Hilfe für Erdbebenopfer: Bürokratische Barrieren

Viele Menschen in Deutschland wollen ihren Angehörigen im türkisch-syrischen Erd­beben­gebiet helfen. Doch be­stehende Visaregeln erschweren das.

Menschen sitzen zwischen Trümmern an einem Feuer

Menschen zwischen Trümmern im türkischen Kahramanmaras Foto: Suhaib Salem/reuters

BERLIN taz | Betroffene des Erdbebens in der Türkei und Syrien sollen schnell und unbürokratisch bei Verwandten in Deutschland Zuflucht finden können, fordern Po­li­ti­ke­r*in­nen und Hilfsorganisationen. „In den letzten Tagen haben sich sehr, sehr viele Menschen an mich gewandt: Meine Eltern sind obdachlos, stehen vor dem nichts, und ich sitze hier und mir sind die Hände gebunden“, sagte die baden-württembergische Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) der taz.

„Sie fragen mich, warum es nicht möglich ist, dass sie ihre nahen Angehörigen vorübergehend zu sich holen können.“ Deswegen habe sie das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium gebeten, zu prüfen, inwieweit Menschen ermöglicht werden könnte, ihre Angehörigen kurzfristig und auf eigene Kosten bei sich aufzunehmen.

Dieser Forderung schließt sich auch Macit Karaahmetoğlu an, SPD-Bundestagsabgeordneter und Sprecher seiner Fraktion in der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe. „Auch mir erzählen sehr viele Menschen, dass ihre Verwandten das Beben überlebt haben, aber ihr Haus sei zerstört, mitunter seien sie verletzt und wüssten schlicht nicht, wohin. Diese Leute wollen helfen, und der Staat sollte ihnen das ermöglichen.“

Auf der Webseite des Auswärtigen Amts heißt es derweil, türkische und syrische Staatsangehörige bräuchten für die Einreise nach Deutschland weiterhin „grundsätzlich“ ein gültiges Visum – im Verfahren werde man jedoch die „schwierige humanitäre Situation vor Ort berücksichtigen“. Wer für bis zu 90 Tagen bei Angehörigen in Deutschland unterkommen wolle, könne ein Schengen-Visum beantragen, inklusive der dafür notwendigen Nachweise – etwa über die nötigen finanziellen Mittel oder eine Reisekrankenversicherung.

„Antragsstellende aus Syrien können sich aufgrund der Schließung der Botschaft Damaskus weiterhin an die umliegenden Auslandsvertretungen (u. a. Botschaft Beirut, Botschaft Amman oder das Generalkonsulat Istanbul) wenden.“

Viele Menschen haben keinen Pass

„Die Regeln haben ja normalerweise ihre Berechtigung, aber wir reden hier von einer Naturkatastrophe unglaublichen Ausmaßes“, sagt Aras. „Da können Sie das vergessen. Wenn ein Haus wie ein Kartenhaus zusammenstürzt, dann suche ich nicht erst meinen Pass.“ Viele Menschen hätten überhaupt keinen Reisepass, und Fahrten quer durchs Land zu einer funktionierenden Visastelle seien derzeit kaum vorstellbar.

Sowohl Aras als auch Karaahmetoğlu berichten, schon vor dem Erdbeben seien Visa-Verfahren in der Türkei langwierig gewesen. Es sei „völlig unrealistisch, dass die Visastellen diese Ausnahmesituation bewältigen – sie waren schon vorher nicht in der Lage, Visa innerhalb weniger Wochen auszustellen, geschweige denn binnen Tagen“, sagt Karaahmetoğlu.

Noch komplizierter ist die Lage für Betroffene in Syrien. „Die Botschaften in Beirut oder Amman sind sowieso nur für Menschen aus den vom Beben kaum betroffenen Regimegegenden erreichbar“, sagt Svenja Borgschulte von Adopt a Revolution. Die Betroffenen bräuchten einen Weg über die bislang geschlossene Grenze der Türkei, um nach Deutschland zu kommen. Borgschulte spricht sich zudem dafür aus, in dieser „absoluten Ausnahmesituation“ nicht auf Reisepässe zu beharren: „Wenn die Leute überhaupt noch irgendein Dokument mit ihrem Namen und im besten Fall einem Foto drauf haben, dann muss das reichen.“

Auf eine taz-Anfrage an das Auswärtige Amt gab es bis Redaktionsschluss keine Antwort.

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