Hertha mit Coach Klinsmann: Unglaubliche Kraft

Das Tamtam um den neuen Hertha-Trainer Jürgen Klinsmann verdeckt etwas Wichtiges: Investor Windhorst hebelt gerade die 50+1-Regel aus.

Lachender Jürgen Klinsmann

Große Freude: Der Laune von Klinsmann kann der Regen beim ersten Hertha-Training nichts anhaben Foto: dpa

Jürgen Klinsmann weiß, wie man eine unglaublich positive Stimmung erzeugt. Sehr behilflich ist ihm dabei das Wort „unglaublich“. Bei seiner Vorstellung als neuer Hertha-Coach erzählte er am Mittwoch, dass er während seiner (eigentlich unglaublich erfolglosen) Zeit bei Bayern München als Trainer „unglaublich viel gelernt“ habe. Er lobte die Großzügigkeit des Hertha-Investors Lars Windhorst („sein Commitment ist unglaublich“). Und als er nach seiner ersten Trainingseinheit im Regen seine ersten Eindrücke von der Mannschaft preisgeben sollte, hob er hervor: „Sie hören unglaublich gut zu.“

Ein großer Stab von Experten – auch das ist seit je Bestandteil der Klinsmann’schen Projekte des Aufbruchs – soll in Berlin den Glauben befördern, es komme da etwas Gutes beim Viertletzten der Liga in Bewegung. Neu dabei sind nun zwei Assistenten, ein Fitnesstrainer, ein Torwarttrainer und ein Performance-Manager. Die Arbeitszeit der Eingreiftruppe ist wie bei Chef Klinsmann selbst auf ein halbes Jahr beschränkt. Der vom DFB losgeeiste Andreas Köpke soll gar innerhalb nur eines Monats die Torhüter stabilisieren. Die personelle Überschneidung mit dem sogenannten Sommermärchen während der WM 2006, das Klinsmann maßgeblich mitgeprägt hat, ist kein Zufall.

Dieses PR-taugliche Getöse verschafft der Mannschaft Ruhe. Beim Spiel am Samstag im Olympiastadon gegen das ebenfalls recht malade Team von Borussia Dortmund stehen die Neuen am Spielfeldrand im Mittelpunkt. Die Sogkraft von Klinsmann scheint für die dauerdepressiven Herthaner so unwiderstehlich zu sein, dass das Fehlen von positiven Referenzen als Vereinstrainer zur Petitesse wird.

Dieses Klinsmann-Tamtam lenkt aber von noch etwas viel Größerem ab. Bei Hertha BSC findet gerade eine Zäsur statt, die es so in der Bundesliga noch nicht gegeben hat. Mit Klinsmann hat nämlich Investor Lars Windhorst, der 49,9 Prozent der Anteile von Hertha besitzt, die Zügel im Verein in die Hand genommen. Bislang herrschte der Glaube vor, dafür müsse man im deutschen Fußball die sperrige 50+1-Regel abschaffen.

Abkehr vom Preetz-Kurs

Mit der Berufung von Klinsmann in den Aufsichtsrat Anfang November hat Windhorst seine Muskeln schon spielen lassen. In den Jahren zuvor hatte sich Manager Michael Preetz die Position in der Vereinsführung erarbeitet, ganz allein für sportliche Entscheidungen zuständig zu sein.

Dieses PR-taugliche Getöse rund um Klinsmann verschafft der Mannschaft Ruhe

Sein Kurs des Maßhaltens und der Bodenständigkeit, der unter anderem zur Beförderung von Pal Dardai und Ante Čović vom Amateur- zum Profi­trainer führte, hat wenig gemein mit dem des Zockers Windhorst, der auf dem Finanzmarkt Milliarden bewegte.

Die Liebe dazu, in weiteren Dimensionen zu denken, hat er mit Jürgen Klinsmann gemein. „Berlin wartet auf etwas Großes“, erklärte er bei seinem ersten Auftritt. Und er ließ wissen, schon als Aufsichtsrat habe er die Arbeitsfelder mit Preetz neu abstecken müssen.

Dem Her­tha-­Manager bleibt nur noch, seine Entmachtung möglichst schön zu ummanteln. Er vermittelte den Eindruck, dass die Anstellung von Klinsmann seine Idee gewesen sei, die Windhorst prima fand. Es hat etwas von vorauseilendem Gehorsam, wie sich Preetz verhält. Und dass Hertha nun einen Performance-Manager Arne Friedrich eingestellt hat, findet Manager Preetz natürlich auch gut.

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