Hertha fordert neues Stadion: Der Größenwahn ist zurück
Der Berliner Fußball-Bundesligist will nicht mehr im Olympiastadion spielen, sondern in einer neuen, richtigen Kickarena. Geht‘s noch? Ein Kommentar.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Berlins einziger Fußballerstligist, Hertha BSC, die Bodenhaftung wieder verlieren würde. Nun ist es – nach zugegebenermaßen vielen Siegen in dieser Saison – so weit: Manager Michael Preetz forderte nach dem jüngsten Erfolg am Wochenende einen Stadionneubau für den Club. Denn das olle Olympiastadion biete leider nur wenig Atmosphäre, wenn es, wie meistens, nicht richtig voll ist. Auch sind die Zuschauer durch die Leichtathletikbahn zu weit vom Spielgeschehen entfernt.
Da hat Hertha zweifelsohne recht. Tatsächlich fühlt es sich im 1936 eröffneten Olympiarund meist eher kühl an, selbst wenn es nicht kalt ist. Und der Seitenblick nach München, wo sich der Ligakrösus ein schickes, modernes Stadion hat bauen lassen, darf gerne als Beleg für die Forderung herhalten.
Doch Berlin ist nicht München, Hertha BSC nicht Bayern. Von deren Konstanz, was die Leistung und Ligazugehörigkeit angeht, können die Hauptstadtkicker nur träumen: Bloß weil sie in dieser Saison obenauf sind, heißt das noch lange nicht, dass sie in der nächsten Spielzeit nicht auch wieder absteigen könnten, so wie erst 2010 und 2012. Wer will für so ein Team für mehrere hundert Millionen ein Stadion bauen? Eben.
Dazu kommt, dass die Debatte um ein neues Stadion ein alter Hut ist und das Olympiastadion erst zur Fußball-WM 2006 für rund 250 Millionen Euro Steuergelder umgebaut wurde. Dass daraus keine moderne Kickarena wurde, liegt in dessen Geschichte und dem Denkmalschutz begründet. Und den fehlenden Fußballclubs. Denn anders als in London – wo man in dieser Hinsicht ja auch gerne hinblickt – gibt es in der deutschen Hauptstadt nur einen ab und an erfolgreichen Verein.
Statt sich also einem größenwahnsinnigen Egotrip hinzugeben, täte Hertha gut daran, sich erst mal vereinsübergreifend und intensiv für den hiesigen Fußball zu engagieren. Wenn dann hier dereinst auch drei Teams – vielleicht Hertha, Union und TeBe – um die Deutsche Meisterschaft ringen, wäre das endlich ein solides Argument für ein richtiges Stadion.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!