Herzog stört den himmlischen Frieden

■ Bundespräsident Roman Herzog sorgt bei seinem Staatsbesuch in China nicht nur für Freude: Im Gegensatz zu Kanzler Helmut Kohl und seinem Außenminister Klaus Kinkel findet er deutliche Worte zur Menschenrechtsfrage

Peking (taz) – Roman Herzog hat gestern in Peking neue Akzente für die deutsche Chinapolitik gesetzt. Anders als Bundeskanzler Kohl und Außenminister Kinkel, die das Reich der Mitte unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten besucht hatten, stellte der Bundespräsident die Menschenrechtsfrage in den Mittelpunkt seines ersten Chinaaufenthalts. Dabei kam es offenbar zu deutlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Herzog und der chinesischen Staats- und Parteispitze.

„Die Menschenrechtsfrage ist ein Problemkreis, der aufs gründlichste diskutiert worden ist, aber nicht immer nur mit einhelligen Meinungen“, sagte Herzog gestern auf einer Pressekonferenz zum Abschluß seiner politischen Gespräche in Peking. Zuvor hatten ihn der chinesische Staatspräsident Jiang Zemin, Ministerpräsident Li Peng und die beiden Politbüromitglieder Zhu Rhongji und Li Ruihan zu privaten Audienzen empfangen.

Herzog ließ keinen Zweifel daran, daß Menschenrechtsfragen ins Zentrum des deutsch-chinesischen Dialogs gehören. „Die universelle Beachtung der Menschenrechte ist ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Außenpolitik“, betonte er. Den bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen, die seit 1993 mit Investitionsverträgen für eine neue Dynamik zwischen Bonn und Peking gesorgt hatten, maß Herzog während seines Besuch nur eine untergeordnete Rolle zu. Ausdrücklich warnte er die Deutschen vor der „Kurzschlußalternative: wirtschaftliche Gewinne oder Menschenrechte“. Beides sei richtig und die Alternative falsch, sagte Herzog.

Deutlich wurde das Ansinnen Herzogs, den deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog von „Von Fall zu Fall“-Besprechungen und Forderungslisten für die Befreiung von Dissidenten wegzuführen, hin auf ein breiteres philosophisches Terrain. Mit einem Artikel in der der Zeit, auf den Herzog in Peking erneut verwies, habe er versucht, eine „Diskussionsgrundlage“ zu schaffen. Herzog geht es um eine breit angelegte Diskussion zwischen dem christlichen und konfuzionistischen Kulturkreis, die an die These des US-Politologen Huntington vom bevorstehenden „Zusammenprall der Zivilisationen“ anknüpft. „Wir müssen etwas für das gegenseitige Verständnis tun, um uns der Gefahr zu erwehren“, sagte Herzog.

Allerdings zeigte gestern die Gegenwart von US-Außenminister Warren Christopher und seines russischen Amtskollegen Jewgeni Primakow in Peking, auf welch schmalem Grad der deutsch-chinesischen Beziehungen Herzog balanciert. Einen Warnschuß gab das Parteiblatt China Daily ab: Während es die „strategisch-kooperative Partnerschaft“ mit Rußland lobte, konstatierte die Zeitung in den Beziehungen zu Deutschland lediglich „Fortschritte“. Die Botschaft war deutlich: China hat viele Freunde, und mit einem solchen Präsidenten zählen die Deutschen offenbar nicht zu den besten. Georg Blume

Tagesthema Seite 3, Debatte Seite 10