Neues Stadion für Hertha BSC Berlin: Ein weiterer Anlauf

Der Fußball-Bundesligist legt Pläne für ein neues Stadion auf dem Olympiagelände vor – und zeigt sich dabei ungewohnt offen für Zugeständnisse.

Menschen schauen auf das Berliner Olympiastadion

Ein Knaller: Blick aufs Olympiastadion während des Rammstein-Konzerts Foto: dpa

BERLIN taz | Die Pläne für einen Stadionneubau des Fußballbundesligisten Hertha BSC werden konkret – was aber noch lange nicht heißt, dass sie auch bald umgesetzt werden. Erstmals stellte ein Vereinsvertreter am Freitag im Sportausschuss des Abgeordetenhauses vor, wie die von dem Verein ersehnte reine Fußballarena aussehen könnte und vor allem, wo sie genau stehen soll. Die Abgeordneten hatten dennoch noch viele Fragen; Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) kündigte zur Klärung die Bildung einer Projektgruppe an.

Am Rand des Maifeldes soll das rund 45.000 Menschen fassende Stadion entstehen, genauer: auf dem Lindeneck im Olympiapark. Da der Platz dort begrenzt ist und zudem strenge Auflagen des Denkmalschutzes für das gesamte Areal gelten, habe man sich entschieden, die Haupttribüne schmaler zu gestalten, erläuterte Herthas Finanz-Geschäftsführer Ingo Schiller. Vorbild sei das legendäre Stadion „Bombonera“ mitten in Buenos Aires. Die Kosten sollen weiterhin rund 250 Millionen Euro betragen, die der Verein selbst stemmen will. Den Namen für das Projekt hat der Club vom Kreuzberger 1. Mai geborgt: Es läuft unter dem Namen „MyField“.

Für die südliche Außenseite hin zu Maifeld ist eine große Videoleinwand geplant, die von allen genutzt werden könne, die etwas auf dem oft verwaisten Maifeld veranstalten wollen, etwa Public Viewing. So möchte Hertha einen Beitrag leisten zu Belebung des gesamten Geländes, zu dem auch die Waldbühne und natürlich das mehr als 70.000 Menschen fassenden Olympiastadion selbst gehören. Clubvertreter Schiller war das Bemühen anzumerken, möglichst kompromissbereit und offen für Diskussionen zu wirken. Dazu gehört auch, dass der Verein die Größe des Stadions reduziert hat: Bislang sahen die Planungen 55.000 Plätze vor. Die Abgeordneten des Sportausschusses waren dennoch überrascht: Sie hatten den Entwurf zuvor nicht zu Gesicht bekommen.

Seit Jahren wünscht sich Hertha BSC ein reines Fußballstadion, bei dem die Sitzreihen bis an das Fußballfeld reichen und nicht wie im 70.000 Menschen fassende Olympiastadion durch eine Leichtathletik-Laufbahn getrennt sind. Mehrere Standorte waren bereits in der Diskussion, darunter auch der ehemalige Flughafen Tegel. Zuletzt wurde vom Verein ein Areal an der Rominter Allee favorisiert; dort hätten jedoch Wohngebäude weichen müssen. Ein No-Go, wie die Koalitionsvertreter im Ausschuss betonten. Deswegen verliefen die Planungen wieder im Sande. „Das war eine verfahrene Situation, an der auch wir unseren Anteil hatten“, räumte Hertha-Vertreter Schiller am Freitag ein.

Vor einigen Wochen dann hatte Sportsenatorin Spranger den neuen Standort ins Spiel gebracht. Im Ausschuss betonte sie noch einmal: „Ich bin überzeugt, dass Hertha ein Fußballstadion bekommen sollte.“ Zugleich äußerte sie Kritik an einem Reitverein, der das Gelände derzeit nutzt und in der vergangenen Woche mit scharfen Vorwürfen an die Öffentlichkeit gegangen war. „Darüber habe ich mich ein bisschen geärgert“, so Spranger, „denn es war selbstverständlich, dass wir uns mit dem Verein an den Tisch setzen.“

Landeskonservator Rauhut

„Jede Veränderung ist kritisch zu bewerten.“

Verlustbringer Olympiastadion?

Und offenbar gibt es die interne Vereinbarung zwischen Hertha und Senat zum baldigen Bau des Stadions, über die Vertreter des Reitvereins schon raunten, bisher nicht. Zu viele Fragen sind noch ungeklärt. Etwa die finanzielle: Hertha ist Hauptmieter des Olympiastadions, 7,5 Millionen Euro zahlt der Club pro Jahr ans Land. Auf einen großen Teil dieses Geldes müsste Berlin verzichten, wenn Hertha ein eigenes Stadion betreibt. Die Abgeordneten sollten sich also genau überlegen, was sie entscheiden, erklärte Dennis Buchner (SPD): „Die landeseigene Olympiastadion GmbH darf nicht zu einem dauerhaften Verlustbringer werden.“ Das wäre der Fall, wenn Hertha nicht mehr Mieter sei, betonte der Geschäftsführer der GmbH, Timo Rohwedder.

Spranger schlug deswegen vor, weitere Veranstaltungen an Land zu ziehen und die Zukunft des Geländes im Ganzen zu denken. Doch so einfach sei das nicht, erklärte Rohwedder. Der globale Veranstaltungsmarkt sei eng, das Stadion riesig, zudem gelten strenge Lärmauflagen angesichts der An­woh­ne­r*in­nen in Ruhleben. 23 Veranstaltungen jährlich seien erlaubt, bei denen die Nachtruhe gestört werde; zumeist handelt es sich dabei um Konzerte, Hertha selbst ist daran nur bei den seltenen Freitagabendspielen schuld.

Blick aufs Olympiastadion

Fürs Pokalfinale reichts: Berlins Olympiastadion Foto: dpa

Dann steht großen Um- und Neubauten auf dem Gelände der Denkmalschutz im Weg, schließlich wurden das Stadion und die Umgebung zur Nazi-Olympiade 1936 errichtet. Auch das Lindeneck sei ein „relevanter Teil“ des Areals, betonte Landeskonservator Christoph Rauhut. „Jede Veränderung ist kritisch zu bewerten.“ Eine abschließende Bewertung könne er aber erst machen, wenn die Dimension des Stadions klar werde.

Und schließlich ist offen, wo es mit Hertha hingeht. Nach einer turbulenten Bundesligasaison, die geprägt war von Auseinandersetzungen zwischen Vorstand, Investor und Fans und an deren Ende der Abstieg in die zweite Liga nur knapp verhindert wurde, steht der Club derzeit führungslos da. Am 26. Juni soll ein neuer Vorstand gewählt werden; Schiller verlässt den Verein im Oktober. Zudem gebe es bisher keine offizielle Aussage einer Mitgliederversammlung oder der Geschäftsführung, dass der Verein überhaupt ein neues Stadion wolle, kritisierten Abgeordnete. Und immer wieder äußern sich auch Fangruppierungen dahingehend, dass man im Olympiastadion bleiben wolle.

Spranger richtet deswegen nun eine Projektgruppe ein – mit Ver­tre­te­r*in­nen unter anderem aus Senat, Bezirken, Anwohner*innen, Denkmalschutz und Hertha, um nach der Sommerpause die vielen offenen Fragen zu klären. Und auch der Sportausschuss dreht noch mindestens eine Runde: In Kürze soll es eine weitere Anhörung geben. Hertha dürfte also noch ein paar Mal in Abstiegsnot geraten, bis das neue Stadion wirklich wahr wird.

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