Hertha vor dem Berlin-Derby: Haste Sche… am Fuß
Beim Fußballbundesligisten läuft nix: Abstiegskampf, Stress mit dem Investor – und ein neues Stadion ist auch nicht in Sicht. Ein Wochenkommentar.
W enn es derzeit einen Sportclub in Deutschland gibt, auf den Andi Brehmes berühmte Fußballweißheit „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“ zutrifft, dann dürfte das die Berliner Hertha sein. Auf Platz 17 steht der Hauptstadtverein vor diesem 29. Spieltag; bleibt es so, wäre das gleichbedeutend mit dem Abstieg aus der ersten Bundesliga. Vor dem Derby gegen Union Berlin am Samstagabend geht es also schon um (fast) alles.
Doch während die Köpenicker auf Platz sieben derzeit das Maß der Dinge im Berliner Profifußball darstellen, läuft bei der „Alten Tante“, wie die Hertha auch genannt wird, nichts mehr zusammen. Der vor wenigen Wochen als Retter geholte Trainer Felix Magath hat es bisher nicht geschafft, die Mannschaft aus dem Tief zu holen. Zudem macht Großinvestor Lars Windhorst, der in den letzten Jahren fast 400 Millionen Euro in den Club gesteckt hat, Ärger: Er hat sich mit dem Vereinschef überworfen und droht mit Rebellion; diese Woche gab es zudem Meldungen, dass Windhorst einige seiner Anteile am Club verpfändet hat.
Und auch der große Traum des Vereins, statt im zugigen und für die Leistungen der Hertha meist überdimensionierten Berliner Olympiastadion künftig in einem eigenen, echten Fußballstadion spielen zu können, rückt in immer weitere Ferne. Das zeigen Aussagen von Berlins Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) vom Donnerstag.
Zwar erklärte die bisher ziemlich unauffällige Senatorin im RBB: „Ich möchte, dass Hertha ein neues Fußballstadion bekommt.“ Dann aber brachte sie in die seit Jahren laufende Debatte um den Standort eine weitere Option ein: „Wir haben am Rande des Maifelds noch sehr viel Freifläche“ – allerdings nur für ein „kleineres Stadion“. Darüber hinaus erwarte sie vom Verein, „dass Hertha eine Verlängerung der Spielzeit im Olympiastadion macht, bis 2030“.
Sprich: Spranger spielt auf Zeit. Hertha soll als wichtigster Mieter mal schön im sonst für Sportereignisse kaum genutzten historischen 70.000-Zuschauer*innen-Stadion im Westen der Stadt bleiben.
Eskapaden der Vereinsführung
Dass Verein und Senat nicht zusammen kommen, liegt aber vor allem am Gebaren des Clubs. Schon Sprangers Vorgänger, dem heutigen Bausenator Andreas Geisel (SPD), war keine andere Wahl geblieben, als die Eskapaden der Vereinsführung in Sachen Stadionneubau mit fassungslosem Blick zu verfolgen. Denn der Club wollte unbedingt auf dem denkmalgeschützten Olympia-Gelände bauen: an der Rominter Allee, wo allerdings noch Wohnhäuser stehen.
Eine Einigung mit deren Bewohner*innen und Eigentümer*innen versäumte Hertha aber. So sah sich vor wenigen Tagen sogar die neue Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) noch mal genötigt zu betonen: „Das kann nur im Einvernehmen mit den Anwohnern geschehen. Für sie bräuchte es ein attraktives anderes Wohnangebot. Ob es da eine Einigung geben kann, ist noch völlig offen.“ Und nach der Sitzung des Sportausschusses des Abgeordnetenhauses am Freitag war klar: Der Standort an der Rominter Allee ist endgültig vom Tisch.
So blieb dem Club am Ende der Woche nur das pflichtschuldige Zugeständnis, dass man sich über das „positive Signal“ von Spranger sehr freue. Der Vorschlag sei sinnvoll, denn er vereine viele Vorteile biete; etwa die Anbindung des Olympiaparks an den ÖPNV. Man wolle die Realisierbarkeit nun „umgehend und intensiv“ prüfen. Klar ist aber auch: Damit ist das bislang erklärte Ziel, spätestens 2025 im neuen Stadion zu spielen, überhaupt nicht mehr zu erreichen. Und ob ein „kleineres Stadion“ dem großspurigen, gleichwohl selten durch sportliche Leistungen gedeckten Hertha-Anspruch entspricht, wird man sehen müssen.
Vielleicht erhält die Debatte in wenigen Wochen eine weitere Wendung: Sollte Hertha tatsächlich in die zweite Liga absteigen, dürften noch einmal ganz neue Fragen über die aktuelle und künftige Spielstätte aufgeworfen werden. Union Berlin würde es freuen, wenn Berlins Westclub erstklassig bliebe, allein schon der Derbys wegen. Ob die Köpenicker der Hertha dabei am Samstag Schützenhilfe geben, darf man indes bezweifeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Plan für Negativ-Emissionen
CO2-Entnahme ganz bald, fest versprochen!
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein