„Highlights“ des Humboldt Forums: Freundliche Kuh, gesprächige Tür
Das Humboldt Forum wird Ende 2019 eröffnen, zeigt aber jetzt schon mal acht Objekte, die unglaubliche Geschichten erzählen.
Man läuft durch die berühmte Prozessionsstraße des Ischtar-Tors im Pergamonmuseum, das trotz Umbaus noch zu erleben ist. Es geht weg vom Tor, in der Laufrichtung der Löwen mit den aufgerissenen Mäulern. Und plötzlich steht man vor einer freundlich lächelnden Kuh. Es handelt sich genau genommen um das Holzmodell eines männlichen Exemplars von einem Zeburind, das einst in einem Hindutempel Südindiens dem Gott Shiva als Reittier diente.
„Wir haben uns entschieden, den Nandi entgegen der Blickrichtung der Löwen aufzustellen. Er sollte zum Tor sehen, weil er zwischen den Menschen und den Göttern vermittelt“, sagt Dorothee Wagner von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Wagner wird der zur Vorbesichtigung der kleinen „Highlights“-Ausstellung zahlreich erschienen Presse im Laufes des Dienstagvormittags noch einige der Objekte vorstellen, die nach der Eröffnung des Humboldt Forums Ende 2019 zu sehen sein werden und bis Ende Mai noch einmal aus ihren Umzugskisten genommen wurden, um einen Vorgeschmack zu geben.
15 von insgesamt 20.000 Objekten. 15, von denen nur 8 wie Interventionen in der Gemäldegalerie, im Neuen Museum, Alten Museum und Pergamonmuseum ausgestellt sind und zu denen es bis in den Mai hinein Gespräche geben wird. Wie kommt man zu so einer Auswahl?
Wie kommt man zu so einer Auswahl?
„Oft sind das Objekte, die lang in den Magazinen verschwunden waren“, sagt Hartmut Dorgerloh, seit wenigen Monaten Generalintendant des Humboldt Forums. Es seien Objekte, an denen man sehr viel erzählen könne, fügt er an und lässt klingende Worte wie „Vielstimmigkeit“ und „Multiperspektivität“ fallen.
Tatsächlich sind es andere Objekte als die freundliche Kuh, an denen man wirklich erkennen kann, wie das Humboldt Forum in einem guten Jahr funktionieren, wie es komplexe Fragestellungen aushalten und diskutieren könnte.
Eine Madonna aus Südamerika etwa, die ein christliches Motiv mit traditionellen Materialien wie Kolibrifedern darstellt und damit die Welt der Eroberer mit der der Eroberten verknüpft. Die präparierte Hand eines um die Jahrhundertwende erlegten Gorillas auch. Sie zeugt von der Gewalt, welche die willkürliche Trennung von Natur und Kultur in kolonialen Zeiten rechtfertigen konnte. Und schließlich eine Tür.
Es handelt sich um eine Tür des alten Clubs Tresor in der Leipziger Straße, die Betreiber Dimitri Hegemann nach dem Abriss des Clubs im Mai 2005 retten konnte und nun der Berlinausstellung im Humboldt Forum geliehen hat. Paul Spies, Direktor des Stadtmuseums und Chef-Kurator der Berlinausstellung, reißt eindrücklich an, welche Geschichten diese simple Tür erzählt.
Brücken schlagen
Sie berichtet von Techno, also der Aufbruchstimmung der 1990er Jahre, als viele Westberliner in den Ruinen und Brachen Ostberlins ihre Freiräume fanden. Sie erzählt zusätzlich von der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim, denn der Club befand sich in den Tresorräumen des Warenhauses Wertheim, das die Nazis schon 1933 der jüdischen Kaufmannsfamilie Wertheim wegnahmen. Damit erzählt die Tür auch vom Holocaust und der Vertreibung, vom Exil und vom Braindrain in Deutschland dieser Zeit.
Und noch etwas erzählt die Tür. Sie berichtet von den Grenzen in dieser Stadt. Von denen zwischen Ost und West zum Beispiel, von denen, die der Türsteher zog, indem er nicht alle hineinließ in den Club – und auch von den aktuellen, also von den Grenzen, die die Gentrifizierung und die Frage nach bezahlbarem Wohnraum aufmachen.
Es geht also darum, Brücken zu schlagen, Kontexte herzustellen, auch Bezüge zum Hier und Jetzt. Dies gelingt dem Humboldt Forum mit seinen „Highlights“, die schon mal einen Vorgeschmack geben sollen. Es ist ein Vorgeschmack, der hoffen lässt.
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