokus bald auf Hilfen für Jugendliche und Kinder verlagert.(taz)
Klug betont, wie wichtig es für die Eltern sei, die Anmeldung des Kindes für das Projekt keinesfalls als Mangel, sondern vielmehr als eine Stärke zu sehen, dass man so die Bedürfnisse des Kindes wahrnehme. „Es gibt erstaunlich selten Eifersucht, weil die Eltern sich in der Regel über die Fortschritte, die die Kinder mit den Pat*innen machen, freuen.“ Wichtig in diesem Zusammenhang sei das Nichteinmischungsprinzip in die Erziehung. Dies sei fundamental, um Konflikte zu vermeiden, sagt Jantzen.
Für die Vermittlung zwischen den Pat*innen und den Eltern gibt es Patenschaftsbegleiter*innen, die ebenfalls ehrenamtlich tätig sind und sowohl bei drohenden Konflikten helfen, als auch den Auswahlprozess begleiten. Dieser beinhaltet Hausbesuche auf beiden Seiten, das Programm behält es sich dabei vor, interessierte Pat*innen bei Zweifeln auch abzulehnen.
Auf dem Infoabend in Bremen gehört ein Großteil der Teilnehmer*innen zur älteren Generation. „Das war anfangs in Hamburg und Bremerhaven genauso, aber tatsächlich gibt es in allen Altersgruppen ungefähr gleich viele Pat*innen“, sagt Jantzen. Auch Berufstätige seien dabei. Dass in Bremen überdurchschnittlich viele Ältere anwesend sind, kommt jedoch nicht von ungefähr. Für junge Menschen bis 30 gibt es mit „Balu und Du“ von der Freiwilligenagentur bereits ein Patenschaftsprogramm. „Mit mitKids zielen wir besonders auf die etwas Älteren ab, die bei Balu und Du nicht mehr teilnehmen können“, erklärt Klug.
Der Frauenanteil des Projektes beträgt derzeit ungefähr 80 Prozent. Das liege laut Jantzen auch an der jungen Zielgruppe von Kindern zwischen zwei und neun Jahren. Dieses Alter würden sich viele Männer anfangs nicht zutrauen, bei Projekten für Jugendliche sei der Anteil höher. „Die Männer kommen oft über ihre Frauen zu uns und die Zahlen nehmen erfreulicherweise zu“, sagt Jantzen. Manche Familien würden sich explizit einen männlichen Paten wünschen.
Bei der Bereitschaft, Pat*in zu werden, spielen auch eigene Erfahrungen eine Rolle. Sei es die alleinerziehende Mutter oder die Schwester von zwei älteren Brüdern, die eine solche Begleitung selbst hätten gut gebrauchen können.
In Hamburg werden momentan rund 150, in Bremerhaven 25 Patenschaften koordiniert. Die Warteliste mit Kindern in Hamburg ist lang, in Bremen gibt es derzeit noch mehr interessierte Pat*innen als Kinder. Einen „Rekord“ nennt Jantzen die Zahl der Teilnehmer*innen am Bremer Infoabend. In den kommenden Monaten wird Kathrin Klug das Projekt an Kindergärten, Grundschulen und Einrichtungen wie dem Roten Kreuz vorstellen. Wenn alles läuft, wie geplant, starten im Sommer die ersten Patenschaften.
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