Hilfe bei Depressionen: Was tun bei depressiven Freunden?

Wenn Freun­d*in­nen an Depressionen erkranken, ziehen sie sich oft zurück. Dann heißt es: Hilfe anbieten, aber ohne schlaue Ratschläge zu verteilen.

Zwei Sessel im schaumigen Meer

Ein bisschen Distanz ist gut, aber nicht zu viel Foto: Mann/plainpicture

Puh, ich hatte etwas Schiss davor, wie du reagierst.“ M. sitzt mir gegenüber und schaut sichtlich erleichtert aus. Gerade hat sie erzählt, dass sie krankgeschrieben sei – erst mal auf unbestimmte Zeit. Ich bin froh darüber, schließlich weiß ich, dass es ihr in letzter Zeit gar nicht gut ging.

Dass sie glaubt, ich würde das nicht verstehen, gerade ich, die über (ihre) Depression schreibt, kränkt mich. Allerdings kann ich mir vorstellen, warum sie so denkt. Obwohl ich mich viel mit dem Thema beschäftige, heißt das nicht, dass ich als Zugehörige alles richtig mache. I wish, aber so ist es nun mal nicht.

In diesem speziellen Fall weiß ich, dass ich mich zurückgezogen und den Kontakt gemieden habe. Warum? Aus Angst vermutlich. Gerade wenn eine einem nahestehende Person sich so verändert, wie es bei depressiven Episoden der Fall ist, sich also auch die gemeinsame Dynamik wandelt, ist es schwer, das zu akzeptieren. Man fremdelt, möchte zurück zu einem Zustand vermeintlicher Normalität, und ja, hat Angst davor, etwas falsch zu machen.

Da M. wie ich seit Jahren in therapeutischer Behandlung ist, konnte ich an dieser Stelle nicht viel ausrichten. Ansonsten ist das natürlich einer der ersten Schritte: Betroffene fragen, ob man sie bei der Suche nach professioneller Hilfe unterstützen kann. Wenn nötig auch wiederholt und insistierend, denn die Depression macht Menschen leider oft beratungsresistent nach dem Motto „Mich versteht eh keiner, ergo kann mir auch nicht geholfen werden“.

Sorgen offen mitteilen

Ich finde, man kann als Zu­ge­hö­ri­ge*r auch ruhig kommunizieren, dass man sich Sorgen macht, vorausgesetzt, man macht dem Gegenüber keine Vorwürfe. Subjektiv bleiben und konkrete Beispiele nennen, was einem Sorgen bereitet und wo man beunruhigende Veränderungen wahrgenommen hat.

Mit Ratschlägen wäre ich vorsichtig. Jemandem, der gerade in einer depressiven Episode steckt, zu raten, man solle sich mal eine Auszeit nehmen, positiv denken oder einfach mal wieder rausgehen, ist zynisch. Wer nicht weiß, was er*­sie sagen soll, dem empfehle ich das Mutmach-Bingo der Deutschen Depressionshilfe, das neben „Kann ich dich unterstützen?“, Basics wie „Ich bin für dich da“ und „Ich nehme deine Erkrankung ernst“ beinhaltet.

Priorität sollte haben, nicht selbst zu erkranken. Damit ist niemandem geholfen. Wer lange mit einer psychisch kranken Person zu tun hat und dabei oft über seine Grenzen hinweggeht, läuft Gefahr, selbst krank zu werden. Dass man sich wie bei einem Magen-Darm-Infekt oder Covid ansteckt – so ist es natürlich nicht. Aber eine psychische Erkrankung ist einfach ein maximaler Energiefresser – für alle Beteiligten.

Ein Rückzug, wie der meinige M. gegenüber, ist manchmal nötig. Fair wäre es, zu kommunizieren, warum man Abstand braucht, schon um dem Gegenüber nicht noch mehr Grund zum Grübeln zu geben.

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Sophia Zessnik ist seit 2019 bei der taz und arbeitet in den Bereichen Kultur und Social Media. Sie schreibt am liebsten über Alltägliches, toxische Männlichkeit und Menschen im Allgemeinen. In ihrer Kolumne „Great Depression“ beschäftigt sie sich außerdem mit dem Thema psychische Gesundheit.

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